www.hebbelkicker.de EM-Tippspiel AKTUELL
Tabelle und Kommentare
Teilnahme Spielregeln Teilnahme-
Formulare
Tippspiel
WM2014

Endstand im Tippspiel
am 10.07., 23:33h

Fotos vom Tippspielsieger und der Roten Laterne gibt es beim Klick auf die Namen.

Aktuelle Kommentare zu den Spielen findet Ihr unter der Tabelle!

Platz           Name          Punkte
nn
1
2

4
5
6
7
 

9


12
13
14


17


20

22

24



28



32



36







44


47

49





55



59



63



67



71



75





81



85

87
88


91
92
93
94
95

97
98

100
101
102
103
104
105
106
Jochen Dreger
Brian Chalk
Mette Geletneky
Tanja Hörner
Ingo Bergmann
Henriette Kolling
Stefan Wetzel
Lisa Christoph

André Kaiser (+/-)
Tim Klages
Helge Ahrens
P.Warkentin & H.Waltemathe
Olaf Schuldt
Moritz Kayma
Martin Kordowski
Torben Struve
Sabine Lange
Azzedin Aitbrahim
Sandra Wind
Bernd Christoph
Klas Lackschewitz
Martin Maudrich
Boyke Feddersen
Christian Hass
Tobias Christoph
Nicolas Van Nieuwenhove
Yannick Langmaack
Hardy Jacobsen
Imke Bergmann
Edgar Borkowski
John Reijmer
Thomas Müller-Lupp
Robert Förster (+/-)
Michaela Bessmann
Henning Bauch
Dieter Höffmann
Annette Christoph
Dieter Piepenburg
Frederik Dethlefs (+/-)
Martin Frank
Anna-Lena Stein
Borko Borkowski
Lotte Borkowski
Julia Lübbers
Maciej Telesinski
Fabian Huttner
Norbert Dregger
Helen & Verena Dethlefs
Niklas Menke
Jan Scholten
Nick Gabler
Robert Spielhagen
Hanno Kinkel
Stephan Steinke (+/-)
Paul Schneeberg
Sven Petersen
Stefan Büttner
Anastasia Zhuravleva
Andreas Schramm
Jeroen Groeneveld
Christian Hirdes
Georg Schwamborn
Anna Jacobsen
Jan-Malte Wolfsdorf
Dirk Staats
Bastian Brück
Katya & Sasha Taldenkov/a
Ralph Hansen
Melissa Gabler
Jörn Sievers (-5)
Jan Petersen
Ove Krüger
Tina Palme
Michael Klages
Gerd Unger-Schneeberg
Sven Geletneky
Simon Pilates (+/-)
Jens Hölemann
Kirsten Fahl
Eberhard Krämer
Merle Lackschewitz
Jörn Geletneky
Rüdiger Stein
Christina Kayma
Thomas Opel
Nils Stein
David Poggemann
Bennet Juhls (-/-)
Stefan Reißig
Matthias Gröger (+/-)
Roland Friedl-Schulz
Hanno Meyer (-/+)
Jonathan Lackschewitz (+/-)
Nicole Biebow (-/-)
Maurice Kusza
Christopher Giehl
Claudia Didié
Johann Klages
Marcus Gutjahr
Maik Mahlkow (-/-)
Carolyn Wegner (-/+)
René Kaiser (-/-)
Ed Hathorne (+/-)
Karen Volkmann-Lark
Olafur Ingolfsson (-/-)
Philip Scholten (-/-)
110
107
107
105
102
101
99
99

97
97
97
96
95
94
94
94
93
93
93
92
92
91
91
90
90
90
90
89
89
89
89
88
88
88
88
87
87
87
87
87
87
87
87
86
86
86
85
85
84
84
84
84
84
84
83
83
83
83
82
82
82
82
81
81
81
81
80
80
80
80
79
79
79
79
78
78
78
78
78
78
77
77
77
77
75
75
74
73
73
73
72
70
69
67
66
66
65
64
64
61
58
55
53
52
50
49

(-5) Tippschein für Halbfinale/Finale falsch ausgefüllt!
Keine Wertung für die Rote Laterne:
(-/-) Keine Endrundentipps abgegeben.
(-/+) Keine Achtelfinal-/Viertelfinaltipps abgegeben.
(+/-) Keine Halbfinal-/Finaltipps abgegeben.



Epilog vom Kanal zur EM 2016

Auf Wiedersehen bis irgendwann


Liebe Freundinnen und Freunde des nun endlich ruhenden Balles,

hurra – wir haben gut vier Wochen nach Turnierbeginn endlich einen neuen Europameister (den zehnten insgesamt). Glückwunsch an Portugal. Ihr wart die Allerbesten und habt es voll verdient (dieses Lob gebührt aber grundsätzlich immer der siegreichen Mannschaft nach einem Turnier). Die Silberamphore steht nun vier Jahre in einer schönen Schauvitrine vermutlich in Lissabon. Und CR7 ist nicht mehr der Unvollendete und braucht nicht mehr bitterlich zu weinen.

Deutschland ist seiner Favoritenrolle vollauf gerecht geworden. Im Sportteil der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 11. Juni 2016 fiel mir der Artikel „Die Statistik spricht für Deutschland“ ins Auge. Laut UEFA.com hatte Deutschland im Turnierverlauf den meisten Ballbesitz (63%) und die zweithöchste Passgenauigkeit (90%). Auch bei den Torschüssen (18 pro Spiel) waren die Deutschen Spitze. Ich lese daraus, dass wir im Grunde zu Recht als statistischer Europameister nach dem Halbfinale die Heimreise angetreten haben. „Madame Rasta“ kann sich somit durchaus bestätigt fühlen. Deutschland war in allen messbaren Bereichen einfach nur Spitze. Na gut – mit diesen blöden Toren haperte es manchmal etwas. Wir hatten diesmal einige Offensivspieler dabei, die weder Baum noch Hund bzw. weder  Baum noch Borke waren. Das soll aber nicht als Kritik verstanden werden – wir waren eindeutig die Besten, das haben DFB-Präsident, Bundestrainer und Spieler schließlich einmütig verkündet. Und so viel Fachkompetenz kann sich nicht irren.

Was bleibt von dieser EM sonst dauerhaft in Erinnerung? Die vorher von vielen im Umfeld der Stadien, in den Spielorten oder in Public-Viewing-Zonen befürchteten suizidalen Terroranschläge islamistischer Paradiessüchtiger sind möglicherweise dank Ramadan (es gilt normalerweise als unschicklich, sich und damit auch andere vor Sonnenuntergang in die Luft zu jagen – aber verpflichtend ist das wohl auch nicht), vor allem aber wegen massiver Militär- und Polizeipräsenz ausgeblieben. Vielleicht wurde dadurch die Stimmung außerhalb der Stadien als nur mittelprächtig empfunden. Aber wer will das aus der Ferne schon objektiv beurteilen? In dieses Stimmungsloch stießen leider unverbesserliche Kriminelle, vorwiegend aus Russland und England. Die kroatischen Kriminellen waren dagegen schwerpunktmäßig für die festliche Illumination in den Stadien zuständig. Diese spezielle Art der internationalen Arbeitsteilung war allerdings nur während der Vorrundenspiele zu beobachten. Danach war bei den meisten dieser Vollidioten vermutlich die Böller- und Pyrokiste leer oder die Reisekasse alle. Die Stimmung auf den Rängen war ganz nett. Irische, nordirische und isländische Fans (nur beispielhaft genannt – natürlich sind die deutschen Fans die sangeskräftigsten, lautesten, einfallsreichsten und attraktivsten weltweit, denn die Nummer Eins der Welt sind ja bekanntlich wir) feierten das Leben und vorwiegend sich selbst. Die Schiedsrichter waren auch nicht so schlecht wie bei anderen Turnieren, einige sogar richtig gut. Die Tortechnik musste diesmal nicht bemüht werden. Die Methodik zur Ermittlung der besten Gruppendritten, vermutlich unter Zuhilfenahme eines Großrechners der NSA, war eindeutiger Mist. Italien hätte nach dem dritten Vorrundenspiel (Einsatz einer C-Elf inklusive Mannschaftsarzt, Torwarttrainer, Busfahrer und Pizzabäcker) eigentlich zwingend disqualifiziert werden müssen. Dann wäre den Deutschen das kräfte- und nervenraubende Aufeinandertreffen im Viertelfinale erspart geblieben. Aber dann hätten man auch nicht das Italien-Albtrauma (54 Jahre ohne Sieg bei WM oder EM) nicht besiegen können. Sonst fällt mir nichts weiter ein. Aber vielleicht hat sich ja ein wenig Amnesie auf mein durch TV-Dauerberieselung strapaziertes Hirn gelegt. Das bitte ich dann gegebenenfalls zu entschuldigen – glücklich ist, wer vergisst.

Ach ja – Fußball wurde von den 24 Mannschaften auch noch gespielt bzw. versucht zu spielen. Manchen gelang es gar nicht (England, Österreich, Rumänien, Russland, Spanien, Tschechien, Ukraine), manchen weniger bzw. nicht ausreichend gut genug (Schweden, Türkei), manchen ganz ordentlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten (Albanien, Irland, Nordirland, Slowakei, Ungarn), manche hatten einfach nur Pech (Kroatien, Schweiz), manche scheiterten an den eigenen Erwartungen (Belgien), manche erfüllten die Erwartungen überdurchschnittlich (Polen, Italien) und manche wurden ihrer Favoriten- oder Mitfavoritenrolle voll gerecht (Deutschland, Frankreich). Dann waren da noch Wales und Island, die beide schwer über sich selbst hinaus wuchsen. Und es gab Portugal, das dann irgendwie Europameister wurde. Einen passenderen Titelträger hätte man für dieses merkwürdige Turnier nicht finden können – einfach nur großartig!

Es passierte noch was Fußball-Historisches. Die Ära des Tiki-Taka ist spätestens mit dieser EM zu Ende gegangen, faktisch war sie es wohl schon bei der letzten WM in Brasilien. Der Traum vom EM-Titel-Hattrick war sicherlich Antrieb für die spanische Mannschaft, noch einmal Großes leisten zu wollen. Eine echte Chance zur Erreichung dieses Ziels entsprach aber letztlich nicht den Realitäten. Das ist aber überhaupt kein Grund für Häme oder Schadenfreude. Schön bzw. elegant spielen und trotzdem (über Jahre) erfolgreich zu sein, ist schon eine außergewöhnliche Leistung. Und in der Niederlage (Achtelfinale gegen Italien) bewiesen alle Spanier ohne Ausnahme zudem noch Klasse und Haltung. Das sollen andere Mannschaften erst einmal zustande bringen. Ich ziehe meinen großen australischen Sommerhut vor den Spaniern – besonders vor dem großartigen Andrés Iniesta – und sage aus tiefstem Herzen: Gracias España!

Leider werden bei den EM-Turnieren immer weniger Tore geschossen. Der Torschnitt lag bei 2,1 Toren und reduzierte sich damit gegenüber der EM 2012 noch einmal um 0,4 Tore. Gleichzeitig spricht das für das durchgehend gute Niveau im Defensivverhalten fast aller Mannschaften, gerade auch der vermeintlich „Kleinen“ (sind damit wohl Pygmäen gemeint?). Es gab bei dieser EM keine richtige Schießbuden-Truppe. Trotzdem sind Tore halt das Salz in der Suppe  Man hatte den Eindruck, dass nach Abzug aller Eigentore, eigentlich aus Abseitsposition erzielter Tore, abgefälschter Schüsse, Elfmeter, Standards, Torwartfehler und Treffer in der Nachspielzeit letztlich nur das schöne Tor des Schweizers Shaqiri aus dem Achtelfinalspiel gegen Polen übrig blieb – Glückwunsch!

Vermeintlich neu kamen angeblich hochmoderne Fachbegriffe medial um die Ecke, die man aber vorher schon mal gehört zu haben glaubte. Beispiele hierfür sind das Packing (jeder arme Amazon-Mitarbeiter und Ebay-Versender kennt das), das Pressing und Gegenpressing (uralte Fachbegriffe aus der Geburtshilfe), das schnelle Umschaltspiel (jedes Kleinkind nervt seine Eltern mit unmotiviertem TV-Zapping), die Dreier- oder Viererkette (sehr sparsame Form der Weihnachtsbeleuchtung) oder die falsche Sechs bzw. die falsche Neun (Schummeleien beim Kartenspiel gab es schon immer). Fazit: Alter Wein in neuen Schläuchen – braucht also kein Mensch wirklich, allenfalls die vermutlich von den anbietenden Software-Firmen oder Spielerberatern eingekauften TV-Experten. So vehement wie Schlaugrinser Mehmet Scholl den angeblich praktischen Nutzen einer Packing-Rate geradezu gebetsmühlenhaft anpries, könnte er künftig als Verkaufsmotivator bei jeder Tupper-Party eingesetzt werden. Die häusliche Damenwelt dürfte das bestimmt entzücken.

Die  Aufblähung des Teilnehmerfeldes sehe ich trotz der individuell tollen Leistungen von Wales und Island samt ihrer stimmungsvollen Anhängerschaft eher kritisch. Warum es dazu gekommen ist, dürfte der/die eine oder andere vielleicht noch erinnern. Im Verbandsfußball geht es bekanntlich ausschließlich um Macht, Stimmen und vor allem um Geld. Ex-UEFA-Chef Michel Platinis Wahlgeschenk an die kleinen europäischen Verbände war die versprochene Aufstockung der EM von 16 auf 24 Mannschaften. So ist er zum UEFA-Präsidenten aufgestiegen. Wenn es nicht so dumm für ihn gelaufen wäre, hätte er mit einer ähnlichen WM-Expansions-Strategie von derzeit 32 auf 64 oder besser noch auf 128 Mannschaften wahrscheinlich auch den FIFA-Vorsitz geschenkt bekommen. Das ist aber nun alles kalter Kaffee. Platini wurde, wie andere seiner Kollegen auch, mehr oder weniger elegant in ein neu geschaffenes Funktionärsendlager in der ehemaligen Wolfsschanze entsorgt. Dort unterhalb der masurischen Wälder kann er weiter munter vor sich hin strahlen, ohne größere Schäden an Mensch, Natur und Umwelt zu verursachen. Aber grundsätzlich ist immer Vorsicht geboten: Solche Typen wirken auch nach vielen Jahren immer noch stark toxisch.

Das andere Extrem wäre ein Beibehalten der alten 16er-EM, ergänzt mit der nicht ganz ernst gemeinten Neuerung von acht Vorrundengruppen á zwei Mannschaften, bei denen sich dann alle Gruppenersten und Gruppenzweiten automatisch fürs nachfolgende Achtelfinale qualifizieren. Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Bayern Münchens Manager Rummenigge wäre sicherlich für die Einführung einer  Setzliste. Die besten acht Mannschaften (wozu natürlich grundsätzlich immer Deutschland gehört, bestimmt auch noch Spanien, Frankreich, England, Italien, Portugal und Holland – ein weiterer Startplatz könnte zugunsten finanzstarker Verbände, Oligarchen oder Ölscheichs bei Ebay versteigert werden) spielen automatisch erst ab dem Achtelfinale im EM-Turnier mit und alle anderen Teams spielen in endlosen Gruppen- und Play-Off-Spielen zuvor deren Gegner aus. Dann könnte das Turnier auf zwei bis drei Monate ausgedehnt werden können (ideal für die Werbewirtschaft und den Tourismus) und auf diese Weise könnte theoretisch sogar ganz Europa einschließlich Liechtenstein, San Marino, Andorra, Malta und dem Vatikan-Staat bei einer EM-Endrunde mitmachen. Trotzdem würden die vielspielenden Weltstars der großen Klubs nach einer anstrengenden Saison (Meisterschaft, Pokal, Champions League etc.) viele Körner sparen. Zu diesem Zweck könnten die Spielzeiten in der K.-o.-Phase ab dem Achtelfinale von neunzig Minuten auf eine Stunde á 30 Minuten pro Halbzeit reduziert oder statt der Spiele selbst gleich ein Elfmeterschießen angesetzt werden – natürlich mit einem kleinen Bonus von plus zwei Toren für die großen acht Mannschaften (siehe oben). Man muss nur kreativ genug sein oder zur Durchmischung des Teilnehmerfeldes mal wieder Ottos Griechen mitspielen lassen. Aber erstens haben die Hellenen jetzt mit Finanzkrise und Flüchtlingsflut, wie auch eigentlich der Rest der EU, genug zu tun. Und zweitens waren die Isländer mit ihrem sensationellen Einzug ins Viertelfinale inklusive England-Eroberung diesmal die viel besseren Griechen.
Die WM-Endrunden 2018 und 2022 finden, jedenfalls nach meinem Kenntnisstand, mit Sicherheit dort statt, wohin sie vor einigen Jahren unter tätiger Mithilfe der FIFA verschachert worden sind. Frei nach Titan Oli Kahn geht ja alles weiter, immer weiter. Die Gastgeber zu Putins und Ölscheichs Gnaden und vor allem mit Hilfe ihrer Moneten dürften allgemein bekannt sein: Россия und Katarrh (es gibt verschiedene Schreibweisen für diesen Wüstenstaat). Über die skandalösen Umstände im Vorfeld der beiden WM-Kandidaturen (Stimmenkauf, Korruption, Vorteilsnahme etc.) und bei der anschließenden Umsetzung vor Ort (Terminfindungskomödie aufgrund der unmenschlichen klimatischen Bedingungen in den Sommermonaten, Probleme mit Stadionbauten, Tausende von Todesfällen von Bauarbeitern bzw. Bausklaven, Umgang mit Regimekritikern, Korruption, finanzielle Probleme etc.) ist genug geschrieben worden. Die FIFA hatte mehrfach die Möglichkeit und vor allem beste Gründe, beiden Ländern die Ausrichtung der Weltmeisterschaft zu entziehen. Das wäre aber der sehr viel unbequemere Weg gewesen. Der Zweck heiligt aber nicht immer die Mittel. Ich bin der Meinung, dass man sich nicht alles bieten lassen muss. Das hat weder etwas mit den Russen selbst noch mit den Kataris (heißen die überhaupt so?) zu tun. Letztere kenne ich nicht, kann mir daher kein Urteil erlauben. Über die russischen Menschen (bin mehrfach dort gewesen) kann ich nur Positives berichten. Trotzdem werde ich mir Tippspiel-mäßig zu beiden WMs 2018 und 2022 eine kleine Auszeit genehmigen. Mir geht einfach völlig die Phantasie ab, was man zu diesen beiden Staatsevents zum Protegé mehr oder weniger autokratischer Systeme überhaupt noch Witziges, Launiges oder gar Positives schreiben könnte.

Ob es die für die WM-Vergaben letztlich allein verantwortliche FIFA in der jetzigen Form in den nächsten Jahren überhaupt noch geben wird, lasse ich einmal dahin gestellt. Der angebliche Neustart des Blatter-Nachfolgers Gianni  Infantilo (den kleinen Schreibfehler lasse ich mal so stehen) liest sich wie folgt: Völlig überzogene Gehaltsansprüche bzw. anschließende Mauscheleien in diesem Zusammenhang, Rücktritte von Mitgliedern wichtiger neu geschaffener FIFA-Gremien, keine Transparenz bei der Auswahl der neuen Generalsekretärin, Installierung des super-integren und vollkommen skandalfreien Diego Armando Maradona gewissermaßen als „Propagandaminister“ für Südamerika, Vertuschung von finanziellen Unregelmäßigkeiten noch zu Infantilos UEFA-Zeit. Desaströser hätte es für den Walliser (nicht aus dem britischen Halbfinalland, sondern aus dem schweizerischen Kanton) kaum laufen können. Wie lange überlebt die FIFA ihren selbst verschuldeten Niedergang noch? Darüber könnte man sicher ein eigenes Tippspiel veranstalten.

In vier Jahren findet die Jubiläums-EM (60 Jahre seit 1960) statt, die ja bekanntlich dezentral in gleich dreizehn Ländern Europas gleichzeitig durchgeführt werden soll. Die Mini-Endrunde innerhalb der EM-Endrunde wird mit den vier Halbfinalisten und den beiden Finalisten möglicher Weise im Londoner Wembley-Stadion ausgespielt. „Back to the roots“ wie bei der EM-Premiere 1960 bzw. letztmals 1976, könnte man dazu sagen oder „football’s coming home“ wie letztmals 1996 bei der EM-Endrunde in England. Aber nach dem Brexit sollte man vielleicht nochmal in sich gehen, ob England eine solche Sonderbehandlung überhaupt verdient hat. Insgesamt aber eine schöne Idee. Die hatte seinerzeit noch der heutige Frührentner und hobbymäßige Panini-Bilder-Sammler Michel Platini. Hat ihm aber bekanntlich nichts genützt zur angepeilten Fortsetzung seiner Funktionärskarriere auf Weltspitzenebene. Über die Vergabe der EM 2024 wird im kommenden Jahr entschieden, hoffentlich alles einigermaßen korrekt und ohne das bisher übliche Gemauschel oder Geschacher. Bisherige Bewerber sind Deutschland, die Türkei sowie Skandinavien mit den vier Ländern Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland. Warum nicht mal wieder in den hohen Norden reisen. Ich schätze, das wird die wahrscheinlichste Alternative sein. Denn Merkel und Erdoğan werden sich auf politischer Ebene eher gegenseitig neutralisieren, was auch auf die Sportpolitik der Verbände durchschlagen könnte.

Vielleicht sollte man sich für die Qualifikationen künftiger WMs und EMs einige neue Akzente setzen. Wie wäre es mit zusätzlichen Plus- und Minuspunkten (z. B. jeweils drei) für beim vorherigen Turnier jeweils gezeigte attraktive Spielweise (plus), die attraktivsten Tore (plus), die vorbildlichsten Fans (plus), die unattraktivste Spielweise (minus), die hässlichsten Schwalben (minus) oder die fiesesten Fans (minus) für die jeweiligen Länder. Das könnte man via Internet alles abfragen. Dann würde es natürlich für England, Russland oder Kroatien im Hinblick auf deren Fans verdientermaßen etwas eng werden. Aber warum sollte man nicht einige Länder für ihre tollen Fans wie die der Iren/Nordiren, Schweden oder auch der phantastischen Isländer belohnen?

Wir hören und sehen uns dann vermutlich zur nächsten EM im Jahre 2020. Bleibt alle möglichst gesund und munter bis dahin. Denn das ist doch – Fußball hin oder her – das Wichtigste im Leben.

Mit besten Grüßen vom Kanal

Bernd Christoph

P.S.: Abschließend von dieser Stelle noch einmal vielen Dank für die gute und jederzeit angenehme Zusammenarbeit an „Madame Rasta“ Prof. Dr. Tistić. Es war mir eine Ehre und Freude. Nicht alle ihre Prognosen bestanden den harten Praxistest auf dem grünen Rasen, aber sie waren zumindest immer wissenschaftlich-fundiert erklärt. Vielleicht meldet sie sich ja bei irgendeiner der nächsten Fußball-Großveranstaltungen mal wieder aus ihrer Heimatstadt Belgrad. Ihr persönlich wünsche ich alles Gute – denn auch hinterm Horizont geht’s bekanntlich immer irgendwie weiter…
Mich wundert nur, dass niemand über die in „Madame Rastas“ Prognosen mehrfach angesprochene serbische Adriaküste gestolpert ist. Diese existiert nämlich mangels direkter Landverbindung zum Mittelmeer überhaupt nicht. Dafür habe ich nur zwei Erklärungen. Entweder hat keiner die Texte (aufmerksam) gelesen. Das wäre nicht weiter schlimm. Wir leben schließlich in einer digital-schnelllebigen Zeit. Da müssen alle relevanten Informationen in maximal fünf Sekunden aufgenommen werden. Der Rest fällt dann eben unter den Tisch. Oder sollte es bei der Mehrzahl der Leser kapitale Wissensdefizite in Geometrie geben? Das wiederum würde mich sehr traurig stimmen – „Madame Rasta“ sicherlich auch. Vielleicht sollte unser jahrzehntelang bestens bewährter Spielleiter Robert an Stelle des „Rotkäppchen“-Sekts als Trostpreis für die/den Letzte(n) des Tippspiels künftig besser einen „Diercke“-Weltatlas (vermutlich seit Jahren nur noch in digitaler Version oder als App erhältlich) ausloben.



EM-Kommentar vom 11.07.2016 und EM-Rückblick


Bonjour EM,


das Turnier ist zuende, die Mannschaft von Portugal ist Europameister. Die favorisierten Franzosen schafften es im Grande Finale trotz guter Chancen einfach nicht, den Ball über die Linie zu bekommen und ließen sich mit zunehmender Spieldauer von den Sportugiesen den Schneid abkaufen. Nach langen 120 Minuten war der Sieg der Iberer dann nicht mehr unverdient, sie hatten in der Verlängerung mehrere sehr gute Torchancen und erzielten mit einem schönen Flachschuss aus 24 m den Siegtreffer. So kann es einer Mannschaft gehen im Fußball - in der Vorrunde mit drei Unentschieden fast rausgeflogen und am Ende den Pokal in der Hand. Italien 1982 lässt grüßen!


Das war die EM

Das Turnier hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Sportlich ist es höchst fragwürdig, ob die auf 24 Mannschaften aufgeblähte EM einen echten Wettkampf der Besten repräsentiert. Wenn sogar die vier besten Gruppendritten ins Achtelfinale kommen, fördert dies ein defensiv ausgerichtetes Taktieren: Niemand will verlieren, alle weniger spielstarken Teams machen hinten dicht und nehmen lieber ein Unentschieden mit als das Risiko auf sich, bei Angriffsfußball ausgekontert zu werden. Mit drei Remis ist man schließlich quasi sicher im Achtelfinale. Spiele wie Schweiz-Albanien, Ukraine-Nordirland und selbst Italien-Schweden (und das sind nur Beispiele!) waren über lange, lange Zeit eher quälend als unterhaltsam. Die tatsächlich mit drei Unentschieden für die Hauptrunde qualifizierten Sportugiesen mauerten sich dann im langweiligsten Spiel des Turniers gegen Kroatien ins Viertelfinale, indem sie doch noch, in der 117. Minute, einen Torschuss abgaben. So musste leider das überzeugendste Team der Vorrunde frühzeitig die Heimreise antreten, während die Sportugiesen es mit fortgesetztem Gewürge und anschließender Elfmeterlotterie gegen Polen im Viertelfinale, sowie (endlich!) einer Leistungssteigerung im Halbfinale gegen Wales bis ins Endspiel schafften. Und auch dort konnten sie sich durchsetzen, wieder in der Verlängerung, wieder mit defensiver Taktik. Offense wins games, defense wins championships. Nicht immer gewinnt im Fußball die bessere Mannschaft - wer damit ein Problem hat, soll eben zum Handball gehen...

Geht das Aufblähen der Europameisterschaft also einerseits mit einem Verlust an sportlicher Qualität einher, so ist in Sachen Folklore ein deutlicher Gewinn zu verzeichnen. Besonders die Außenseiter von den Inseln im Nordatlantik brachten friedliche, fröhliche und sangesfreudige Fans mit nach Frankreich, die in den Stadien und (wie man hörte) auch drumherum für eine tolle Stimmung sorgten. Die Anhänger aus Island, Wales, Nordirland und Irland waren von den Erfolgen ihrer Mannschaften euphorisiert und feierten jeden gelungenen Spielzug wie den Gewinn der Europameisterschaft - mit Gesängen, die (soweit ich das verstehen konnte) einfallsreicher und sympathischer klangen als das von deutschen Fans intonierte "Die Nummer Eins.., die Nummer Eins..., die Nummer Eins der Welt sind wir!". Nun ja, das hat sich jetzt etwas relativiert. Zum Glück fügte sich Jogi mit seinem Team nämlich in sein Schicksal: Mehr als das Halbfinale hatte Kanzlerin Merkel eh nicht genehmigt. Ein erneuter Turniertriumph der Deutschen hätte die Ressentiments gegen die deutsche Übermacht in Europa nur weiter befeuert, mit allerlei ungewünschten Konsequenzen, der Stärkung rechtsnationaler, antieuropäischer Parteien, EU-Austritten usw.  Nee - da muss man auch mal zurückstecken. Gut gemacht, Jogi, so toll wie in Brasilien war es in Frankreich sowieso nicht. Dauernd Regenwetter beim Training, das können wir auch zuhause haben.

Richtig packende Spiele waren die Ausnahme bei dieser EM, die uns Deutschen vermutlich eher als das Ende zweier langer Serien in Erinnerung bleiben wird: Der erste Sieg einer deutschen Mannschaft gegen die schier unbezwingbaren Italiener und die erste Niederlage seit 58 Jahren bei einem Turnier gegen die Franzosen. Die Franzosen hätten mit dem dritten Sieg bei einem Turnier im eigenen Land eine auf Jahrzehnte nicht zu übertreffende Serie starten können. Aber das haben sie vergeigt.


Die Taktik

Wie schon bei der letzten WM  gab es auch diesmal wenig Neues. Die "falsche Neun", einst von den Spaniern erfolgreich eingesetzt, wird sich wohl nicht wirklich durchsetzen, so scheint es. Dieses Stilmittel wenden nur Mannschaften an, die einfach keinen richtigen Mittelstürmer aufbieten können - weil sie keinen haben oder weil er ihnen wegen Verletzungen oder Sperre abhanden gekommen ist. Erfolgreich ist es nicht: Alle vier Halbfinalisten spielten mit echten Stürmern (sofern Verletzungen dies nicht verhinderten). Auffällig und recht erfolgreich waren besonders die Pärchen aus einem wuchtigen Stoßstürmer und einem schnellen, dribbelstarken kleinen Angreifer, exemplarisch vorgeführt von Frankreich (Giroud/Griezmann), Italien (Pellè/Eder) und Portugal (Ronaldo/Nani). Auch das walisische Team spielte mit zwei Angreifern (Bale und meistens Robson-Kanu). Beim deutschen Team stand Gomez (so er denn spielte) ohne klar definierten Partner vorn; Mario Götze hätte die körperlich passende Ergänzung darstellen können, doch hatte der Bundestrainer lieber Mario Grütze mit nach Frankreich genommen. Das war dann auch nix.

In der Defensive ist heutzutage Flexibilität gefragt. Was die Italiener schon seit Jahrzehnten recht erfolgreich praktizierten, scheint nun auch für andere Mannschaften das Mittel der Wahl: Ein variabler Wechsel zwischen Dreier-, Vierer- und Fünferkette. Die Italiener bekommen das angeblich mitten im Spiel auf Zuruf des Trainers hin, wie Jogi Löw 2014 mal in der Süddeutschen Zeitung erklärte. Bei der EM gab es meist eher starre Einteilungen über 90 Minuten, wobei die Teams aus Irland und Nordirland die Fünferkette streng defensiv, die deutsche Mannschaft sie aber gegen Italien schon recht variabel interpretierte. Da hat Jogi seinen Jungs tatsächlich etwas beigebracht, was in der Bundesliga noch auf den Durchbruch wartet.


Die schönsten Tore


• Das 2:1 für Frankreich durch Payet im Eröffnungsspiel gegen Muränien: Ein toller Knaller aus 22 m oben links in den Winkel.

• Die Freistoßtore von Bale (Wales) und Dier (England) gegen die Slowakei bzw. Russland: Übung macht den Meister.

• Das 2:0 durch Schweinsteiger gegen die Ukraine: Gerade eingewechselt und in der eigenen Hälfte gestartet, haut er Özils Flanke von links mit dem rechten Fuß volley in den Winkel.

• Das 1:2 für Tschechien durch Skoda gegen Kroatien, mit wunderschönem Kopfball vom Elfmeterpunkt rechts oben ins Eck nach mindestens genauso schönem Außenrist-Chip von Rosicki in den Strafraum.

• Zoltan Gera (Ungarn) zum 1:0 gegen Portugal: Ein feiner Flachschuss mit links aus 22 m ins rechte untere Eck, leicht über den Spann gerutscht und damit schön angedreht.

• Das 2:2 von Cristiano Ronaldo gegen Ungarn, mit der Hacke ins lange Eck, nach Flanke von rechts. Zwei tolle Kopfballtore, senkrecht in der Luft stehend, hat CR7 dann im Turnier auch noch gemacht.

• Xerdan Shaquiri mit einer wunderschönen Mischung aus hohem Seitfallzieher und Scherenschlag zum 1:1 für die Schweiz gegen Polen

• Die zwei Minuten des Eden Hazard: Als die ungarische Mannschaft auf Abseits spielt und herausrückt, legt er sich selber auf Linksaußen den Ball 12 m vor, läuft hinterher und an 3 Gegenspielern vorbei, flankt dann fast von der Torauslinie auf Bashuayi, der nur noch einschieben muss. Eine Minute später erhält er auf Linksaußen einen steilen Pass aus der Mitte, zieht nach innen, an 4 Gegenspielern vorbei, und zirkelt dann den Ball aus ca. 15 m rechts unten ins Eck.

• Renato Sanches zum 1:1 der Sportugiesen gegen Polen: Doppelpass mit der Hacke von Nani, dann schön von der Strafraumgrenze ins kurze Eck abgeschlossen.

• Antoine Griezmann zum 4:0 gegen Island: Steiler Flachpass von Pogba aus der Mitte der eigenen Hälfte, am Anstoßpunkt läßt Giroud den Ball für den steil startenden Griezmann durch, der läuft auf den Torwart zu und überlupft ihn aus 11 m ganz routiniert.

• Éder zum 1:0 und zum EM-Titel für Portugal im Finale gegen Frankreich: Ein schöner Flachschuss aus 24 m Entfernung. Da gab es nichts zu halten.


Die Tops

• Das Team aus Island und seine Fans. Große Kämpferherzen auf dem Spielfeld und ein nie dagewesenes Wechselspiel zwischen Spielern und Fans. Eine echte Bereicherung.

• Die Fangesänge aus Irland, Nordirland und Wales. Wurde oben schon erwähnt, darf aber gern wiederholt werden.

• Antoine Griezmann - trotz der Finalniederlage wohl bester Spieler der EM, der Junge mit dem Lausbubengesicht und der Mann für die wichtigen Tore.

• Mario Gomez - lieferte, wenn er gefragt war. Unverzichtbar, aber leider nicht unverletzlich.

• Jerome Boateng: Weltklasse-Innenverteidiger und Ballartist auf der Torlinie, zumindest im Spiel gegen die Ukraine.

• Benedikt Höwedes - zeigte im Halbfinale gegen Olivier Giroud die Mutter aller Grätschen.

• Holger Stanislawski am Taktikmonitor. Fußball kann kompliziert und einfach zugleich sein.

• Oliver Schmidt, Tom Bartels, Martin Schneider und Claudia Neumann - unaufgeregte Kommentatoren ohne den Hang zur übermäßigen Zettelableserei.

• Die Schiedsrichterteams - quasi ohne spektakuläre Fehlentscheidungen brachten sie ein insgesamt sehr faires Turnier über die Bühne.

• Lukas Podolski in seiner Rolle als Pressesprecher des Bundestrainers: Niemand sonst moderiert die größten Peinlichkeiten so einfach und folgenlos weg.

• Gareth Bale - ein Superstar mit außergewöhnlichen Fähigkeiten zwischen lauter mittelmäßigen Kickern. Und doch kam er rüber wie ein ganz normaler EM-Kicker, anscheinend ohne Allüren und einfach nur dankbar, dabei sein zu dürfen.

• Cristiano Ronaldos Wutanfall nach dem 3:2 für Ungarn. Der Auftritt wurde inzwischen erfolgreich gegen Donald Trump und andere Störenfriede eingesetzt.

• Cristiano Ronaldos Tränen vor und nach der verletzungsbedingten Auswechslung im Finale - und dann nach dem glücklichen Ende. Auch wenn CR7 oft wie ein arrogantes A. wirkt: Wenn schon Portugal im Finale steht, dann wollen wir auch die Besten auf dem Platz sehen. Und ich kann verstehen, dass Ronaldo unendlich traurig und frustriert war, dass er so früh im Spiel raus musste. Um so schöner für ihn, dass er am Ende trotzdem jubeln konnte - und für uns die beruhigende Erkenntnis, dass CR7 auch nur ein Mensch ist.

• Joe Ledley (Wales): Mit Hipsterbart der beste Tänzer der EM.

• Die französischen Sicherheitskräfte: Trotz schlimmster Befürchtungen blieb die EM von Terrorattacken verschont. Und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurden die Fans offenbar nicht mehr als notwendig durch Kontrollen belästigt.


Die Flops

• Die russische Mannschaft: Überaltert, streng defensiv und ohne echte Spielidee nach vorn. Die Zeit wird knapp, wenn bei der Heim-WM eine schlagkräftige Truppe antreten soll, die Putins Ansprüchen entspricht.

• Das Team aus Österreich: Ein Klassespieler in mäßiger Form und ein Team von mittelmäßigen Auslandsprofis, das ergibt zusammen noch lange keinen Titelaspiranten. Aber zum Einzug in die Hauptrunde hätte es reichen müssen. Eine echte Enttäuschung. Geht's Schifoan!

• England. Vom Brexit der Landsleute zuhause extrem verwirrt, fehlte der englischen Mannschaft jeglicher Plan, wie man die mit simplen fußballerischen Mitteln agierenden Isländer ausschalten könnte. High hopes, deep disappointments - es ist alle zwei Jahre das Gleiche mit dem englischen Team. Dürfen die nach dem Brexit bei der nächsten EM überhaupt dabei sein? Lasst lieber die Kicker von den Färöer-Inseln mitmachen. Fußballerisch wäre das kein Verlust. Football, bloody hell!

• Der ewige Geheimfavorit aus Belgien: Nach dem 4:0 über Ungarn, dachten wir, der Knoten sei geplatzt: Jetzt kommen Hazard, de Bruyne & Co. richtig in Schwung. Und dann ein uninspiriertes 1:3 gegen Wales und das Aus. Gute Verteidiger sind eben nicht leicht zu ersetzen, zumindest für ein so kleines Land. Aber in zwei Jahren gibt es bei der WM in Russland noch eine Chance für das Team der Hochtalentierten.

• Mario Grütze. Durfte mitfahren, weil er Jogi zum Weltmeistertrainer geschossen hatte. Anscheinend ein ewiges Talent mit Hang zur Selbstüberschätzung.

• Thomas Müller - hast Du Scheiße am Fuß, hast Du Scheiße am Fuß. Wird bei der WM in Russland Torschützenkönig.

• Jogis Wechsel: Warum wurde ein Sané nicht schon mal früher gebracht, oder ein Weigl oder Tah, z.B. beim 3:0 gegen die Slowakei?

• Steffen Simon - macht Radioreportagen im Fernsehen, erzählt uns dauernd Dinge, die wir selber im TV sehen. Liest offenbar keine Kritiken oder macht all das absichtlich, um uns zu ärgern. Lebt von unseren Fernsehgebühren. Schlimm.

• Bela Rethy - der lebende Diavortrag. War mal ein ein guter Fußballkommentator. Aber das ist über 10 Jahre her. Hat seither einfach zu viele Notizzettel bekritzelt, die jetzt noch alle abgelesen werden müssen, bevor er in Rente geht.

• Nichtssagende Vorberichte von Delling und Konsorten, gerne vorgetragen mit dem deutschen Mannschaftsbus im Hintergrund. Soll das Aktualität vortäuschen? Wir sind doch nicht blöd!

• Der ziemlich einfalls- und humorlose UEFA-Spot mit Radfahrer Luigi Collina. Gute 150 mal muss das Ding über den Bildschirm gelaufen sein (je 1x vor und nach jedem Spiel und in der Halbzeit). Mit fast einer Milliarde Euro Gewinn bei dieser EM hätte die UEFA doch wohl auch ein bisschen mehr Kohle für mehrere und witzigere Spots springen lassen können.

• Das Wetter in Frankreich: Viel Regen und überraschend wenig Sonnenschein. Aber dafür können die Franzosen nichts.

• Holland: Oranje vollzog den Nexit schon in der EM-Qualifikation und guckte neidvoll vom Wohnwagen aus im Fernsehen zu. Oder einfach nur auf den Deich. Oder in den Himmel. Vielleicht kommt von dort ja Hilfe für den holländischen Fußball.


Das Tippspiel

Die Außenseiter haben es uns bei dieser EM nicht leicht gemacht, für die Siege von Ungarn, Island, Wales und Albanien wurden nicht allzu viele Punkte vergeben. Bereits nach wenigen Spielen konnte sich Jochen an die Spitze setzen und zeitweise einen Vorsprung von über 10 Punkten herausarbeiten. Noch innerhalb der Vorrunde schlossen aber Mette und Tanja auf, und dieses Trio wechselte sich dann bis zum Finale in der Führung ab, meist 8-10 Punkte vor dem Verfolgerfeld. Erst ab dem Viertelfinale schmolz der Vorsprung und es wurde klar, dass die Zusatzpunkte schließlich entscheiden würden. Ein französischer Finalsieg hätte Brian mit mehreren Punkten Vorsprung an die Spitze katapultiert. Doch es kam anders: Genau wie Jochen kassierte Brian nur 3 Punkte für Frankreich als torstärkstes Team. Das reichte Jochen zum Gesamtsieg bei der Europameisterschaft. Herzlichen Glückwunsch! Wieder steht ein Hebbelkicker ganz oben - die höchste Fußballkompetenz bleibt auf der Hebbelwiese zuhause. Brian erreichte gemeinsam mit Mette Platz 2 und Tanja rutschte noch auf Platz 4 ab. Die ersten acht (Platz 7 wurde 2x vergeben) sind in den Gewinnrängen - ausgezahlt wird in den nächsten Tagen.

Damit fanden Europameisterschaft und Tippspiel ein Ende. In zwei Jahren findet das WM-Turnier in Russland statt, dann gibt es selbstverständlich auch wieder ein Tippspiel. Meldet mir bis dahin ggf. Änderungen Eurer Email-Adressen, dann seid Ihr gerne wieder dabei.

Au revoir, France! добро пожаловать в России! (Willkommen in Russland!)

Robert



Statistik mit der Tistić (Teil 8)


Madame Rasta erklärt das Halbfinale und das Finale der EM 2016

Dobar dan (guten Tag) liebe Freunde des gemütlichen Finalumtrunks,

die Nummer Eins der Welt sind vier: Deutschland, Frankreich, Portugal und Wales – na ja, zumindest was das fußballerische Europa angeht. Lassen wir gedanklich einfach mal die lästigen Südamerikaner weg. Die haben ja ihre eigene Copa letzte Woche hinter sich gebracht (Glückwunsch an Chile zur Titelverteidigung). Das finale EM-Kandidaten-Quartett ist nun endlich ermittelt und die Silberamphore, um die es hier letztlich geht, steht für ihren sicherlich schon vor Ungeduld mit den Fußballhufen scharrenden Endabnehmer blank poliert und abholbereit im Stadion von Saint-Denis.

Diese EURO hat bisweilen mit zum Teil überraschenden Ergebnissen aufgewartet. Aber mein vorher wissenschaftlich-statistisch ermitteltes Ranking wurde dadurch letztlich kaum tangiert. Es war halt eben nur eine von bisher insgesamt fünfzehn Europameisterschaften. Da kann eine Mannschaft zum Beispiel mit dem Erreichen eines Achtelfinales keine allzu großen Sprünge im Ranking machen, zumal es in der Anfangszeit der EM (1960 und 1964) gleich mit 16 Mannschaften, aber das ohne vorherige Qualifikationsrunden, losging. Mit einem einzigen Erfolg in der ersten Runde (Play-Off mit Hin- und Rückspiel) stand man damals bereits im Viertelfinale. Dieses Kunststück gelang zum Beispiel der Fußballgroßmacht Luxemburg 1964 gegen Holland – das wurmt die Tulpenzüchter noch heute. Heute sieht es so aus, dass eigentlich nur der Gewinn des EM-Titels ein Länderteam im Ranking wesentlich nach vorne spülen kann (zum Beispiel Dänemark 1992 oder Griechenland 2004).

Folgende Mannschaften haben die größten Hüpfer nach vorne geschafft: Der sensationelle Viertelfinalist Island (plus neun Plätze auf Rang 25), der mehr als überraschende Halbfinalist Wales (plus sechs Plätze auf Rang 17) sowie der Viertelfinalist Polen (plus vier Plätze auf Rang 22). Danach folgen die beiden Achtelfinalisten Nordirland (plus zwei Plätze auf Rang 28) und die Slowakei (ebenfalls plus zwei Plätze auf Rang 32). Island hat damit bei seiner ersten EM-Teilnahme bereits eine so traditionsreiche Fußballnation wie die Schweiz (Rang 27) locker überholen können.
Bei einem Titelgewinn würde Wales (plus 13 Plätze) sogar bis auf Rang zehn vorrücken. Portugal (plus vier Plätze) würde bei einem EM-Sieg auf den siebten Rang klettern. Deutschland (Rang eins) und Frankreich (Rang drei) würde nicht einmal ein weiterer Titelgewinn zu einer Verbesserung im Ranking verhelfen. Beide stehen ohnehin zu weit vorne. Spanien wird trotz der relativ frühen EM-Pleite seinen zweiten Platz behalten. Das gilt auch für die unglücklichen Italiener mit ihrem fünften Platz.

Für Ostalgiker sei angemerkt, dass die nicht mehr existente DDR erwartungsgemäß langsam nach hinten durchgereicht wird, aber als muntere sozialistische Karteileiche immerhin noch ihren festen Platz (Rang 30) in meinem Ranking innehat. Es liegen sogar fünf Länder (Ukraine, Slowenien, Lettland, Albanien und die Slowakei) hinter der Ex-Ostzone. Ich bin der Meinung, so viel Geschichtsbewusstsein sollte einfach sein. Den versehentlichen Maueröffner Günter Schabowski würde das sicherlich erfreuen, wenn der wie sein Arbeiter- und Bauernstaat nicht ebenfalls schon das Zeitliche gesegnet hätte. Aber wie ungerecht müssen sich erst die Slowaken behandelt fühlen? Nach der (selbst gewollten) Scheidung von Tschechien Anfang der neunziger Jahre wurden die alten Erfolge der Tschechoslowakei bzw. der CSSR (Europameister 1976, EM-Dritter 1960 und 1980) seitens der UEFA einfach komplett den Tschechen zugeschanzt, obwohl in der Anfangsformation des Europameisters von 1976 gleich acht Slowaken und nur drei Tschechen auf dem Platz standen. Aber interessiert das außerhalb der Hohen Tatra heute überhaupt irgendwen? Als Serbin muss ich mich hier allerdings etwas zurückhalten. Schließlich hat unser Land ebenfalls die alten sportlichen Erfolge Jugoslawiens statistisch voll geerbt.

Die bisherige Torstatistik der EM sieht übrigens folgender Maßen aus: In den 36 Vorrundenspielen wurden insgesamt 69 Treffer erzielt (Schnitt pro Spiel: 1,9). Die Spanne reichte dabei von sieben (Gruppe C) bis fünfzehn (Gruppe F) Toren. In den acht Achtelfinalspielen fielen insgesamt 19 Tore (Schnitt pro Spiel: 2,4). Es ging also mit der Trefferquote in der ersten K.-o.-Runde etwas nach oben. In den vier  Viertelfinalspielen mit 15 Toren (Schnitt pro Spiel: 3,7) setzte sich dieser positive Trend weiter fort. Vor den abschließenden drei Spielen wurden bisher 103 Treffer erzielt. Damit liegt der Gesamtschnitt pro Spiel jetzt exakt bei 2,1 Toren. Die Tore in den Elfmeterschießen gingen selbstverständlich nicht in diese Wertung ein. Zum Vergleich: Der Schnitt lag bei der letzten EM 2012 bei 2,5 Toren und bei der WM 2014 bei 2,7 Toren pro Spiel.

Und noch etwas Statistisches: Alle während der EM eingesetzten Spieler werden nach meinen empirischen Berechnungen (ergibt sich aus der Anzahl der Spiele x der Anzahl der eingesetzten Spieler x der durchschnittlichen Laufleistung pro Spieler) übrigens bis zum Ende des Turniers (51 Spiele) zusammen genau 10.592,48 Kilometer zurückgelegt haben. Das entspricht exakt der Luftlinienentfernung von meiner Heimatstadt Belgrad nach Banjarmasin in Indonesien. Dieser Ort (560.000 Einwohner) ist bekanntlich die Hauptstadt der Provinz Südkalimantan und liegt auf der Insel Borneo. Solche erstaunlichen und gleichzeitig in sich schlüssigen Ergebnisse kann in der Tat nur die Lehre von Methoden zum Umgang mit quantitativen Informationen liefern. Das nennt man in Fachkreisen dann auch angewandte Statistik. Natürlich stellt sich am Ende für den interessierten Laien immer die Frage: Was soll ich um alles in der Welt in Banjarmasin? Der deutsche Barde und Starkbrillenträger Heinz Rudolf Kunze würde das  gesanglich folgender Maßen auf den Punkt bringen: „Bin weit gekommen, doch was soll ich hier?“ So mag es auch manchem unterdurchschnittlich begabten Fußballer ergehen, der seinen allerletzten Profivertrag irgendwo am Arsch der Welt absitzen muss. Aber was kann erstens die Statistik dafür? Und zweitens kann dieser nörgelnde Fußballer noch froh sein, dass sich die durchschnittliche Laufleistung in den letzten vierzig Jahren fast verdoppelt hat. Würde man nämlich den Wert von 1974 (WM in Deutschland) zum Maßstab nehmen, käme man insgesamt nur auf 6.317,99 Kilometer. Das würde dann der exakten Entfernung von Belgrad nach Lubumbashi entsprechen. Das ist die Hauptstadt der Region Katanga und mit 1,786 Millionen Einwohnern nach Kinshasa die zweitgrößte Stadt der Demokratischen Republik Kongo. Wer da unten in dieser finsteren Gegend Fußball spielen muss, der hat dann ein wirkliches Problem.

Nach diesem kleinen wissenschaftlichen Exkurs komme ich gerne auf die noch laufende Rest-EM zurück. Die letzten drei K.-o.-Spiele stehen in Kürze an und die tippe ich nachfolgend einfach mal vom Halbfinale bis zum Finale, selbstverständlich statistisch korrekt wie gleichfalls wissenschaftlich gnadenlos, bis zum (für alle Teams bis auf eines) bitteren Ende durch. Es sei für Wissensdurstige noch erwähnt, dass bei Fußball-Europameisterschaften nur von 1960 bis einschließlich 1980 (sechs Mal) nach dem Halbfinale auch noch Spiele um den dritten Platz (wie noch heute bei Weltmeisterschaften üblich) stattfanden. Hier waren die Kollegen aus der Tschechoslowakei (1960 und 1980) am erfolgreichsten, gefolgt von Ungarn (1964), England (1968), Belgien (1972) und den Niederlanden (1976). Seit 1984 wird auf diesen „Kampf um die Goldene Zitrone“ ganz verzichtet.

Halbfinale 1
Portugal (11) – Wales (23) am 6. Juli
Das erste Viertelfinale zwischen Polen und Portugal habe ich mir übrigens gemeinsam mit einem guten alten Freund (keine Sorge – wir pflegen seit vielen Jahren eine rein platonische Beziehung) angesehen, der wie mein Kumpel Boris Živković ebenfalls sehr nett an der serbischen Adriaküste lebt. Wir verkosteten vor dem Spiel sein selbst gebrautes herb-süffiges Pale-Ale. Wirklich köstlich! Das war aber wirklich der absolute Höhepunkt des Abends. Denn was soll mir jetzt überhaupt noch zu Portugal einfallen? Früher zauberten Persönlichkeiten wie Luis Figo, Rui Costa oder Deco in deren Mittelfeld, das war wirklich teilweise wunderbar anzuschauen. Jetzt sieht die von Trainer Fernando Manuel Costa Santos (ist trotz dieses multiplen Namens nur eine Person) ausgegebene Taktik anscheinend so aus, in jedem Fall  erst einmal nicht zu verlieren und auf diese Weise irgendwie weiter im Turnier bleiben, notfalls eben durch Spielgewinne in der Lotterie namens Elfmeterschießen. Das ist zwar grundsätzlich legitim. Daraus resultiert dann aber so etwas Ähnliches wie Fußball aus dem Survival-Camp. Und so rustikal mutet die Spielweise der Portugiesen dann auch an. Sicherlich, dieser rotzfreche 18-jährige Renato Sanches (demnächst bei Bayern München) hat wirklich was drauf und entwickelt sogar, anders als seine Kollegen, viel Zug zum Tor. Sein Ausgleichstreffer nach Lewandowskis Blitztor in der dritten Minute war wirklich sehenswert. Aber ab diesem Zeitpunkt wurde dann mehr als magere Fußballkost angeboten. Den Polen fiel letztlich auch nicht viel mehr ein. Insofern war das 1:1 nach Verlängerung die schlüssige Folge der von beiden Mannschaften irgendwann in der zweiten Halbzeit komplett eingestellten Offensivbemühungen. Und im Elfmeterschießen hatten die Lusitanier mal wieder den lieben Gott in der Tasche bzw. diesen bis zu den Ohren hoch tätowierten Menschen (Ricardo Quaresma), der schon meinen kroatischen Freunden im Achtelfinale mit seinem Abstauberkopfball den Todesstoß versetzt hatte. Jetzt steht eine Mannschaft im Halbfinale, die bisher vier Unentschieden (das gewonnene Elfmeterschießen geht nicht als Sieg in die Spielwertung ein) und einen knappen 1:0-Sieg kurz vor Ende der Verlängerung erzielt hat. Das erinnert ein wenig an den trüben Auftritt der deutschen Mannschaft bei der WM 1978 in Argentinien. Die hatten während dieses merkwürdigen Turniers nach vier gruseligen Unentschieden (davon dreimal 0:0 – eines sogar gegen die Fußballgroßmacht Tunesien) und einem Sieg in der zweiten Finalrunde sogar noch die theoretische Chance auf den Weltmeistertitel. Dann kamen aber bekanntlich die damals noch recht flotten Österreicher und bereiteten diesem Spuk mit dem 3:2 ein jähes und gleichfalls verdientes Ende. Vielleicht erleben die Portugiesen ja im Halbfinale ihr eigenes Córdoba. Verdient hätten sie es für ihre unansehnliche Spielweise allemal. Übrigens hat Portugal damit zum fünften Mal nach 1984, 2000, 2004 und 2012 ein EM-Halbfinale erreicht. In einem von bisher vier Fällen (zu 25%) kamen sie hinterher auch ins Finale (2004).

Im zweiten Viertelfinale standen sich Wales und Belgien (3:1) gegenüber. Vielleicht hatten auch die Drachenträger, wie ich schon am Tag zuvor, sich ebenfalls literweise diesen hochprozentigen Stoff einverleibt. Ich hatte jedenfalls diesen Eindruck. Unverständlich, dass die Belgier als Biernation Nummer Eins von ihrem Trainer Wilmots anscheinend nur stilles Wasser in der Kabine kredenzt bekamen. Das konnte einfach nichts werden. Mit ihrem überraschenden Sieg hat Wales erstmals die Vorschlussrunde einer EM erreicht und damit den vollständigen fußballerischen Brexit der drei beteiligten britischen Mannschaften (England, Nordirland und Wales) verhindern können. Nur bei einem Sieg der Belgier hätte sich eine gewisse Parallele zur WM 1958 in Schweden ergeben können. Damals starteten alle vier Mannschaften des Vereinigten Königreiches (England, Nordirland, Schottland und Wales) in einem 16er-Feld und schieden spätestens im Viertelfinale (Nordirland mit 0:4 gegen Frankreich und Wales mit 0:1 gegen den späteren Weltmeister Brasilien) aus. Aber nun könnten die Waliser tatsächlich sogar Europameister werden. Wer hätte das vor dem Turnier ernsthaft in Erwägung gezogen? Die Belgier haben sich diese Niederlage allerdings überwiegend selbst zuzuschreiben. Nach dem 1:0 durch diesen Halsrosentätowierten (Radja Nainggolan) hatten sie wohl gedacht, dass die Waliser sich in Ehrfurcht vor der großen spielerischen Klasse der Belgier einfach ergeben oder am besten gleich auf den Rücken werfen würden. Das war aber nicht der Fall. Die Waliser nutzten geschickt die großen Lücken, die sich auf der linken Abwehrseite der Flamen und Wallonen auftaten. Die durch Verletzungen und Sperren erzwungenen personellen Umstellungen gingen voll nach hinten los. Die beiden neuen Verteidiger (Jordan Lukaku und Jason Denayer) trugen zwar neunzig Minuten voller Stolz ihre beeindruckende Haarpracht (langmähnige Rasta-Frisuren) über den Platz. Zu fußballerischen Großtaten reichte es dann für diese Alibi-Ersatzfiguren allerdings nicht mehr. Die zeigten allenfalls Zweitliganiveau – und zwar belgisches. Als die Waliser diese eindeutige Schwachstelle erkannt hatten, stießen sie immer wieder kraftvoll in die belgischen Weichteile vor und drehten auf diese Weise komplett das Spiel mit drei schön herausgespielten Toren. Auch die späte Einwechslung von Marouane Fellaini brachte letztlich nur noch die Präsentation einer weiteren merkwürdigen Frisur ins Spiel. Dieser blondierte Wischmop eignet sich meines Erachtens allenfalls zur Reinigung von Geschützrohren. Irgendwann wirkten Spieler und Publikum der Schwarz-Gelb-Roten gleichermaßen plan- und ratlos: keine Körpersprache, kein Mumm, keine Anfeuerung. Waren wir vielleicht schon Zeuge einer vorweggenommenen Komplettauflösung dieses merkwürdigen Staatenverbunds? Der Sieg der Waliser ging am Ende auch in dieser Höhe vollkommen in Ordnung.

Erstmals in ihrer Fußballhistorie zogen die Waliser in das Halbfinale eines Großturniers ein. In dieser Verfassung brauchen sie sich normalerweise vor den Portugiesen nicht zu verstecken. Leider spricht der klare Unterschied in meinem Ranking (Differenz von immerhin zwölf Plätzen) und der bisherige Dusel für einen portugiesischen Sieg. Statistik kann manchmal auch sehr ungerecht sein. Das entscheidende Tor dürfte auf folgende Weise fallen: Nachdem sich die Portugiesen mehr oder weniger 120 Minuten verschanzt oder durch Mittelfeldgeplänkel Minute um Minute von der Uhr genommen haben, will der walisische Torwart mit einem Superabschlag den letzten eigenen Angriff einleiten. Er rutscht bei diesem Unterfangen jedoch auf dem seifigen Geläuf (Fritz-Walter-Wetter) etwas blöde weg. Der viel zu flach gedroschene Ball trifft den an der Strafraumgrenze sinnlos herumstehenden Portugiesen Quaresma an dessen Hinterkopf. Von dort springt der Ball über den verdutzten Keeper im hohen Bogen ins walisische Tor. Der eigene Trainer hat Recht: Die Portugiesen sind bei diesem Turnier in jedem ihrer bisherigen Spiele eindeutig die bessere Mannschaft gewesen, denn Statistiken lügen niemals. Mein Tipp: 1:0

Halbfinale 2
Deutschland (1) – Frankreich (3) am 7. Juli
Im dritten Viertelfinale erlebten wir eine Wiederauflage des Fußball-Klassikers Deutschland gegen Italien. Zehn Namen standen bisher für ein Trauma: Boninsegna, Burgnich, Riva, Rivera, Rossi, Tardelli, Altobelli, Grosso, del Piero und Balotelli. So hießen die italienischen Torschützen bei ihren vier entscheidenden Siegen bei der WM 1970 (Halbfinale), bei der WM 1982 (Finale), bei der WM 2006 (Halbfinale) und bei der EM 2012 (Halbfinale). Wären diese italienischen Spielverderber nicht gewesen, stünden im DFB-Trophäenschrank sicherlich ein paar sehr schöne Pokale mehr drin. Um ein Haar wäre noch ein elfter Name hinzugekommen: Bonucci. Der hatte nach Boatengs Spannweitentestflug im eigenen Strafraum per Elfer den Ausgleich zum Endstand von 1:1 erzielt. Und dann ging es ins Elfmeterschießen. Von sechs bisherigen hatte Deutschland bei großen Turnieren fünf gewonnen (83,33%). Aber es wurden erstmals überhaupt von deutscher Seite gleich drei Elfer völlig verschissen (ich lass den Schreibfehler mal so stehen). Nur gut, dass die Italiener dieses Manko mit einem Fehlschuss mehr sogar noch toppen konnten. Von insgesamt 18 Schützen mit weißen oder blauen Trikots schossen sieben (39%) ihre Elfmeter entweder links oder rechts am Tor vorbei, über dasselbe, gegen den Pfosten oder brannten das Spielinstrument dem gegnerischen Torwart auf den Pelz. Ausgerechnet die erfahrensten Schützen (Müller, Özil, Schweinsteiger oder Bonucci) hatten diesmal in einem Shoot-Out voller Pleiten, Pech und Pannen entweder Ladehemmung oder Schiss inne Buxe (diese Redewendung habe ich von Torsten Legat aufgeschnappt – dieser absolute Vollpfosten war früher auch mal Kunde von mir). Heldenhaft präsentierten sich dagegen die beiden Torhüter. Neuer und mein Gigi-Schätzchen (mein Gott, hat der hinterher am Telefon geheult – ich hätte ihn am liebsten auf den Arm genommen) sind die wahren Könige zwischen den Pfosten. Jetzt steht Deutschland seit der WM 2006 zum sechsten Mal in Folge unter den besten vier Mannschaften – das haben bisher nicht mal die Brasilianer mit Pelé (ich meine nicht den italienischen Versager – der schreibt sich auch anders) zu ihren besten Zeiten hin bekommen. Aber Jogi macht sich große Sorgen im Hinblick aufs Halbfinale. Der klang im Fernsehen auf der Pressekonferenz nach dem Spiel ganz zerknirscht, wirkte fast schon depressiv (hatte der was genommen oder geraucht?). Ich zitiere einmal kurz die wichtigsten Aussagen des Bundestrainers mit dieser für uns Serbinnen so putzig-niedlichen Aussprache (ist das wirklich Deutsch?): „Dem Scherroom schei Wade isch wie a Klumpe Beton“, „Der Matsch isch wege gelb rausch – jetsch habe wir  hinte e schwarzes Loch“, „Der türkische Mario isch nu gansch kaputt“ und „Der Schami un der Baschti schind fascht kaputt“. Aber er hatte für zwei seiner Schützlinge (Letztschütze Jonas Hector und Torhüter Manuel Neuer) auch noch positive Botschaften mitgebracht: „Der Jonasch isch a kuhle Schau“ und „Der Manu isch im Felde ohne Elfer noch unbeschiegt“. Mit diesen mundartlichen Merkwürdigkeiten will ich es einmal bewenden lassen. Einen besonderen Moment bereitete mir aber auf jeden Fall der künftige Bastian Ivanov (jetzt zusammen mit Miro Klose der deutsche Spieler mit den meisten WM- und EM-Einsätzen (insgesamt 37) mit seiner Uli-Hoeneß-Gedächtnis-Elfmeterfackel weit in den Nachthimmel von Bordeaux hinein. Da kamen alte Erinnerungen an 1976 in Belgrad hoch. Deutschland hat jetzt zum neunten Mal nach 1972, 1976, 1980, 1988, 1992, 1996, 2008 und 2012 ein EM-Halbfinale erreicht. In sechs von bisher acht Fällen (zu 75%) kamen sie hinterher auch ins Finale (1972, 1976, 1980, 1992, 1996 und 2008).

Das letzte Viertelfinale stellte Gastgeber Frankreich vor eine sehr undankbare Aufgabe. Denn gegen einen absoluten Außenseiter wie Island kann man eigentlich nur verlieren. Jeder im Lande erwartet einen klaren Sieg – die Mannschaft natürlich auch. Mit dem 5:2 haben sie das gut gemacht und den Zuschauern sogar noch ein schönes Scheibenschießen geboten. Es ist übrigens historischer Unsinn, dass die alten Wikinger, also die Vorfahren der Isländer, das Fußballspiel erfunden hätten, in dem sie nach der Schlacht die abgeschlagenen Köpfe ihrer Feinde hin- und her kickten. Umgekehrt wird ein (Fußball-)Schuh draus. Die Wikinger lernten das Spiel auf den britischen Inseln von den Kelten kennen. Die hatten damals je nach Verfügbarkeit sowohl mit den Köpfen ihrer Feinde als auch mit Schafköpfen gekickt. Die Wikinger entschieden sich dann ausschließlich für die Verwendung von Schafköpfen, weil man damit das Spiel während ihrer langen Seefahrten problemlos auch an Bord ausüben konnte, denn wo sollte man auf See ausreichend Köpfe von Feinden herbekommen? Es wurde dann so gespielt: Der Bootsführer (meistens ein Dorfhäuptling oder sogar der König) kickte den Schafkopf flach und mit Urgewalt bzw. Spannstoß von der Heckspitze des Drachenbootes nach vorne. Dazwischen saßen in zwei langen Reihen die Ruderer. Ziel war es, mindestens einen der Ruderer, am besten aber gleich mehrere, mit dem harten Spielgerät am Schädel zu treffen. Der getroffene Ruderer musste dann, mit dem gespielten Ausdruck der Überraschung, ein lautes „Huh“ brüllen. Der Rest der Mannschaft antwortete dann mehrstimmig ebenfalls mit einem  donnernden „Huh“. Manchmal prallte das Ding von einem Rudererschädel gleich an die Birne eines weiteren. Dieser Abpraller erzeugte  dann einen so genannten „Doppel-Huh“, manchmal sogar einen „Dreifach-Huh“. Insgesamt hatte der Häuptling oder König zehn Versuche zur Verfügung. Den absoluten Rekord soll der Saga nach König Leif Eriksson während seiner Überfahrt von Grönland nach Neufundland (Amerika) mit insgesamt achtzehn „Huhs“ mit einer einzigen Spielaufnahme (also zehn Versuche) aufgestellt haben. Viele Jahre später musste dann jedoch das Spielgerät ausgetauscht werden. Aber nicht aus dem Grund, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren (die „gehuhten“ Ruderer fielen teilweise monatelang aus und auch beim Kicker blieben schwere Fußverletzungen bisweilen nicht aus), sondern schlicht und einfach deshalb, weil die Schafe auf Grund der großen Beliebtheit des „Huh-Spiels“ kurz vorm Aussterben standen. Von da ab wurde überwiegend mit aufgepumpten Schweinsblasen gespielt und es entwickelte sich auf diese Weise vornehmlich im Norden Europas eine primitive Urform des heutigen Fußballs. Ein deutscher Kollege und Sporthistoriker sagte mir kürzlich, dass sich diese archaische Art des Fußballspiels in manchen Regionen Deutschlands (Hamburg, Darmstadt) bis heute gehalten hätte. Aber nun sind die isländischen Fußballer und Fans wieder in ihre Drachenboote gestiegen und haben von Paris aus über die Seine und den Atlantik die lange Heimreise in Richtung ihrer eiskalt-schönen Vulkaninseln angetreten. Frankreich hat übrigens zum fünften Mal nach 1960, 1984, 1996 und 2000 ein EM-Halbfinale erreicht. In zwei von bisher vier Fällen (also zu 50%) kamen sie hinterher auch ins Finale (1984 und 2000). Dafür wurden die Franzosen  immer (bisher zweimal: EM 1984 und EM 2000) Europameister, wenn sie im Finale aufliefen – haben sich also eine beeindruckende Hundertprozent-Quote erarbeitet. Zu einer dritten Finalteilnahme wird es nach meinen Berechnungen aber nicht kommen.
Übrigens haben Deutschland und Frankreich bei einer EM noch niemals gegeneinander gespielt. Viermal trafen sie allerdings bei einer Fußball-WM aufeinander. Drei deutschen Siegen (Halbfinale WM 1982, Halbfinale WM 1986 und Viertelfinale WM 2014) stand nur ein französischer Erfolg (Spiel um den dritten Platz WM 1958) gegenüber. Mit anderen Worten: Frankreich wartet seit 58 Jahren auf einen Sieg gegen Deutschland bei einem großen Turnier. Nach den vielen Ausfällen (Hummels, Gomez, Khedira und Schweinsteiger) bei den Deutschen nach der kräfteraubenden Italien-Schlacht dürften die Franzosen in ihrer locker-legéren Art den Gegner mit Sicherheit unterschätzen. Außerdem hat Deutschland im Halbfinale mit dem jeweiligen Gastgeber immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Es muss ja nicht gleich ein 7:1 dabei herauskommen. Fazit: Die Nummer Eins in meinem EM-Ranking sollte sich auch diesmal gegen die Nummer Drei durchsetzen. Torschützen: Griezmann (Frankreich) sowie Can und Götze (beide Deutschland). Mein Tipp: 2:1

Finale
Portugal (11) – Deutschland (1) am 10. Juli
Portugal hat zum zweiten Mal nach 2004 ein EM-Finale erreicht. In keinem von bisher einem Fall (also zu 0%) wurde man Europameister. Deutschland hat zum siebten Mal nach 1972, 1976, 1980, 1992, 1996 und 2008 ein EM-Finale erreicht. In drei von bisher sechs Fällen (also zu 50%) wurde man Europameister (1972, 1980 und 1996). Die bisherige Bilanz spricht also eindeutig für die DFB-Auswahl. Vier deutschen Siegen (Spiel um den dritten Platz WM 2006, Viertelfinale EM 2008 und Vorrunde EM 2012) sowie einem Unentschieden (Vorrunde EM 1984) stand nur ein portugiesischer Erfolg (Vorrunde EM 2000) gegenüber. Mit anderen Worten: Portugal wartet seit 16 Jahren auf einen Sieg gegen Deutschland bei einem großen Turnier.
Diesmal ist also wie schon bei der letzten WM der kleine vierte Stern fällig und Deutschland hätte damit, wie bereits Frankreich und Spanien zuvor, ebenfalls den Beweis angetreten, dass man als amtierender Weltmeister durchaus anschließend auch noch Europameister werden kann. Und wer schießt die beiden Tore nach dem portugiesischen Führungstreffer von CR7 (aus klarer Abseitsposition): Der bisherige Pechvogel und Chancentod Thomas Müller mit seinen ersten EM-Treffern überhaupt. Mein Tipp: 1:2

Das war das Halbfinale und Finale in meiner Vorschau. Ich habe jetzt endgültig fertig und kann mich nun ganz auf die Partnersuche für meinen Freund und Hauptkunden  Lothar M. konzentrieren.

Ziveli (prost) und long live fudbal (Лонг ливе фудбал)

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Živković (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.




Kommentar zum EM-Kommentar vom 04.07.2016

Ach du lieber Scholli! Die Sprüche dieses Schlaugrinsers würde ich nicht zu sehr hochsterilisieren. Und bei nervenden Kommentatoren (man kennt ja seine Pappenheimer) wird bei mir gnadenlos der Ton auf Null gedreht. Schade für die Stadionatmo, aber ich will ja auch Fußball gucken und nicht zwingend die Fischer-Chöre hören. Nein – das war jetzt gemein. Gehört natürlich beim Fußball immer irgendwie auch zusammen.


TV-Co-Kommentator-Einsätze gab es früher auch bei den Öffentlich-Unrechtlichen mal. Ich erinnere an Dieter Kürten mit Otto Rehhagel oder Gerd Rubenbauer mit KH Rummenigge jeweils bei der WM 1990. Beide Duos waren in meiner subjektiven Rückschau ziemlich grausig. Am besten wären eindeutig Kloppo mit Ursch Meier. Der eine hat in der WM/EM-Zeit doch Urlaub und der andere ist Frührentner. Die müsste man doch für kleines Geld bekommen.

Noch ein statistischer Nachtrag zum Elfmeterschießen (habe jetzt ja den ganzen Tag Zeit zum Rechnen). In genau 40 Jahren seit 1976 kam Deutschland vor dem letzten Italien-Spiel insgesamt sechsmal ins Elfmeterschießen bei einer WM (viermal) oder einer EM (zweimal). Bekanntlich wurde nur das erste Shoot-Out (EM 1976) verloren, danach gab es nur noch weiß-schwarzen Jubel. Deutsche Spieler gaben dabei insgesamt 28 Schüsse vom dicken weißen Punkt ab. Davon landeten sage und schreibe 26 im Netz. Das ergibt eine unglaubliche Quote von 93 Prozent. In vierzig Jahren versagten nur Uli Hoeneß (EM 1976) und Uli Stielike (WM 1982). Seit 34 Jahren wurde somit kein Elfer mehr in dieser Spezialdisziplin der Deutschen verschossen. Und dann landeten am letzten Samstag von 9 Schüssen nur erbärmliche 6 im Tor. Das ergibt eine miserable Quote von 67 Prozent. In einem einzigen Elfmeterschießen erlebten wir also mehr Versager (3) als während der gesamten 40 Jahre zuvor (2). Und mit dieser indiskutablen Penalty-Leistung wird erstmals bei einem Fußball-Großturnier das Albtrauma Italien besiegt. Das geht doch eigentlich gar nicht, oder? Vermutlich waren sogar die Engländer bei jedem ihrer gefühlt 20 verlorenen Elfmeterschießen besser. Aber vielleicht ist das Glück damit auch aufgebraucht. Wer weiß das schon? Am Donnerstag oder spätestens am Sonntag sind wir alle schlauer – aber sicherlich nicht so schlau wie unser Scholli.

Der Schweini / der Basti / der Herr Ivanov (geb. Schweinsteiger) in spe hat übrigens vor dem Elfmeterschießen als Mannschaftsführer zweimal gewonnen. Er hatte somit erstens die Wahl, welche Mannschaft beginnt und zweitens, auf welches Tor geschossen werden soll. Die Statistik spricht eine klare Sprache: Wer beginnt, hat einen deutlichen Vorteil. Und wer vor der eigenen Fankurve schießt, hat zumindest keinen Nachteil. Hier fehlen mir statistische Daten für eine klare Aussage. Trotzdem entschied sich der Bastian in beiden Fällen anders als normal. Er hat das dann hinterher damit begründet, dass er es eben diesmal genau anders als beim CL-Finale-Dahoam gegen Chelsea machen wollte. Bei ihm persönlich hat das nichts geändert: zweimal verballert. Ich glaube, wenn das diesmal schief gegangen wäre, hätten seine Kollegen ihn noch kurz nach der Ankunft in Evian gnadenlos im Genfer See versenkt. Was hat der sich dabei nur gedacht? Oder hatte er in diesem Moment nur Augen für seine Ana, die extra in der ersten Runde in Wimbledon ausgeschieden ist, um ihren Liebsten bei der EM vor Ort anzufeuern. Wie sagt man so schön: Liebe macht blind? Reicht das jetzt endlich fürs Phrasenschweini?

Mit besten Grüßen

Bernd


EM-Kommentar vom 04.07.2016

Bonjour EM,

Geschichte wird gemacht - und am Samstagabend schrieb die deutsche Mannschaft Geschichte. Nun ja, ein wenig zumindest, denn einige werden einwenden, dass der erste Sieg über Italien bei einem WM- oder EM-Turnier ja nicht im Spiel, sondern erst ziemlich mühsam im Elfmeterschießen erreicht wurde. Dem Bundes-Jogi wird es wurscht sein, genau wie Schollis Kritik an der Aufstellung. Mal ganz unter uns: Was sollte das? Wenn es nach Scholli geht, muss die deutsche Mannschaft wohl immer mit dem gleichen taktischen Konzept auftreten, schließlich ist man Weltmeister und sollte das Geschehen selbst diktieren können. O.k., das hört sich erst mal schlüssig an. Nach Scholli sollte Jogi also seine Aufstellung nicht nach den Stärken des Gegners richten. Aber richtet der kluge Trainer nicht seine Taktik auch an den Schwächen des Gegners aus? Sind Stärken und Schwächen nicht zwei Seiten der gleichen Medaille bzw. Mannschaft? Denk noch mal drüber nach, Scholli!

Taktik hin oder her, das Spiel war kein reines Vergnügen, aus mehreren Gründen. Vor allem in der ersten Halbzeit neutralisierten sich beide Teams auf hohem technischem Niveau und im deutschen Mittelfeld fehlten die kroosartigen Ideen, denn der Taktgeber wurde von den Italienern geschickt aus dem Spiel genommen. Mehr Schwung kam in der zweiten Hälfte, Gomez beschäftigte weiterhin zwei Mann in der italienischen Defensive aber die Flügel wurden jetzt besser genutzt und so fiel dann auch das 1:0. Mario Gomez als Linksaußen, auf diese Idee muss man erst mal kommen. Leider fiel dann bald der Ausgleich: Vorher ein sehr schöner Block, leider bei der falschen Sportart. Aber bis zum nächsten Spiel erklärt Jogi dem Boateng sicher, dass er zum Volleyball lieber an den Strand geht. Danach dann wieder Taktieren, einige Möglichkeiten auf beiden Seiten, aber wenig Torchancen (Unterscheidung nach L. van Gaal!). Verlängerung, die Spannung stieg, schließlich die Elfmeter-Lotterie. Ein äußerst knapper Sieg für das über 124 Minuten etwas aktivere deutsche Team und Freude allenthalben bei den Jungs auf dem Rasen. Freude auch vor den deutschen Fernsehgeräten? Leider nicht, und Schuld war die ARD. Wenn er schon so ein Top-Spiel wie Deutschland-Italien im Angebot hat, warum verdirbt der Sender einem das ganze Spiel, indem er ausgerechnet den schlimmsten aller Nervbolzen, nämlich Steffen Simon als Kommentator ansetzt? Der ist nicht nur der König aller Karteikartenableser am Mikrofon, nein, er macht auch noch Fernsehen für Blinde. Oder warum erzählt er einem dauernd alle möglichen Sachen, die jeder Zuschauer selber sieht? Gomez wälzt sich am Boden, die Kamera ist voll drauf. Simon: "Ja, da liegt Gomez". Hoher Ball in den deutschen Strafraum, Eder läuft hinterher, zwei Verteidiger bei ihm. Simon: "Eder. Aber zwei Mann bei ihm". Hallo? Will der uns für blöd verkaufen? Warum geht er nicht zum Radio? Wer lässt den immer wieder ans Mikro? Was kann ich tun, um das in Zukunft zu verhindern? Wo bleibt die Intiative #niewiedersteffensimon? Oder wenigstens #prostadionton. Fragen über Fragen - wer weiß die Antworten?

Leider ergeht es einem beim ZDF nicht viel besser, wie Bela Rethy gestern abend bewies. Zum Glück ging es nur über 93 Minuten und (so viel Unterscheidung muss sein!) weniger Radioreportage war auch dabei. Dafür nervt einen der Reporter mit tausenderlei überflüssigem Wissen, anstatt mal einfach das Spiel laufen zu lassen. Wir sind dankbar für taktische Erkenntnisse, die vielleicht nur der Reporter mit vollem Spielfeldblick gewinnen kann. Aber wir wollen Fußball gucken und uns mitnichten auf Günther Jauchs Fragespiel vorbereiten. Ach, es ist grausam. Warum probiert es ein Sender nicht mal mit 2 Experten, die über das Spiel reden und dabei nicht unbedingt in jeder Szene einer Meinung sein müssen. Scholli würde sich als einer der Partner ganz sicher eignen, andere wie Oli Kahn reden zu gestelzt. Da müssen sich doch auch andere rhetorisch habwegs begabte Ex-Fußballer finden lassen. Bei RTL versuchen sie ja manchmal schon die Zwei-Personen-Kommentierung, und mit Jens Lehmann klappt das ganz ordentlich. Nur Mut, Ihr Öffentlich-Rechtlichen, schlimmer als jetzt kann es nicht mehr werden.

Doch zurück zum Wesentlichen: Die Franzosen liefen gestern abend nicht in die Falle der Isländer, die England noch zum Verhängnis wurde. Zweikämpfe vermeiden, die eigene technische Überlegenheit nutzen, also schnell über die Flügel oder steil und präzise ins Zentrum spielen, damit waren die Insulaner überfordert. Zur Pause stand der Gegner der deutschen Mannschaft schon fest und der zweite Durchgang diente dem Schaulaufen von Ersatzspielern und dem Halten des Ergebnisses. Zwei Tore noch für Island - geschenkt! Da war ja alles schon gelaufen, niemand im Team der Gastgeber wollte sich verletzen oder eine Gelbe Karte riskieren. Rechtzeitig zum Duell mit dem Weltmeister hat Frankreich eine Fußballshow abgeliefert; Jogi Löw wird es interessiert beobachtet haben. Und die Engländer dürfen sich doppelt und dreifach über ihr frühes Ausscheiden ärgern. Mit einer besseren Einstellung des eigenen Spiels auf den Gegner (siehe oben!) hätten sie ebenso locker gewinnen können. Die Isländer fahren nun erhobenen Hauptes zurück in die Heimat. Gudmundsson, Sigthorsson, Bjarnasson, Heungminson und wie sie alle hießen - sie haben gemeinsam mit den isländischen Fans diese Europameisterschaft bereichert. Wir bitte um Wiedervorlage in zwei Jahren bei der WM in Russland.

Am Donnerstag und Freitag wurden bereit die ersten Halbfinalisten ermittelt. Polen gegen Portugal, da hatten wir wirklich mit mehr gerechnet als mit einem zähen Gewürge. Können die Sportgiesen es nicht besser oder wollen sie nicht? Und hatten die Polen Angst vor der eigenen Courage, mit der sie das deutsche Team doch zumindest szenenweise in Bedrängnis bringen konnten? Im Nachhinein dürften sich unsere rotweißen Nachbarn ärgern, dass sie sich auf das Lotteriespielvom Elfmeterpunkt eingelassen haben. Etwas mehr Mut in der Offensive, dann wäre jetzt gegen Wales die Chance auf den Finaleinzug da. Aber so müssen Lewandowski, Milik und die Unaussprechlichen im Fernsehen zugucken, wie womöglich Ronaldo seine Elf ins Finale führt. Dort warten die Waliser mit einem (sofern ich das bisher mitbekommen habe) völlig unprätentiösen und gar nicht dem Abziehbild des Real-Superstars entsprechenden Gareth Bale. Form schlägt Klasse, das mussten die armen Belgier erfahren, denen eine unverständliche Reihe von Abwehrfehlern zum Verhängnis wurde. Zu viele Ausfälle in der Defensive, die konnte dieses kleine, aus dem tiefen Grau der Fußball-Mittelmäßigkeit auferstandene Land leider nicht kompensieren. Armer Nicolas, niemals nach 1980 war die Chance auf den Finaleinzug bei einer EM für Belgien größer. Auch hier gilt: Auf ein Neues bei der WM in Russland!

Im Tippspiel hat sich ein Spitzentrio herausgebildet, das jetzt punktgleich die Tabelle anführt. Der Tippschein für die letzten 3 Spiele will nun mit Bedacht ausgefüllt sein, aber vermutlich fällt die Entscheidung eh über die Vergabe der Zusatzpunkte. Hier will ich nichts verraten, sonst fangen Tanja, Mette und Jochen noch an zu pokern... Mein eigener Punktestand ist mittelmäßig und ein Trauerspiel. Noch sind meine Kinder in Sichtweite über mir, aber ob da wohl noch was aufzuholen ist? Mein Trost: Mir geht es da wie vielen anderen... - nicht wahr, Bernd, Borko, Jörn, Rüdiger...?

Um die Rote Laterne ist nun doch noch ein zäher Kampf entbrannt. Alle drei Beteiligten arbeiten am GEOMAR auf dem Ostufer - sagt uns das etwas über die Fußballkompetenz hier im Hause? Ich sage dazu lieber nichts, sondern trotz meines Punktestandes: Je t'EM!

Robert



Interlog vom Kanal zur EM 2016

Arbeit gegen den Ball

Liebe Freundinnen und Freunde der schwarz-rot-goldenen Autofähnchen und Außenspiegelpräservative,

ich melde mich diesmal vom Kanal ausnahmsweise noch einmal während des laufenden Turniers. Daher habe mir überlegt, wie ich diesen vorher gar nicht geplanten Beitrag eigentlich nennen soll. Ich bin auf den selbst erfundenen Namen Interlog gekommen. Das wäre nach meiner wirklich nicht maßgeblichen Definition ein Wortbeitrag, der zeitlich-chronologisch zwischen einem Prolog und einem Epilog angesiedelt ist. Warum habe ich diesen Exkurs überhaupt verfasst? Ich versuche es einmal mit der Begründung: Beim mehr oder weniger intensiven TV-Studium diverser EM-Spiele stellte sich mir die Frage, was wohl von dieser Europameisterschaft dauerhaft in Erinnerung bleiben wird. Natürlich kann das nur ein Zwischenfazit sein. Ein paar K.-o.-Spiele liegen ja noch vor uns. Und wenn der deutsche Kapitän Bastian Ivanov (geb. Schweinsteiger) am 10. Juli 2016 den Coupe Henri-Delaunay vermutlich wieder mit Blut überströmtem Gesicht in die Höhe reckt, dann wäre doch alles wieder gut, oder?

Oder doch nicht so ganz? Vielleicht sehe ich das Ganze etwas zu kritisch. Möglicherweise kommen ja noch die Kracher-Spiele im Viertelfinale, Halbfinale und im Endspiel, an die sich später noch Generationen von Fußballfans, ob alt oder jung, erinnern werden. Ich habe zum Beispiel eine sehr spezielle Erinnerung an das WM-Viertelfinalspiel zwischen England und Deutschland (2:3 nach Verlängerung) bei der WM 1970 in Mexiko. Meine Eltern hatten vorher gerade unseren neuen Schwarz-Weiß-Fernseher gekauft. Aber die spannenden WM-Spiele fanden wegen der Zeitverschiebung doch alle erst ganz spät abends oder mitten in der Nacht statt. Für einen damals elfjährigen Schüler war das ein echtes Problem. Als das Spiel dann irgendwann (die genaue Uhrzeit habe ich vergessen) losging, konnte ich es im Bett einfach nicht mehr aushalten. Ich hatte vor Aufregung und Vorfreude schon vorher kein Auge zu gemacht. Also stand ich wild entschlossen auf, verließ mein Zimmer und schlich mich vorsichtig ins Wohnzimmer. Dort kauerte ich mucksmäuschenstill und super getarnt hinter einem Sessel, der fast an der Wand stand. Der perfekte Platz um nicht aufzufallen. Es ging so weit auch alles gut. Bis dann unser Gerd Müller kurz vor Schluss der Verlängerung das entscheidende Siegtor schoss. „Tor, Tor“ entfuhr es mir in diesem Moment plötzlich. Ich konnte nichts dafür, der Jubel musste einfach raus. Das puterrote Gesicht meines ansonsten sehr umgänglichen Vaters sehe ich noch heute vor mir. Damals war die Prügelstrafe noch nicht verboten, zumindest nicht im häuslichen Umfeld. Ich hatte sehr viel Glück in diesem Moment, raste sofort in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir ab. Am nächsten Tag gab es dann das volle Programm: Mehrfache Entschuldigung, absolutes Fernsehverbot (gefühlt über Jahre) und verschärfter Stubenarrest. Aber unsere Jungs standen immerhin im Halbfinale. An das Jahrhundertspiel Italien gegen Deutschland (4:3 nach Verlängerung) erinnere ich mich noch insofern, dass ich in dieser Nacht tatsächlich alle erzielten Tore sehr zeitnah mitbekam. Denn es war ein sehr heißer Sommertag im Juni 1970. Auch abends kühlte es kaum ab. Daher hatte jeder bei uns in der Straße die Fenster weit geöffnet, um wenigstens etwas Luft in die stickigen Räume hinein zu lassen. Und dann hörte ich von draußen immer dieses infernalische Gebrüll. Die Sehbeteiligung muss bei 120 Prozent gelegen haben. Jeder wollte dieses Spiel sehen. Bei jedem der sieben erzielten Tore hatte ich eine sehr direkte Wahrnehmung. Sehr lautes Gebrüll und Tor-Tor-Rufe: Treffer für uns, wehklagendes Gebrüll und Nein-Nein-Rufe: Treffer für die anderen. So kam ich bei meiner Zählweise auf 4:3 für Italien, was sich dann letztlich auch bestätigte.

Um solche Spiele geht es letztlich. Aber die passieren nun einmal nur exakt alle hundert Jahre (deshalb auch der passende Name Jahrhundertspiel). Wir müssen darauf also noch genau 54 Jahre warten. Dann ist es wieder so weit. Nächstes Jahrhundertspiel am 17. Juni 2070. Bitte schon einmal den Termin blockieren und sich für den Abend nichts vornehmen. Vielleicht schlagen wir dann endlich mal die Italiener, am besten ebenfalls mit 4:3 – Revanche geglückt!

Kommen wir aber zum Ernst der Fußballlage zurück. Ich wollte als nebenberuflicher Fußballfan bei dieser EM einfach nur schöne und spannende Spiele sehen, in denen möglichst viele Tore fallen. Ich bin schließlich kein Albaner, Nordire, Ire, Ungar, Waliser oder Isländer. Bitte nicht falsch verstehen: Jeder spielt so wie er kann und muss, um im Rahmen seiner Möglichkeiten maximal erfolgreich zu sein. Aber dass die vermeintlich „Großen“ jetzt auch so spielen, hat mich doch etwas überrascht (natürlich – Deutschland macht das nicht und spielt immer super-attraktiv, jedenfalls soweit der Gegner das zulässt). Es tauchte in diesem Zusammenhang in den letzten Wochen immer wieder eine ganz spezielle Formulierung auf. Und mein spezieller Freund Oli Kahn (der ist wirklich seit Ende der neunziger Jahre mein Freund) hat diese dann gebetsmühlenhaft wie ein Buddhist vor sich hingemurmelt. Ein Satz oder eine Redewendung, wie in Stein gemeißelt: Arbeit gegen den Ball! Ich hatte diese karma-artige Bemerkung des Ex-Titanen in meiner vollständigen Naivität und fußballerischen Inkompetenz zunächst gar nicht wahrgenommen, bei seinem Premierenzitat kurz nach der gefühlt sechshundertsten Ausstrahlung einer dieser zweckfreien UEFA-Gutmensch-Werbebotschaften (ja – genau die mit dem Ex-Schiri-Glatzkopf Collina auf seinem Mietfahrrad vor irgendeinem Sportplatz in der Nähe des Eiffel-Turms) sogar vollständig überhört. Wie konnte ich nur! Dieser einfache Spruch beinhaltet den kompletten Schlüssel zum Erfolg bei dieser EM. Oder den Tresor, wo die ganzen Schlüssel drin liegen. Oder den Bunker, in dem die ganzen Tresore mit den vielen Schlüsseln gut gesichert (ja – Sicherheit geht vor) lagern. Entschuldigt bitte meine blumige Bildersprache – es hat mich einfach übermannt. Arbeit gegen den Ball! Ein Manifest ist das.

Früher hatte man noch mit oder am Ball gearbeitet. Das ist jetzt aber alles Geschichte. Damals gab es bei jedem kleinen Dorfverein noch einen Ballwart. Das war die gute Seele des Vereins und die mit Abstand wichtigste Person für alle Vereinskicker. Bei unserem Heikendorfer Sportverein (von manchen Bewohnern des Kieler Ostufers gerne auch liebevoll „kleiner HSV“ genannt) hieß der Ballwart Max Schmidt. Max war eine Institution und er lebte ganz alleine in seiner kleinen Holzbaracke mit Kanonenofen direkt neben dem damals einzigen Sportplatz des Klubs. Er trug immer diese dunkelblaue Latzhose über seinem dicken Bauch. Auch am Wochenende, wenn die meisten Fußballspiele stattfanden. Und er hatte immer diese Schiebermütze auf seinem riesigen Schädel und einen dicken kalten Zigarrenstumpen im rechten Mundwinkel stecken. Letzterer war mit ihm scheinbar fest verbunden. Ich habe ihn aber selbst niemals rauchen sehen. Vielleicht waren seine Stumpen einfach zu kostbar, um sie aufzurauchen. Max Schmidt hat bei uns den oftmals einzig verfügbaren, also im Regelfall heilen Ball gepflegt, sorgsam eingefettet, stramm aufgepumpt, nach dem Einsatz liebevoll abgewaschen und nachts wahrscheinlich sogar mit ins Bett genommen. Das war damals noch echte Arbeit am Ball – und zwar richtige Handarbeit. Es gab dann natürlich noch die Arbeit mit dem Ball. Mit dem Ball wurde aber eher gespielt. Derjenige, der in der Straße oder auf der Dorfwiese einen eigenen Ball besaß, war der absolute King. Ball abgeben beim Dribbling? Denkste! Ein Balleigentümer gab seinen Ball niemals ab. Aus einem von denen ist dann Zlatan Ibrahimovic geworden. Aber der hatte seinen Ball vermutlich vorher einem Balleigentümer geklaut. Man konnte bei der Arbeit mit dem Ball also bei optimalem Verlauf sogar Fußballkarriere machen.

Aber wie geht die heute so viel und überall gepriesene Arbeit gegen den Ball? Was hat der arme Ball uns getan – was hat er nur verbrochen? Was sollen wir gegen den Ball anstellen? Sollen wir ihm einfach die Luft rauslassen, ihn vollschmieren oder letztlich gar in Stücke schneiden? Es gibt einfach zu viel Destruktives auf der Welt. Und das macht halt auch vor einem Ball nicht halt (schönes Wortspiel, finde ich). Die Macht des Bösen hat auf diese Weise fast unmerklich die internationalen Fußballplätze okkupiert und den schönen Fußball in die Asservatenkammer verbannt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Auch ein Darth Vader, mit Schraubstollenschuhen von Adolf Dassler himself an seinen klobigen Füßen ausgerüstet, würde mit absoluter Sicherheit gegen den Ball arbeiten. Spielerisch limitierte, großrahmige, laufstarke, niemals aufgebende, mehr oder weniger automatisch funktionierende Fußball-Roboter arbeiten neunzig oder notfalls hundertzwanzig Minuten durchgängig gegen den Ball. Zweiundzwanzig Spieler arbeiten gleichzeitig und ohne Unterlass gegen den Ball. Da hat der Ball dann einfach keine Chance und muss schließlich irgendwann kapitulieren. Wenn ich Ball wäre, würde ich das auch tun. Der Ball hätte ein wesentlich besseres Schicksal verdient. Ohne ihn würde das Spiel doch gar nicht stattfinden, die zweiundzwanzig Idioten auf dem Platz wären doch ein Ameisenschiss ohne ihn. „Boah ey, Mann – wo ist Ball? Ich nicht können spielen sonst.“ Bitte in dieses Zitat nicht irgendetwas Fremdenfeindliches hineinsterilisieren. Auch Fußballer ohne jeden Migrationshintergrund pflegen durchaus diese verdichtete Form der Umgangssprache. Wer erinnert sich nicht an die klassische Aufforderung von Lothar „Emma“ Emmerich (Borussia Dortmund) an seinen Mitspieler Siegfried Held: „Siggi, gib mich die Kirsche!“ Und der war immerhin deutscher Nationalspieler in den sechziger Jahren. Aber damals spielte man eben noch mit dem Ball und arbeitete nicht gegen ihn.

Sorry – ich habe mich jetzt verbal doch etwas gehen lassen. Der Stachel sitzt eben tief bei mir und ändert nichts am traurigen Ergebnis. Das schreckliche Resultat konnten wir doch alle mit ansehen. Und das war vermutlich nur die Spitze (der Stachel?) des Eisbergs. Dieses grauenhafte 1:0 von Portugal gegen Kroatien (Achtelfinale! Angebliches K.-o.-Spiel! Ein Jammer!) bei vorher null Chancen in neunzig oder hundertzwanzig Minuten. Furchtbarer und gleichzeitig effektiver geht es nicht mehr. Und der in sich ruhende Freizeit-Buddhist Oli Kahn kommentiert für uns das eigentlich Unaussprechliche hinterher breit grinsend im ZDF und trinkt anschließend drei Weizenbiere (nein – ich hab‘ mich jetzt mit Sender und Person vertan). Ich mache ihm das gar nicht zum Vorwurf (das Kommentieren, nicht das Weizenbier). Denn erstens ist er ja mein Freund. Und zweitens wird er von unseren Fernsehgebühren bezahlt, da muss man inhaltlich eben gewisse öffentlich-unrechtliche Abstriche machen. Aber ich fordere an dieser Stelle ein für alle Mal die Rechte des Balles ein – wir brauchen nicht nur Menschen- sondern auch Ballrechte. Die Würde des Balles ist unantastbar und so weiter und so fort. Aber würden diese dämlichen Spieler das überhaupt verstehen? Die meisten können ja gerade mal in Ansätzen lesen und schreiben. Nur der Kimmich hat 1,7 im Abitur. Die schafft man nicht, wenn man immer nur stupide gegen den Ball arbeitet. Der Kimmich, der ist meine stille Hoffnung, habe ich schon vor der EM gesagt.

Aber jetzt bitte nicht vom Thema abschweifen. Ich bin bei manchen Sprüchen, die scheinbar so locker daherkommen, eher skeptisch. Man weiß oftmals nicht, was wirklich dahinter steckt. Die Nazis beispielsweise hatten über den Eingangstoren ihrer menschenverachtenden und vernichtenden Lager das Wort Arbeit auf völlig perverse Art und Weise zu instrumentalisieren versucht. Damit wurde die eigentliche Sinnhaftigkeit dieses Begriffs außer Kraft gesetzt, verkehrte sich sogar ins absolute Gegenteil. Darunter leiden wir Deutsche auch über siebzig Jahre später irgendwie noch heute (irgendwie sagt übrigens auch immer unser Bundestrainer, manchmal sogar dreimal in einem Satz). Natürlich ist gegen echte und ehrliche Arbeit überhaupt nichts einzuwenden. Sie gibt im positiven Fall dem Leben Struktur, Inhalt und Sinn, sorgt zudem für finanzielle Unabhängigkeit. Natürlich muss auch im Fußball gearbeitet werden. Von nichts kommt schließlich nichts. Aber Arbeit gegen den Ball? Da sträuben sich bei mir etwas die Nackenhaare. Irgendein sicherlich überdurchschnittlich begabter Fußballer hat mal gesagt: „Da kommt mir die Gänsehaut hoch“. Aber man muss sich ja nicht alles im Fernsehen anschauen, wenn bei dieser EM weiterhin so fleißig und dauerhaft gegen den Ball gearbeitet wird. Es gibt schließlich auch andere schöne und spannende Sportarten, bei denen sogar mit dem Ball gearbeitet, teilweise gar gespielt wird. Und vielleicht gibt es sogar ein Leben nach dem Fußball. Das soll es nun aber wirklich gewesen sein. Ich habe fertig!

Mit besten Grüßen vom Kanal

Bernd Christoph



Statistik mit der Tistić (Teil 7)


Madame Rasta erklärt das Viertelfinale der EM 2016


Zdravo (hallo) liebe Freunde der gepflegten Blutgrätsche,

die EURO geht in ihre wirklich entscheidende Phase. Im Achtelfinale trafen auf dem „fetten EM-Ast“ gleich fünf aktuelle und ehemalige Welt- und Europameister (Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich und England) mit insgesamt 18 gewonnenen Titeln gegeneinander. Auf der anderen Seite tummelten sich überwiegend Außenseiter (Wales, Nordirland, Ungarn), Ambitionierte (Schweiz, Polen) und Geheimfavoriten (Kroatien, Portugal, Belgien). Von denen standen aber immerhin fünf Teams (Ungarn, Polen, Kroatien, Portugal und Belgien) auch schon mindestens einmal in einem Halbfinale bzw. unter den besten vier Mannschaften bei Fußball-Großturnieren (bei der WM 1974 und 1978 gab es ja jeweils bekanntlich kein echtes Halbfinale). Drei dieser Mannschaften standen sogar schon im Finale bei einer WM (Ungarn 1938 und 1954) oder EM (Belgien 1980, Portugal 2004). Als „Fallobst“ (eine derartige Verunglimpfung habe ich tatsächlich in einem stark gelesenen oder zumindest gekauften deutschen Druckerzeugnis – zum Prädikat  einer „Zeitung“ möchte ich eine derartige Anordnung von Papierseiten nicht auch noch veredeln) würde ich diese Mannschaften also nicht direkt bezeichnen. Die vorgenannten Erfolge sind aber bei den meisten Teams natürlich schon einige Zeit her. Mal sehen, wer sich letztlich durchsetzen wird, denn die EM-Luft wird in den K.-o.-Spielen nach oben hin bekanntlich immer dünner.

Zwischenzeitlich hatte ich eigentlich das Gefühl, dass sich meine Prognose der von mir erwarteten Viertelfinalisten auf der Grundlage meines wissenschaftlich-statistisch ermittelten EM-Rankings im Praxistest einigermaßen solide bewähren könnte. Der Teufel steckt jedoch mitunter im Konjunktiv. Und wie allgemein bekannt sein dürfte, sind Wissenschaftler grundsätzlich niemals verantwortlich, wenn es ganz anders kommen sollte. Das gilt übrigens auch für Juristen und Unternehmensberater. Anscheinend hatten sich die Rahmenbedingungen geändert. Die Saurier sind auch ausgestorben, als der Meteorit im Golf von Mexiko landete. Jetzt hat es eben die Engländer getroffen – so what. Und das Aussterben der Saurier war die Chance für die Entwicklung der Säugetiere. Diese Chance haben jetzt eben die Isländer ergriffen. Ich merke, dass ich etwas abschweife. Aber das ändert trotzdem nichts an meiner miserablen Prognose. Ich brauche jetzt unbedingt einen Schuldigen oder zumindest eine schlüssige Erklärung oder am besten beides. Alles fing mit der eigentlich bekannten Elfmeterschwäche der Schweizer an. Das hätte man wissenschaftlich berechnen können. Elfmeterschießen kann man eben doch nicht üben. Das muss etwas mit den Genen zu tun haben. Es folgte das kroatische Drama. Der gefühlt bis dahin einzige Torschuss des ganzen Spiels war Ausgangspunkt für das einzige Tor des Abends. Wer möchte mir diese Wahrscheinlichkeit darlegen?  Freiwillige vor. Die Eintrittswahrscheinlichkeit, dass die Griechen ihre Finanz- und Staatskrise in den Griff bekommen, dürfte um ein Vielfaches höher sein oder dass Marsmenschen nächstes Jahr die Erde besiedeln. Dann folgte die unerklärliche spielerische Traurigkeit der Spanier. Warum liefen die alle mit melancholischem Blick herum. Keine Körpersprache, keine Körperspannung. Da muss etwas passiert sein, was man statistisch nicht berechnen kann. Vielleicht hatte deren Koch während der Woche gekündigt oder die hatten sich alle wegen Katalonien (Stinkefinger während der spanischen Hymne)  in der Wolle. Den krönenden Abschluss (schönes Wortspiel wg. 90 Jahre Queen) bildete der fußballerische Suizid der Engländer. Ergebnis: Mit fünf von acht Richtigen kann man letztlich keinen großen statistischen Blumentopf gewinnen. So selbstkritisch sollte man als ambitionierte Wissenschaftlerin schon sein. Manche der so genannten „Kleinen“ haben sich als echte Riesen herausgestellt. Nordirland, Ungarn und Irland dürfen die EURO-Bühne hoch erhobenen Hauptes verlassen. Ihre tollen Fans dürfen meinetwegen noch länger bleiben. Frankreichs Tourismuswirtschaft würde sich freuen. Jetzt warten insgesamt drei ehemalige Titelträger (Deutschland, Italien, Frankreich) auf vier Geheimfavoriten (Portugal, Belgien, Polen, Wales) und einen wahnsinnigen Außenseiter (Island). Das verspricht noch viel Spannung im Kampf um die knapp bemessenen Plätze im Halbfinale.
Die kickenden Kollegen von jenseits des Atlantiks sind bekanntlich schon wesentlich weiter und haben bei der etwas zeitversetzt laufenden Copa América Centenario 2016 den diesjährigen Kontinentalmeister bereits am Sonntagabend (27. Juni) in East Rutherford (USA, NJ) vor über 80.000 Zuschauern ermittelt. In den beiden vorangegangenen Halbfinalspielen hatten sich die Favoriten Argentinien (4:0 gegen die USA) und Chile (2:0 gegen Kolumbien) jeweils klar durchgesetzt. Besonders die Umstände des zweiten Vorschlussrundenspiels waren besondere. Sintflutartiger Starkregen in Chicago verlängerte die Halbzeitpause auf über zweieinhalb Stunden. Es kamen Erinnerungen an Frankfurt 1974 (Deutschland vs. Polen) auf. In der Revanche des gleichlautenden Endspiels vom Vorjahr standen sich also die vorher schon als Titelfavoriten gehandelten Teams aus Argentinien und Chile gegenüber. Argentinien schaffte es auch diesmal wieder nicht, nach langer Pause erstmals nach 1993 wieder einmal den Titel in diesem nach dem olympischen Fußballturnier traditionsreichsten Wettbewerb an den Rio de la Plata zu holen. Man scheiterte in einem packenden, temporeichen, hart umkämpften (zwei Platzverweise), aber leider torlosen Endspiel wie im Vorjahr erst im Elfmeterschießen mit 2:4 an „Roja“, vor allem aber an den eigenen Nerven. Einer der Fehlschützen fing mit einem „M“ auf dem Rückentrikot an und hat seine Nationalmannschaftskarriere für die „Albiceleste“ unmittelbar nach dieser bitteren Niederlage für beendet erklärt. Er wird somit vermutlich als der Unvollendete in die Historie des zweifachen Weltmeisters eingehen. Maradona kann sich also weiterhin alleine auf dem argentinischen Denkmalsockel in Buenos Aires sonnen. Bei seiner Breite wäre auch viel zu wenig Platz für einen zweiten Helden dagewesen.

Aber wie sieht überhaupt die Zukunft solcher Kontinentalmeisterschaften aus? Sind diese noch zeitgemäß? Braucht man eigentlich noch Ländermannschaften? Eine schwierige Frage. Die doppelt gebeutelten Engländer (keine gute Woche für sie) würden sie bei einem zweiten Referendum sicherlich klar mit „No“ beantworten. Die gefühlt 25.000 isländischen Einwohner sehen das vermutlich etwas anders. Aber vielleicht rückt ja ein neu zu installierender Wettbewerb zwischen den europäischen Ligen irgendwann in den Fokus. Es gibt ja den jahrelangen Expertenstreit, welche Liga in Europa nun jeweils die stärkste ist: Premier League (England), Primera División (Spanien), Serie A (Italien) oder Bundesliga (Deutschland)? Bei der Klärung dieser Frage könnte doch ein neuer Wettbewerb anstelle der bisherigen EM entscheidend helfen. Die besten Spieler der jeweiligen Liga treten in einer internationalen Liga-Auswahl gegeneinander an. Was wäre das für ein Spektakel! Neuer, Boateng, Müller und Reus zusammen mit Alaba, Vidal, Mchitarjan und Aubameyang in einer deutschen Supermannschaft. Aktuell wäre das vermutlich eine erweiterte Bayern-BVB-Auswahl. Aber was für eine! In Spanien würden die besten Spieler von Barca, Real und Atlético mit allen südamerikanischen Stars eine Fantástico Equipo bilden. In England würde vermutlich Teamcaptain Robert Huth vom aktuellen Meister Leicester City seine Mannen aus aller Herren Länder im Dream Team aufs europäische Schlachtfeld führen. Und in Italien kämpfen Gigi Buffon zusammen mit Pogba, Khedira, Dzeko und Higuain in einer Squadra Speciale gemeinsam um den Sieg. Die Organisation einer derartigen EURO-Liga-Challenge (die Namensrechte habe ich mir wohlweislich schon gesichert – bin ja ein schlaues serbisches Mädel) wäre doch mal eine reizvolle Aufgabe für den neuen UEFA-Chef oder für sonst wen. Die Kohle hierfür kann man sich problemlos an der Börse, bei irgendeinem Ölscheich, Russland-Oligarchen oder am besten gleich bei Rupert Murdoch (Sky) einsammeln. Ansonsten könnte man im Vorfeld mal beim Ruheständler Stefan Raab aus Good Old Germany nachfragen, wie man ein solches Show-Event störungsfrei und spaßgarantiert über oder auf die Bühne bzw. in die Stadien kriegt. Außerdem bräuchte man für so ein Vierer-Turnier nur maximal eine Woche Zeit – so wie früher einmal bei der alten EM von 1960 bis 1976. Dann hätte sich der Kreis endlich wieder geschlossen. Darüber hinaus könnte man dieses Turnier sogar jährlich durchführen und hätte auf diese Weise die Chance, irgendwann einmal die Copa América, zumindest was die Anzahl der bisher verliehenen Pokale angeht,  sogar irgendwann einmal zu überholen. Noch führen die Südamerikaner gegen die Europäer allerdings knapp mit 45 zu 15. Das könnte also durchaus noch ein paar Jährchen dauern. Ich werde das vermutlich nicht mehr selbst erleben. Aber man weiß ja nie – serbische Mädels sind zäh und gelten als überaus langlebig!
Das ist natürlich alles balkanesische Spinnerei oder bestenfalls Schnee von übermorgen. Noch gibt es ja diese wunderbare EURO oder EM oder wie man das Ganze nun nennen will. Und die tippe ich trotz aktuellem Prognosefrust nachfolgend einfach mal weiter statistisch korrekt wie gleichfalls wissenschaftlich gnadenlos fürs anstehende Viertelfinale durch.

Viertelfinale 1
Polen (26) – Portugal (11) am  30. Juni
Polen steht nach dem 5:4 im Elfmeterschießen (1:1 nach Verlängerung) erstmals im Viertelfinale einer EM. Eine statistische Prognose fürs Viertelfinale (null von null Fällen) verbietet sich daher mangels vorhandener Daten. Immerhin hat das bisher gefühlt ineffektivste Sturmduo der gesamten EURO (Lewandowski & Milik) zumindest im Elfmeterschießen Nervenstärke bewiesen. Da auch die restlichen Polen sicher vom Punkt agierten, reichte den Schweizern ein einziger kapitaler Fehlschuss einer ihrer Exil-Albaner (Xhaka) zum erneuten Ausscheiden in einem K.-o.-Spiel. Bitter – vor allem im Hinblick auf das an sich sehenswerte und mutige Spiel ab etwa der siebzigsten Minute. Während dieser Zeit schoss ein anderer Exil-Albaner (Shaqiri) immerhin das bisher schönste Tor der gesamten EM mit seinem Fallrückseitfallkorkenzieher von der rechten Strafraumgrenze. Auch in der anschließenden Verlängerung waren die Eingeschworenen zweifelsfrei das bessere Team. Aber so ungerecht kann nun mal Fußball sein. Und ich hatte statistisch fest damit gerechnet, dass die Schweizer endlich mal ihre finale Elfmeterallergie ablegen würden. Wohl doch nicht genug im Training geübt. Jetzt geht es für die Polen gegen Portugal um den Einzug ins Halbfinale. In immerhin vier von sieben Fällen (zu 57%) wurde dieses begehrte Zwischenziel anschließend von den Portugiesen auch tatsächlich erreicht. Die gute Quote inklusive der klare Abstand (15 Plätze) in meinem Ranking manövrieren sie eindeutig in die Favoritenposition. Mehr möchte ich zur offensichtlich vom portugiesischen Trainer neu kreierten Defensiv-Gruseltaktik beim 1:0 nach Verlängerung im Achtelfinale gegen meine kroatischen Brüder gar nicht sagen. Natürlich waren Modrić, Rakitić und Mandžukić an diesem Abend nicht wirklich gut oder platt oder beides. Die Reihenfolge der finalen Katastrophe lässt sich wie folgt in Kurzform beschreiben: Erst kroatischer  Pfostenkopfball drei Minuten vor Schluss der Verlängerung; dann dumme Aktion an der Außenlinie mit unnötigem Ballverlust; Konter der Portugiesen über die Mitte; Flanke nach rechts außen; Ronaldo-Schuss von rechts; geil gehalten vom kroatischen Torwart; dann dieser Scheiß-Abstauber-Kopfball vom völlig blank stehenden Portugiesen hinein ins torhüterverwahrloste Tor; Mittelanstoß der Kroaten; Ball in den portugiesischen Strafraum; volley erwischt vom blonden kroatischen Verteidiger mit Zopf; Ball segelt gefühlt zwei Zentimeter am rechten Lattenkreuz vorbei; Ende im Gelände. Diese Szenen haben mich noch die ganze Nacht über verfolgt. Es tut mir so unendlich leid für meinen speziellen Freund Darijo Srna. Ich hätte ihm den EM-Titel so sehr gegönnt. Aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Jetzt muss ich eben den Polen die Daumen drücken, wird aber wohl trotzdem nichts nützen. Jetzt wissen die Portugiesen ja, wie man solche Spiele auch dreckig gewinnen kann. Und das ist eine Drohung. Gegen diese Destruktivo-Taktik war der frühere Catenaccio von Inter Mailands Trainer-Legende Helenio Herrera aus den sechziger Jahren ja geradezu ein fußballerischer Augenschmaus. Mein Tipp: 0:1

Viertelfinale 2
Wales (23) – Belgien (12) am 1. Juli
Die beiden Mannschaften aus Wales gegen Nordirland (1:0) zelebrierten im Achtelfinale einen Tag nach dem echten zur Sicherheit auch noch einmal den fußballerischen Brexit. Nicht nur das. Sie leisteten sich, so habe ich es mir später sagen lassen, sogar einen vollständigen fußballtechnischen, fußballtaktischen und fußballinspirativen Offenbarungseid. So musste als einziger Treffer zwangsläufig ein Eigentor über den Sieger entscheiden. Leider ist nun – tolle Stimmung der Roten und Grün-Weißen auf den bunten Rängen hin oder her – eine von dieser Ballsportverhinderungstruppe sogar noch bis ins Viertelfinale hinein gestolpert. Ging ja auch nicht anders. Oder hätte man gleich beide Mannschaften hinterher wegen Inkompetenz vom Rest des Turniers ausschließen sollen? Und wir werden nun nicht mehr erfahren, was dieser ominöse William Donald „Will“ Grigg von Wigan Athletic aus der englischen Football League One (zweite Liga) auf dem Spielfeld zu leisten im Stande gewesen wäre. Wales stand bei einer EM übrigens noch nie in einem Halbfinale. Das sollte bei den mehr als limitierten Fähigkeiten wohl auch besser so bleiben. Ich habe an diesem schönen Sommerabend übrigens mein EM-Wohnzimmer in Belgrad verlassen, um meinen alten Freund und Kupferstecher Boris Zivković an der serbischen Adriaküste zu besuchen. Sein gleichnamiger neuer Kräuterschnaps-Jahrgang ist ihm mal wieder prächtig gelungen. War das eine geile Nacht! Keine Angst – wir haben nur getrunken. Wales hat zum zweiten Mal die Runde der besten acht Mannschaften bzw. das Viertelfinale erreicht, kam dann aber bisher in null von einem Fall (zu 0%) hinterher auch ins Halbfinale. Aus verschiedenen Gründen konnte ich das Achtelfinale Belgien gegen Ungarn leider ebenfalls nicht sehen. Der Favorit hat sich anscheinend klar (4:0) durchgesetzt. Belgien hat damit zum fünften Mal die Runde der besten acht Mannschaften bzw. das Viertelfinale erreicht. In zwei von bisher vier Fällen (zu 50%) kamen sie hinterher auch ins Halbfinale. Das sollte letztlich gegen Gareth Bale & Co. reichen. Form und elf Plätze Abstand in meinem EM-Ranking sprechen eine deutliche Sprache bzw. machen mir die Prognose leicht. Der zunächst von den Italienern verhinderte Geheimfavorit steigert sich langsam in den Turniermodus hinein. So können sie noch weit kommen. Mein Tipp: 1:2

Viertelfinale 3
Deutschland (1) – Italien (5) am 2. Juli
Aus verschiedenen Gründen konnte ich das Achtelfinale Deutschland gegen die Slowakei leider ebenfalls nicht sehen. Der Favorit hat sich anscheinend klar (3:0) durchgesetzt. Für allzu großes Jubelgeschrei so mancher Hardcore-Schland-Fans ist es aber noch viel zu früh. Hallo Realismus! Das war erst das Achtelfinale des Ersten gegen den Fünfunddreißigsten meines EM-Rankings. Weltmeister Deutschland hat damit zum zehnten Mal die Runde der besten acht Mannschaften bzw. das Viertelfinale bei einer EM erreicht. In acht von bisher neun Fällen (zu 89%) kamen sie hinterher auch ins Halbfinale. Anders formuliert: Deutschland erreichte bisher fast immer das Halbfinale, wenn es vorher in der Runde der „Besten 8“ stand. Das ist ein absoluter EM-Spitzenwert. Der vermeintliche Angstgegner Italien hat sich tatsächlich 2:0 gegen den Titelverteidiger Spanien durchgesetzt und die Iberer aufs Altenteil geschoben. Ironie des Schicksals: Eigentlich sind diese noch viel älter, wirkten aber irgendwie gar nicht so klapprig (Doping?). Torschütze und Abwehrchef Giorgio Chiellini erinnert mich übrigens irgendwie an Bojan Markovic. Der war früher Landwirt und gleichzeitig Schlachter in meinem kleinen Heimatdorf an der serbischen Adriaküste. Bojan war ein schlanker großer Mann mit sehnigen langen Armen und Beinen. Sein schütteres Haar mit den gewaltigen Geheimratsecken trug er immer sehr kurz. Bojan hat fast jeden Tag ganz viele Schweine und Schafe geschlachtet und trug dabei immer dieselbe mit literweise Blut verschmierte Plastikschürze vor seinem Bauch. Die hat er auch in seiner Freizeit niemals ausgezogen. Dabei lächelte dieser fröhliche Naturbursche immer so wahnsinnig freundlich und drückte mir mit seinen blutigen Pranken manchmal diese leckeren Sahnebonbons in die Hand. Ich liebte ihn damals, obwohl er mir gleichzeitig Angst einflößte. Ich habe oft von ihm geträumt und bin dann immer schweißgebadet aufgewacht. Warum der mich an Chiellini erinnert? Keine Ahnung – ich habe da nur so eine komische Ahnung fürs nächste Spiel. Eigentlich sehen alle Abwehrspieler der Italiener so ähnlich wie Chiellini aus bzw. spielen genauso. Die haben nun zum achten Mal die Runde der besten acht Mannschaften bzw. das Viertelfinale geschafft. Immerhin kamen sie hinterher in fünf von sieben Fällen (zu 71%) auch ins Halbfinale. Die Spanier hätten, was das angeht, eine sehr viel schlechtere Quote (nur 36%) gehabt. Aber wer so einfallslos und ineffektiv Fußball verwaltet, der hat ein Weiterkommen auch nicht verdient. Außerdem waren sie ja auch nur Gruppendritter. Nun haben die Deutschen ein echt dickes Brett vor der Nase. Die Gruselstatistik gegen Italien liest sich wie folgt: Acht Mal trafen beide Mannschaften bei großen Turnieren (WM, EM) aufeinander. Das erste Mal war es 1962 bei der WM in Chile (0:0). Viermal endeten die Spiele unentschieden, zumeist während irgendeiner Gruppenphase. Dreimal unterlag man in Halbfinals (WM 1970, WM 2006, EM 2012) und einmal in einem Finale (WM 1982). Das Punktverhältnis lautet 12:4 und das Torverhältnis 12:6 in diesen Vergleichen auf Spitzenniveau. Für wen – das brauche ich wohl nicht zu erwähnen, oder? Gibt es irgendetwas, das Deutschland Hoffnung geben könnte? Ja – in einem Viertelfinale ist man noch nie gegen Italien ausgeschieden. Und Italien ist immer dann früh ausgeschieden, wenn sie zu Beginn des Turniers gut gespielt haben. Und dann denke ich immer noch an diese Sauerei mit ihrer C-Elf im dritten Gruppenspiel gegen Irland. Vielleicht gibt es ja doch so etwas wie eine fußball-göttliche Gerechtigkeit. Ach ja – mein EM-Ranking (Differenz von immerhin vier Plätzen) spricht auch für Deutschland. Da geht also durchaus noch was. Italien darf nur nicht in Führung gehen. Und bei den Deutschen reicht ja manchmal nicht mal ein 4:0 zum Sieg. Forza Alemania! Mein Tipp: 2:1

Viertelfinale 4
Frankreich (3) – Island (30) am 3. Juli
Aus verschiedenen Gründen konnte ich auch das Achtelfinale Frankreich gegen Irland leider nicht sehen. Der Favorit hat sich anscheinend knapp (2:1) durchgesetzt und musste lange einem Rückstand hinterher laufen. Irland hatte seit 2009 (Quali-Play-Off-Rückspiel in Paris für die WM 2010 mit skandalösem Handspiel von Frankreichs Thierry Henry vor dem entscheidenden und letztlich für die Iren tödlichem 1:1-Endstand) gegen Frankreich zwar noch eine Rechnung offen. Aber es war vorher nicht so ganz klar, ob die Boys in Green sportlich und vor allem auch finanziell in der Lage sein würden, diese Rechnung auch aus eigener Tasche zu bezahlen. Wer sollte sie denn sonst begleichen – die UEFA oder gar die FIFA? Die haben doch genug Dreck an ihren eigenen getürkten Rechnungen stecken und hätten vermutlich dankend abgelehnt. Frankreich hat damit zum zehnten Mal die Runde der besten acht Mannschaften bzw. das Viertelfinale erreicht. In vier von bisher neun Fällen (zu 44%) kamen sie hinterher auch ins Halbfinale. Was soll ich jetzt noch zu England sagen? Nach dem politischen Brexit haben sie folgerichtig nun auch den sportlichen (1:2) konsequent vollzogen. Wer hat sich beim EU-Referendum bzw. bei der EURO eigentlich dümmer angestellt? Die ahnungslose britische Landbevölkerung oder das ideenlose englische Mittelfeld mit allen vermeintlichen Stars der Premier League? Ein Vergleich der Marktwerte beider Mannschaften dokumentiert diese sporthistorische Sensation erster Güte. Englands Mannschaft: rund 1,2 Milliarden Euro. Islands Mannschaft: 3 Drachenboote, 80 Ruder, 50 blonde Frauen, 40 Ziegen und 600 Streitäxte. Die Okkupation der Engländer durch die Wikinger war so überraschend wie vollkommen. Und ging völlig in Ordnung. England hätte sogar noch höher verlieren können. Es war die blutigste Schmach der Briten seit dem Überfall der Nordmänner auf das Kloster Lindisfarne im Jahre 793. Derzeit wird in den britischen Gazetten („The Sun“) kolportiert, dass der noch im Kabinentrakt zurückgetretene Roy Hodgson gemeinsam mit Teamkapitän Wayne Rooney (wird vermutlich auch abtreten) ab der kommenden Woche in genau dieses Kloster an der nordenglischen Küste für einige Zeit eintreten werden, um für sich selbst, den englischen Fußball und für ihre eigenen Pöbel-Fans Buße zu tun. Die EM-Neulinge aus Island (warum heißen deren Einwohner nicht Isen, so wie die Iren nicht Irländer heißen?) dürfen mit ihren fantastischen Fans noch ein wenig ihre magische Tour de France genießen. Gegen den bisher im eigenen Land stets so erfolgreichen Gastgeber der Grande Nation (EM-Sieg 1984, WM-Sieg 1998) mutet die Operation Viertelfinale allerdings wie eine erneute Mission Impossible an. Aber genau das habe ich auch vor dem Achtelfinale auch gesagt. Vielleicht folgt ja noch ein zweites Waterloo für die Franzosen. Der Unterschied im EM-Ranking (27 Plätze) ist aber schon gewaltig. Mein Tipp: 2:1

Das waren die Viertelfinalspiele in meiner Vorschau.

Budite dobro (Macht es gut) und bis demnächst – dann aber wirklich zum allerletzten Mal

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.




EM-Kommentar vom 28.06.2016

Bonjour EM,

Was für ein Finale! Ich meine zwar nur das Ende der Achtelfinaltage, doch das Spiel Italien-Spanien war durchaus eines EM-Finales würdig, mal abgesehen vom Wetter, das exakt dem auf der Hebbelwiese gestern abend glich. Die Aufzeichnung des Spiels habe ich mir dann aber im Trockenen angeschaut, zuhause auf dem Laptop. Die italienische Mannschaft, ein Haufen von alten Säcken und Spätentdeckten, denen vor der EM von vielen schon das Vorrunden-Aus prognostiziert wurde, erwies sich unter der Führung von Antonio Conte als taktisch höchst flexibles Team mit großer Laufbereitschaft und einem perfekten Plan gegen die (noch) amtierenden Europameister aus Spanien. Von denen kam in der ersten Hälfte gar nichts und in der zweiten zu wenig nach vorn, die Mannschaft wirkte überfordert gegen einen Gegner, der scheinbar zwei Mann mehr auf dem Platz hatte. Nach dem Ausscheiden in der Vorrunde bei der WM nun wieder ein frühes Aus für die erfolgsverwöhnten Iberer: Das Ende von Tiki-Taka? Es sieht danach aus - die Spanier werden sich neu erfinden müssen, Altmeister Iniesta wird über einen Rücktritt nachdenken und Nationaltrainer del Bosque (65) wird in den verdienten Ruhestand gehen. Vielleicht haben wir gestern das zumindest vorläufige Ende des Monosystem-Fußballs gesehen: Den Italienern fiel es anscheinend leicht, das spanische Kurzpassspiel zu stören und die üblichen Pässe in die Schnittstellen der Abwehr zu verhindern. Mit schnellen Kontern blieben die Italiener dagegen stets gefährlich und gewannen verdient. Mit ihrer taktischen Flexibilität und großen Routine werden diese Italiener ein ganz schwerer Gegner für das deutsche Team - da steckt mehr drin als nur Defensivstärke und ein immer noch exzellenter Torhüter Buffon. Deutschland-Italien am Samstag, das verspricht Hochspannung und einen Fußball-Leckerbissen.

Vom Abendspiel  erwartete alle Welt dann das Ende der isländischen Traumreise, aber nicht einmal die Isländer hatten mit dieser unfassbaren Dämlichkeit und Arroganz der Engländer gerechnet. Nun gut, ein Volk, das offenbar immer noch im alten kolonialen Wahn lebt, ein wirtschaftlich ungebundenes Britannia sei stärker als ein Großbritannien im europäischen Verbund Gleichgesinnter (oder das sich von Karriere-orientierten Ex-Bürgermeistern zumindest solchen Quatsch ohne weiteres Nachdenken aufschwatzen lässt), so ein Volk hat eben auch eine Mannschaft und ein Trainerteam, das anscheinend glaubte, man könne diese seltsamen Nordmänner vom Platz fegen, ohne sich mal vorher mit deren besonderen Qualitäten beschäftigen zu müssen. Das war englisches Fußball-Denken aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, als England an internationalen Turnieren wie z.B. Weltmeisterschaften nicht teilnahm, weil alle Engländer glaubten, sie hätten ja schließlich den Fußball erfunden und seien von daheraus auf Jahrhunderte unschlagbar. In zwei Spielen gegen Ungarn 1953 (3:6 und 1:7) wurden sie dann übrigens belehrt...

Vor dem Spiel gegen die Isländer hatte sich aber wohl niemand mal deren weite Einwürfe und einfache, aber effektive Kombinationen auf Video angesehen. Auch die nicht endende Laufbereitschaft und körperliche Robustheit waren den Engländern offenbar entgangen. So spulten die Three Lions über 90 Minuten ein Standardprogramm herunter, das an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten war. Schnelle Kombinationen? Fehlanzeige, stattdessen gab es unglaublich viele geradezu klägliche Fehlpässe. Pässe in die Schnittstellen der isländischen Abwehr? Gab es nicht. Ideen, wie man die langen, robusten Kerls auf dem falschen Fuß erwischen könnte? Nö, immer schön reinflanken in den Sechzehner, damit die Islander den Ball rausköpfen oder rausschlagen können. Eine Supertaktik hatte Hodgson seinen Leuten da diktiert, und dass ein dribbelstarker Mann wie Rashford vielleicht Lücken in die isländische Wand reißen könnte, fiel ihm 5 Minuten vor dem Ende ein - na toll! Raus ohne Applaus, die Engländer dürfen weiter träumen, aber wenn dort nicht Entscheidendes passiert, wird eher Schalke Deutscher Meister als dass England einen Titel holt.

All das soll die Leistung der Isländer nicht schmälern. Sie traten selbstbewußt auf, ließen sich durch das frühe Gegentor nicht irritieren und zogen ihr Spielsystem bis zum Ende durch, getragen von unglaublichem Kampfgeist und nie endender Laufbereitschaft. Hier siegte eine isländische Mannschaft gegen eine englische Auswahl, und zwar völlig verdient.

Im Tippspiel ist die Spitze noch enger zusammengerückt, und die zweiten Europameistertipps (je 4 Punkte) der beiden Führenden haben sich mit dem Achtelfinale erledigt. Die Zusatzpunkte können noch ganz wichtig werden, zumindest falls Deutschland oder Frankreich Europameister werden. Eine Vorentscheidung könnte bereits im Halbfinale fallen. Immerhin ein Drittel aller TeilnehmerInnen hatte in den gestrigen Spielen auf Italien gesetzt und 19 trauten sogar den Isländern einen Sieg zu, darunter auch mein Schwiegerneffe Brian (Platz  4), ein waschechter Engländer. Offenbar kennt er seine Landsleute besser als unsereins (Zitat: "They are just a bit shit, still I hoped I would be wrong..."). Nur ein Einziger hat alle 8 Achtelfinalspiele tendenziell richtig getippt: Nick Gabler, dessen letzten Tippschein aber seine (hüstel...) weniger Fußball-affine Mutter ausgefüllt hat. Am Tabellenende hat Karen wieder 6 Punkte zwischen sich und den Vorletzten gelegt, aber auch hier kommen evtl. noch Zusatzpunkte hinzu. Für Spannung ist also gesorgt, nicht nur auf dem Platz. Je t'EM!

Robert



EM-Kommentar vom 27.06.2016

Bonjour EM,

Puuuuh... - das letzte lange EM-Wochenende liegt hinter uns und es war nicht immer das reine Vergnügen. Am Samstag zähe Spiele im TV, dazu noch richtiges Mistwetter draußen - das war nur etwas für Hardcore-Fans. Borko: Jede Minute gesehen? Hut ab! Am Nachmittag begann es ja noch halbwegs unterhaltsam, die Schweizer geriten schnell in Rückstand gegen Polen und mussten dann endlich mal zeigen, was sie drauf haben. Die eigentlich höher eingeschätzten östlichen Nachbarn, gegen die deutsche Mannschaft noch durchaus gleichwertig und mit besseren Torchancen, gerieten jetzt mit längerer Spieldauer immer mehr ins Schwimmen und der Ausgleich durch den phantastischen Scherenschlag-Seitfallzieher von Shaqiri war mehr als verdient. Aber vor allem in der 2. Halbzeit zeigte sich wieder das Hauptproblem der Eidgenossen: Es fehlt ein Knipser! Seferovic ist es nicht und Embolo wird jetzt vielleicht auf Schalke einer. So endete das Spiel nach Verlängerung im Elfmeter-Roulette und mit jubelnden Polen.

Am frühen Abend ging es mit dem Niveau weiter abwärts. Zwei britische Mannschaften lieferten sich ein zähes Ringen mit inseltypischen Mitteln: Ball nach vorn hauen und hinterher rennen. Etwas überraschend wirkte der nordirische Versuch, gelegentlich Spielkultur in Form von Passspiel einzubringen. Insgesamt fehlte beiden Teams aber die spielerische Klasse, um  mal echtes Aufbauspiel zu betreiben, viel blieb dem Zufall überlassen. Und es war vielleicht gerade kein Zufall, dass schließlich ein Eigentor die Partie entschied. Der hinter McAuly in Richtung Tor grätschende Robson-Kanu wäre zwar eher nicht mehr an den Ball gekommen (was trotzdem alle behaupteten, von Mehmet bis zum Kicker), aber trotzdem musste McAuley wohl zum Ball gehen, was sich jedoch als fatal erwies. Wales gewann so das Achtelfinale, mit seiner bisher schwächsten Leistung im Turnier.

Für den späteren Abend hatten wir dann ein rassiges Spiel erwartet: Technisch hochklassige Kroaten gegen konterstarke Sportugiesen. Leider wurde stattdessen ein Langweiler aufgeführt, der an Spannung noch eine Livereportage aus 5000 m Wassertiefe unterbot. Beide Teams neutralisierten sich so perfekt, dass erst nach 115 Minuten der erste Schuss aufs Tor erfolgte: Ein Pfostentreffer der Kroaten, aus dem sich dann ein prortugiesischer Konter und das 1:0 der Iberer entwickelte. Für Freunde des perfekten Rasenschachs mögen die 2 Stunden vorher eine Freude gewesen sein, alle anderen mussten die Espresse-Dosis erhöhen, um wach zu bleiben. In den letzten 5 Minuten kam dann Leben in die Bude, Kroatien hatte noch Chancen zum Ausgleich, aber es war zu spät: Die überzeugendste Mannschaft der Vorrunde schied bereits im Achtelfinale aus, weil sie keinen Plan B gegen taktisch disziplinierte Sportugiesen entwickeln konnte, die alles darauf setzten, irgendwann mit einem Konter zum Erfolg zu kommen. Wer gewinnt hat alles richtig gemacht, so einfach ist das.

Der Sonntag bot besseres Wetter und bessere Spiele. Klar, Murphy's Law... Zur Kaffeezeit liefen die Gastgeber der EM eine ganze Halbzeit lang einem Rückstand gegen die Irländer hinterher, schafften dann aber dank einer überzeugenden 2. Halbzeit noch einen verdienten Sieg. Auch Deschamps sucht offenbar noch seine erste Elf für das Turnier, aber eins dürfte jetzt klar sein: Griezmann gehört hinein. Das Publikum peitschte das Heimteam nach vorn und zum Sieg, dagegen kamen die sangesfreudigen Irländer diesmal nicht an. Der Sieg der Franzosen hätte höher ausfallen können oder sogar müssen, aber wie stark die Gastgeber wirklich sind, wissen wir immer noch nicht.

Ausnahmezustand am frühen Abend: Leergefegte Straßen, enges Gedränge vor den Leinwänden mit Liveübertragung. Viel muss man nicht zum deutschen Sieg sagen, Ihr habt es sicher alle selber gesehen: Ein überzeugender Sieg, auch in dieser Höhe verdient. Boateng hatte bei Modric genau abgeguckt, wie man Abpraller direkt nimmt, Draxler zeigte Spiel- und Dribbelkünste, bei denen Klaus Allofs und Dieter Hecking die Tränen kamen ("Warum zeigt er das nie bei uns?") und Jogi war sichtlich zufrieden.  Alles gut? Das wissen wir erst am nächsten Samstag.

Abends machten die Ungarn den Belgiern das Leben schwerer als gedacht. Gibt man den Pommeskochern keine Räume, so haben sie Probleme. Wenn man sie aber schnell kontern lässt, ist man chancenlos., das erfuhren auch Puskas' Söhne. Ungarn war eine der großen Überraschungen dieser EM, das Wunder von Bernd hat gezeigt, dass ein geschickter Trainer auch aus mittelmäßigen Teams mehr herausholen kann als allgemein gedacht. Mit etwas Glück wäre einer der ungarischen Weitschüsse mal reingegangen, dann hätte sich Belgien ordentlich strecken müssen. Aber hätte, hätte, Viererkette - wer einen Eden Hazard in Topform in seinen Reihen hat, der benötigt nur ein wenig Platz und dann geht die Post ab. Die Belgier sind jetzt in EM-Form, und die sollte fürs Halbfinale allemal reichen.

Im Tippspiel rettete Jochen mühsam seine 2 Punkte Vorsprung bis knapp an die 100 Punkte-Marke. Ein einziger weiterer Fehltipp kann ihn schon die Führung kosten. Mette Geletneky ist 14 Jahre alt und offenbar jetzt schon eine Expertin - das spricht für eine gute Ausbildung durch ihren königsblauen Vater. In den Top-10 stehen jetzt sechs aktive Hebbelkicker - Jungs, ich bin stolz auf Euch, und ich wäre gern dabei (Neid!). Zumindest auf der Hebbelwiese sollte das aber klappen. Hebbelkick geht vor Achtelfinale! Unten konnte sich Karen mit dem Gewinn von 4 Punkten vom Verdacht befreien, jetzt nur noch in Richtung Rote Laterne zu tippen. Viel geholfen hat es aber nicht.

So, lasst die Fernseher schon mal warmlaufen, gleich geht's im Mittelmeerduell um den Viertelfinaleinzug. Ich gucke mir das dann aus der Konserve an. Trotz Hebbelkick gilt natürlich: Je t'EM!

Robert





Statistik mit der Tistić (Teil 6)

Madame Rasta erklärt Darijo Srna



Dobro jutro (Guten Morgen) liebe Freunde echter Fußballhelden,

ich hoffe, ihr habt nach dem ersten Spieltag des EM-Achtelfinals alle gut geschlafen – notfalls schon gestern Abend vor dem Fernseher. Vier ganze Tore in 330 Spielminuten waren das ganz genau, also alle 82,5 Minuten ist ein Tor gefallen (natürlich ohne die neun Elfmeter im ersten Spiel). In dieser komplexen Aufsummierung ist natürlich auch das Eigentor der Nordiren enthalten. Bezogen auf neunzig Minuten reine Spielzeit hat sich also der schon bisher dramatisch schlechte Torwert bei dieser EM noch einmal deutlich nach unten gesteigert, obwohl das kaum noch möglich schien. Aber es geht immer noch was. Das war vor allem beim zweiten und dritten Spiel schon ein echtes Festival für Fußballpuristen, Taktikfüchse und Masochisten aller Schattierungen.

Daher habe ich momentan überhaupt keine Lust, über Fußball und seine vermeintlichen Helden aus der Glitzerwelt zu reden. Wenn sich jemand  dadurch langweilen oder Hardcore-Follower von CR7 (das war doch wieder sein Abend, oder?) sein sollte, dann bitte ich diese Person einfach, diesen Text zu ignorieren, zu löschen oder sonst was damit zu tun. Sorry – ich möchte eure kostbare Zeit nicht mit meinen Ergüssen verschwenden. Wenn aber jemand von euch etwas über einen Fußballer mit bemerkenswerter Geschichte und Charakter erfahren will, dann sollte er sich gerne die Zeit nehmen, um die nachfolgenden paar Zeilen weiter zu verfolgen.

Die Geschichte beginnt bei mir auf dem Balkan vor langer Zeit. Ein kleiner Junge muss während des Zweiten Weltkriegs in seinem kleinen Heimatdorf in Bosnien-Hercegovina mit ansehen, wie mit den Deutschen verbündete serbische Tschetnik-Milizen seine Mutter und seine Schwester bei lebendigem Leibe verbrennen. Der traumatisierte und alleingelassene Waisenjunge wird von einer slowenischen Familie adoptiert und Jahre später von seinem ebenfalls noch lebenden Bruder gefunden. Jetzt hat er wieder eine Art von Familie und kann nach Ende des Krieges somit ein halbwegs normales Leben beginnen.

Was hat diese komische bzw. eher traurige Episode aber mit Fußball zu tun? Ganz einfach. Der kleine Junge war der Vater des aktuellen Kapitäns der kroatischen Nationalmannschaft, die gestern so unglücklich in der Verlängerung gegen Portugal verlor. Dieser Spieler heißt Darijo Srna und sein Vater ist während der laufenden EM plötzlich an einem Krebsleiden gestorben. Er ist daraufhin umgehend mit seinem Nationaltrainer zur Beerdigung gefahren und fehlte dem Team insgesamt zwei Tage. Das Vermächtnis seines toten Vaters, der zeitlebens die sportliche Karriere seines Sohnes aktiv begleitete, lautete: Spiele weiter bei dem Turnier – tue es für dein Land, für mich und auch für dich. Darijo Srna hat das dann getan – mit seiner ganzen Kraft und Leidenschaft. Beim Abspielen der Nationalhymne liefen ihm die Tränen herunter. Jeder kann sich vorstellen, was in diesen Momenten vielleicht in seinem Kopf vor sich ging – vielleicht aber gerade deshalb auch nicht. Leid macht oftmals sprachlos. Srna hat sich in den vier EM-Spielen als Kapitän nicht nur vorbildlich verhalten, er hat sogar Top-Leistungen geboten, obwohl das bei dieser Vorgeschichte eigentlich in den Hintergrund rücken müsste. Sein Traum war es natürlich, den durchaus möglichen EM-Titel für seinen Vater zu gewinnen. Dieser Traum ist nun zerplatzt.

Aber diesen phantastischen Darijo Srna wird auch das nicht umschmeißen. Ich habe in den letzten Tagen in den mir zur Verfügung stehenden Zeitungen (unter anderem ein sehr schöner Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“) und im Internet einiges über ihn erfahren. Er scheint einen sehr speziellen Charakter zu haben, fernab der mehr oder weniger heilen Fußballwelt verhätschelter Profis und Möchtegernstars. Er spielt seit vielen Jahren als einer der zuverlässigsten Rechtsverteidiger der Welt immer dort, wo es weh tut und man lange Wege gehen muss. Das macht ihm nichts aus. Denn der Weg ist für ihn das Ziel, darüber hinaus aber vor allem Treue und Kameradschaft. Srna spielt seit vielen Jahren bei Schachtar Donezk in der Ostukraine, hat mit diesem Verein 2009 den UEFA-Pokal im Finale mit 2:1 gegen Werder Bremen sowie viele nationale Titel (insgesamt sieben) und Pokale (insgesamt fünf) gewonnen. Diesem Verein ist er bis heute treu geblieben. Donezk liegt bekanntlich mitten in der Bürgerkriegszone der Ostukraine – Donbass-Region nennt man dieses Trümmerfeld auch gerne. Als die russischen Separatisten angriffen, ist die Mannschaft des Erstligisten dann notgedrungen nach Kiew umgezogen und spielt ihre Liga- und CL-Spiel seitdem im westukrainischen Lviv (ehem. Lemberg). Srna musste sein Haus in Donezk innerhalb von wenigen Stunden verlassen und konnte nur wenige persönliche Habseligkeiten mitnehmen. Ob dieses Haus überhaupt noch steht, weiß er nicht so genau. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Als das Desaster in der Ukraine seinen Lauf nahm, hatte Srna sehr schnell Angebote vom FC Chelsea und von anderen namhaften internationalen Klubs. Er ist geblieben und wird mit folgendem Satz zitiert: „Ich habe nach so vielen Jahren in diesem Klub nicht das Gefühl, einfach gehen zu können und ihn in dieser Lage zurückzulassen. So einer bin ich nicht.

Der heute 34-jährige Fußballer überlegte auch, wie er in dieser schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation helfen kann. Er hat einmal zwanzig Tonnen Mandarinen gekauft, um damit über zwanzigtausend Grundschulkindern im Donbass eine kleine Freude zu bereiten. Vielleicht völlig naiv, vielleicht völlig bescheuert, aber er hat es eben gemacht. Darüber hinaus finanziert er inklusive Reisekosten ukrainischen Waisenkindern den Besuch von Schachtar-Heimspielen. Dass er sich nebenbei seit vielen Jahren rührend um seinen am Down-Syndrom erkrankten Bruder kümmert, ist in diesem Zusammenhang eher nur eine Randnotiz.

Sein früherer Trainer Slaven Bilić (heute West Ham United) hat einmal über ihn gesagt: „Tritte und Grätschen können ihn nicht aufhalten. Auch wenn er am Boden liegt und sich vor Schmerzen windet, rappelt sich Darijo wieder auf und läuft und läuft, als wäre er Robocop.

Darijo Srna ist anscheinend ein Robocop mit einem Riesenherzen. Mein eigenes hätte es mir gestern fast zerrissen, als ich ihn nach der Niederlage auf dem Platz kniend weinen sah. Aber es war ja nur ein Fußballspiel. Und ein Darijo Srna steht immer wieder auf. Das sollte vielleicht allen etwas Mut geben, denen es derzeit vielleicht ebenfalls nicht so gut gehen sollte – einfach immer weiterkämpfen!

In diesem Sinne für heute und bis demnächst

Eure Rasta 

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.




EM-Kommentar vom 24.06.2016


Bonjour EM,

Anstrengende Tage liegen hinter uns und am kommenden Wochende und Montag ist wieder voller Einsatz gefragt, mit 2-3 Spielen pro Tag, wie zu Beginn des Turniers. Und dann ist da auch noch die Kieler Woche, die die Einheimischen auf Trab hält. Gestern abend fand die inzwischen legendäre Ortsbegehung des Internationalen Marktes durch ein ausgewiesenes Expertenteam statt; der Bericht dazu folgt in einigen Tagen. Wann soll man das Erlebte denn auch aufschreiben, man verbringt ja den halben Tag vor der Glotze. Gut, man könnte sich dazu nachts an den Laptop setzen, denn tagsüber muss man ja unter der Woche im Büro erscheinen. Zum Glück brauche ich nur 4-5 Stunden Schlaf. Aber nachts dürfen es ruhig ein paar mehr sein...

Doch zurück zur EM. Am Mittwoch fanden die letzten Vorrundenspiele statt und am frühen Abend nahm die Angelegenheit "Europameisterschaft" endlich mal wieder richtig Fahrt auf. Zähe Spiele hatten wir ja schon einige und wenn die Tore immer erst am Ende fallen, wird zu viel taktiert. Jeder Fußballexperte wird mir zustimmen: Frühe Tore erhöhen den Reiz des Spiels, vor allem wenn die vermeintlich schwächere Mannschaft in Führung geht. So geschah es denn auch beim prognostizierten Langweiler Ungarn-Portugal. Die Balkankicker wollten ihr Chance auf das Achtelfinale und einen potenziell leichten Gegner unbedingt behalten und erkämpften im vielleicht unterhaltsamsten Spiel der Vorrunde ein verdientes 3:3. Dreimal mussten die Sportugiesen einem Rückstand hinterherlaufen und Ronaldo war sichtlich genervt davon. Schließlich zogen sie mühsam als Tabellendritter in die nächste Runde ein. Tja, das Leben als Superstar ist nicht immer ein Honigschlecken. Übrigens scheiterten auch Ronaldos Versuche Nr. 38-41, bei einer EM oder WM mal ein direktes Freistoßtor zu schießen. Klappt schon noch, irgendwann 2024-2036 vielleicht. Wir zählen weiter mit.

Parallel zum Torfestival in Lyon wehrten sich die Isländer ebenso erfolgreich wie die Ungarn gegen das frühe Ausscheiden. Von den Österreichern waren bei dieser EM zu viele Spieler nicht mehr in der Form der Qualifikationsrunde. Superstar Alaba? Kaum zu sehen. Der Sturm? Nur das berühmte laue Lüftchen. Die Abwehr? Nicht immer auf der Höhe, oft zu langsam gegen die isländischen Konterspezialisten. Trotzdem müsste es allemal zu einem Sieg reichen, dachten wir. Aber vermutlich wurde das Ösi-Team einfach überschätzt. Zwei Spieler vom Bundesliga-Absteiger Stuttgart, zwei vom Aufsteiger des Brauseherstellers - da fehlt es einfach an herausragender Qualität. Und wenn sich dann noch vermeintliche Führungsspieler wie Alaba die meiste Zeit verstecken, ist eben nach der Vorrunde Schluss. Das soll die Leistung der Isländer gar nicht schmälern, die haben ihren Schwung aus der Qualifikation komplett in die EM herüber gezogen, spielen einfach, aber effektiv, schmeißen sich in jeden Schuss des Gegners und stehen somit verdient in der nächsten Runde. Dennoch dürfte gegen England das Ende der Traumreise durch Frankreich kommen. Die Engländer kennen solche Spielweise, wie die Isländer sie bevorzugen, bestens aus der eigenen Liga. Kämpfen und immer den Ball nach vorne hauen und hinterher - das ist klassischer englischer Fußball. Und dann sollte sich die größere individuelle Klasse der Limies eigentlich durchsetzen. Aber man weiß ja nie. Olafur, do you also have a ticket option for a potential match of Iceland in the quarterfinals?

Euphorisiert von den Spielen am frühen Abend legte ich dann zwei Bierchen in den Kühlschrank und freute mich auf die 21 Uhr-Spiele. Leider sanken Stimmung und Spielniveau von Minute zu Minute, da zogen auch die späten Tore zum 1:0 für Belgien gegen Schweden bzw. Irland gegen die B-Elf von Italien die Laune nicht mehr hoch. Ballgeschiebe und langsamer Spielaufbau - davon hatten wir doch an den Vortagen genug gesehen. Die Schweden mussten sich zu Recht über ein nicht gegebenes Tor von Ibrahimsson beschweren und Irland feierte mit den Fans den historischen Einzug in die Endrunde. Wer das Trappatoni-Interview in der KN gelesen hatte, war informiert, denn der alte Fuchs hatte ausdrücklich vor den Iren gewarnt. Aber welcher Italiener liest schon die KN? Die Niederlage der Azzuri blieb ohne Folgen, der Gruppensieg war vorher gesichert und mit dem Einsatz sämtlicher Ersatzspieler (abgesehen vom 3. Torwart) wurde eifrig Teambuilding betrieben. Buffon & Co. gehen mit einer ausgeruhten Mannschaft in das Spiel gegen die Spanier, die die erste EM-Niederlage seit 2008 erst mal aus den Köpfen kriegen müssen. Und die Belgier spielen nur gut, wenn man sie lässt, also wenn man sie zum Kontern einlädt. Dennoch bietet sich den Pommeskochern in der vermeintlich leichteren Hälfte des verbliebenen EM-Feldes eine große Chance auf den Einzug ins Halbfinale. Allein die Kroaten haben gleichwertige individuelle Klasse.

Im Tippspiel fiel Tanja auf Platz 3 zurück, weil Mette ordentlich punktete und sich knapp hinter dem noch immer führenden Jochen einreihte. Aber der Vorsprung ist geschmolzen und eine ganze Reihe von ExpertInnen lauert auf Fehltipps der Top-3 in den Achtelfinals. Entschieden ist hier noch gar nichts, der bei der WM nach der Vorrunde führende Maciej landete am Ende nur auf Platz 6. Karen liegt am Tabellenende schon 6 Punkte zurück und konzentriert sich derzeit mehr auf das Tauschen von Paninibildern als auf das Punktesammeln. Vielleicht geht in der Endrunde ja mehr, die Spieler kennt sie ja jetzt alle. Auf in die Achtelfinals - Je t'EM!

Robert



Statistik mit der Tistić (Teil 5)


 

Madame Rasta erklärt das Achtelfinale der EM 2016

Dobar dan (guten Tag) liebe Freunde der eingeflogenen Strafraumschwalbe,

Die richtige EM geht nun hoffentlich endlich mal los. Schluss mit den zum Teil Nerv tötenden und überwiegend torgeizigen Gruppenspielchen – ab jetzt heißt es frei nach dem in Manchester geschassten holländischen Tulpentrainer: Tod oder Gladiolen! Nach gefühlten sechs Wochen und 36 langen Spielen (3.240 Minuten Fußball ohne Nachspielzeit) sind nunmehr 16 Mannschaften übrig geblieben – genauso viele, wie bei den letzten fünf Europameisterschaften jeweils bei der EM-Endrunde gleich von Anfang an gestartet sind. Vermutlich ist also jetzt immer noch reichlich Spreu im Weizen drin. Da muss man folglich zur sicheren Trennung desselben im neu installierten Achtelfinale nochmal kräftig draufhauen. Aber welche Mannschaften haben die meiste Kraft dazu?

Bevor ich mich mit dieser spannenden Frage beschäftige, blicken wir noch einmal kurz auf die Gruppenphase zurück. Manchmal ist es ja ganz gut, dass bestimmte Spielpaarungen durch das Ausscheiden gewisser Mannschaften erst gar nicht zustande kommen können. Folgende nicht nur sportlich höchst brisante Begegnungen bleiben uns zum Glück in den anstehenden K.-o.-Spielen erspart: Zum Beispiel Russland vs. Ukraine (Hätte der Gewinner die Krim endgültig (wieder-)bekommen?) oder Tschechien vs. Slowakei (Endkampf um die wahren Erben der früheren Tschechoslowakei). Deutschland vs. Holland ging ja vorher schon nicht mangels sportlich frühzeitig abhanden gekommener Niederländer. Noch ist allerdings die brisante Paarung Nordirland vs. Irland möglich, allerdings frühestens im Finale. Die Wahrscheinlichkeit für ein Zustandekommen dieses Duells der verfeindeten Brüder von der irischen Insel dürfte aber noch um ein Vielfaches niedriger sein als das Eintreffen der erfolgreich von mir prognostizierten Meisterschaft von Leicester City in der englischen Premier League.

Noch ein Wort zu den Russen: Die haben sich wie bereits in anderen Sportarten (dort jedoch aus bekanntlich anderen Gründen) selbst aus dem internationalen Wettbewerb geschossen oder vielmehr gar nicht erst geschossen. Wir können alle hoffen, dass das Wort „schießen“ Russlands Staatenlenker nicht auf eine weitere blöde Idee  bringt. Wie wäre es denn, wenn man Länder mit halbwegs talentierten Fußballern rechtzeitig vor der Heim-WM einfach mal annektieren würde? Nur auf diese Weise lassen sich die bisher so zurückhaltenden Auftritte einiger gefährdeter Nachbarstaaten (Rumänien, Ukraine) schlüssig erklären. Man sollte daher den deutlich erfolgreichen auftretenden Ländern wie Polen, Ungarn und der Türkei eine entsprechende Warnung zukommen lassen oder das NATO-Kontingent dort noch einmal deutlich aufstocken. Die gute Nachricht: Großkartoffelkopf Slutski hat nun endlich seine gewaltigen Brocken vor die eigene Trainerbank hingeschmissen und wird vermutlich in Kürze durch Otto Rehhagel ersetzt. Der mutiert noch einmal im fortgeschrittenen Alter von Ottonis Rehhakles zu Ottonowitsch Rehhaklov. Ich habe aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfahren, dass für dessen Frau Beate auf Kosten eines nicht bekannten russischen Oligarchen in der Werft German Naval Yards im Kieler Hafen gerade ein spezielles dreimastiges Mega-Segelschiff mit dem passenden Namen „Sailing Ship B“ gebaut und ausgerüstet wird. Ottos Co-Trainer und Übersetzer vom Ruhrpottdeutsch ins Russische soll übrigens mit Torwart-Legende Lew Jaschin ebenfalls feststehen. Jetzt haben die Russen zwei Jahre Zeit, fleißig zu segeln, zu trainieren oder entsprechend gut trainierte Länder mit oder ohne Segelschiff zu erobern. Lassen wir uns überraschen.

Kommen wir aber nun zu den Achtelfinalspielen. Dabei fällt mir eine kleine Anekdote ein. Mein in vielerlei Hinsicht völlig hoffnungsloser Klient Marko Arnautović (ich berichtete bereits) sagte mir vor dem Turnier: „Wir Österreicher kommen nicht nur ins Viertelfinale, wir erreichen anschließend mindestens sogar das Achtelfinale.“ Das bestätigt wieder einmal, dass viele Männer chronische Probleme mit der Bruchrechnung haben. So ging es auch meinen bislang fünf verflossenen Ehemännern bei der damaligen Berechnung der Alimente. Aber das geschah ja letztlich nicht zu meinem finanziellen Nachteil. Manchmal hilft Dummheit sogar. Dem Lothar M. habe ich kürzlich sogar die spezielle Computer-Software RSH (Rasta Separation Helper) geschrieben. Bei seinen vielen Trennungen hatte sich diese Investition schon nach drei Jahren locker für ihn bezahlt gemacht.

Achtelfinale 1

Schweiz (25) – Polen (26) am 25. Juni um 15:00 Uhr

Die Schweiz hat im letzten Gruppenspiel tatsächlich den Franzosen noch einen Punkt aus den blau-weiß-roten Rippchen geleiert und sich auf diese Weise als souveräner Zweiter zum vierten Mal in die Runde der letzten 16 bzw. ins Achtelfinale gespielt oder besser noch gekämpft. Aus Rache an den bisweilen sehr sperrig agierenden Eidgenossen haben die Trikolore-Träger aber den neunzigminutigen Trikot- und Ballhaltbarkeits-Contest Adidas gegen Puma klar mit 7:1 für sich entscheiden können. Die vorne und hinten schwer durchlöcherten Schweizer guckten hinterher ganz schön blöd aus der maladen Wäsche, obwohl sie als klassische Käseexperten mit Großlöchern doch bisher recht gute Erfahrungen gemacht haben müssten. Den Ehrentreffer in der materialtechnischen Pannenwertung erzielte allerdings noch Adidas, als bei dessen Spielball nach einem Pressschlag sämtliche Schweißnähte auseinanderflogen – vermutlich als Folge einer mangelhaft zertifizierten Billigproduktion aus Pakistan. Die Schweizer warten nun auf den weiteren Gruppenzweiten Polen (ebenfalls zum vierten Mal in der Runde der besten 16) das die Ukrainer im letzten Gruppenspiel relativ schmucklos mit 1:0 in die weiß-roten Schranken wies und sich damit den „schweren EM-Ast“ auf der anderen Seite des Tableaus ersparte. In bisher sehr mageren null von drei Fällen (zu jeweils also 0%) qualifizierten sich beide Mannschaften übrigens bisher anschließend fürs Viertelfinale. Das dürfte also ein überaus spannendes Ausscheidungsspiel zweier bei Europameisterschaften bisher nicht gerade vom Erfolg verwöhnter Teams (siehe auch die o. g. Ranking-Plätze) geben. Aber Ranking ist nun mal EM-Ranking und das wenn auch nur leicht besser platzierte Team wird nach meinen Berechnungen wissenschaftlich fundiert erstmals ins Viertelfinale einziehen – vielleicht sogar im abschließenden Elfmeterschießen, das die Schweizer in den nächsten Tagen fleißig üben werden. Mein Tipp: 5:4

Achtelfinale 2

Wales (23) – Nordirland (30) am 25. Juni um 18:00 Uhr

Wer hätte wohl dieses rein britische Bruderduell im Achtelfinale erwartet? Wer hätte den kleinen bergigen Landstrich von der westlichen britischen Felsenküste mit seinen unaussprechlich langen Ortsnamen und unzähligen Konsonanten darin vorab als Gruppensieger getippt? Nur weil die einen Hundert-Millionen-Euro-Mann von Real Madrid im Sturm und so trinkfreudige Fans mit dem lustigen Red Dragon auf der Brust mit dabei haben? Wer außer Will Griggs hätte den Nordiren eine realistische Chance fürs Überleben aus der Gruppenphase heraus gegeben bzw. gesungen? An so einer Konstellation verzweifeln letztlich auch Statistikerinnen wie ich. Es gibt keine logische Erklärung dafür, außer dass im Fußball anscheinend manchmal nichts unmöglich ist. Die Statistik spricht aber eindeutig für ein Weiterkommen der Waliser, denn in einem von einem Fall (also zu immerhin 100% bei zugegebenermaßen überschaubarer Stichprobe) qualifizierte sich Wales im Jahre 1976 bisher anschließend auch fürs Viertelfinale. Da scheiterte man allerdings noch in Hin- und Rückspiel (0:2 und 1:1) an meinem damaligem Heimatland Jugoslawien. Dann folgte für meine geliebten Helden aber leider das Halbfinaldrama in Overtime gegen Deutschland-West. Ich berichtete darüber bereits ausführlich und bin auch nach vierzig Jahren immer noch untröstlich. Nordirland  dagegen qualifizierte sich in keinem von einem Fall (das war aber schon 1964) bisher anschließend fürs Viertelfinale. Der Favorit steht also für mich fest, aber was heißt das bei dieser EM schon? Mein Tipp: 1:0

Achtelfinale 3

Kroatien (18) – Portugal (11) am 25. Juni um 21:00 Uhr

Meine spielstarken und gleichfalls unbequemen kroatischen Balkanbrüder haben es trotz ihrer noch viel unbequemeren Ultra-Fans, die aber ihre vor dem Spiel angekündigten Wahnsinnsaktionen dann doch nicht in die Tat umsetzen wollten (oder konnten) als Gruppensieger zum fünften Mal in die Runde der besten 16 bzw. ins Achtelfinale geschafft. So verrückt sind Fußball beziehungsweise dessen Begleitumstände manchmal. Die verdutzten Spanier wunderten sich zunächst über einen verkappten Wasserballspieler (Kappe mit Ohrenschutz über dem lädierten Schädel) in der kroatischen Innenverteidigung und kurz vor Schluss über die eigene Verschenkung des eigentlich geschenkten Elfmeters (wirklich faire Geste von Sergio Ramos). Dann war das vermeidbare Gegentor natürlich nur noch das saure Sahnehäubchen auf dem etwas trocken gewordenen spanischen Blechkuchen. Mann des Spiels und der gesamten bisherigen EM ist für mich als leidenschaftliche Balkanbewohnerin natürlich eindeutig Dario Srna. Dieser Wahnsinnstyp musste während des Turniers erst den Tod seines Vaters verkraften und führte  mit einer weiteren bärenstarken Leistung als Mannschaftsführer sein Team mitten hinein in die K.-o.-Runde. Mit seinem Tipp vor dem Elfmeter an seinen eigenen Torhüter lag er zudem auch noch goldrichtig. In bisher zwei von vier Fällen (zu 50%) qualifizierte sich Kroatien bisher anschließend übrigens fürs Viertelfinale und treffen nun etwas überraschend auf einen dort nicht vermuteten Gruppendritten Portugal (zum achten Mal unter den besten 16 bzw. im Achtelfinale). Bei denen hat CR7 zunächst schon einmal alle seine persönlichen Ziele (EM-Rekordspieler, EM-Rekordtorschütze, Hackentor, störendes Journalisten-Mikro im See versenkt) erreicht. Hat er nun auch noch Bock und Kraft für mehr? In sieben von sieben Fällen (zu 100%) qualifizierte sich Portugal bisher übrigens anschließend fürs Viertelfinale. Das ist eine überzeugende Quote. Mein Tipp: 1:2

Achtelfinale 4

Frankreich (3) – Irland (19) am 26. Juni um 15:00 Uhr

Gastgeber Frankreich ist mit sieben Punkten als Gruppensieger zum elften Mal in die Runde der letzten 16 bzw. ins Achtelfinale eingezogen. In neun von bisher zehn Fällen (zu 90%) qualifizierte sich Frankreich anschließend auch fürs Viertelfinale. Bislang erzielte man drei der vier Vorrundentore allerdings erst kurz vor Schluss oder in der Nachspielzeit. Nennt man das nun mentale Stärke oder einfach nur Dusel? Vielleicht sollten sich Pogba (Der wirkte mit oder ohne Badelatschen an den Füßen bisweilen noch etwas rutschanfällig auf dem seifigen und unebenen Geläuf im Hallenstadion von Lille), Payet und Griezmann endlich mal bereits in der ersten Halbzeit mit der genauen Verortung des gegnerischen Tors vertraut machen, um sich gegebenenfalls unnötige Überstunden zu ersparen. Irland steht zum vierten Mal in der Runde der besten 16 bzw. im Achtelfinale und profitierte von der etwas bocklosen Vorstellung des Gruppenersten Italien im letzten Gruppenspiel. Sei es drum: In zwei von drei Fällen (immerhin zu 67%) qualifizierte sich Irland bisher (1964 und 1988) anschließend auch fürs Viertelfinale. Trotzdem sollten sich die Gastgeber durchsetzen. Mein Tipp: 2:0

Achtelfinale 5

Deutschland (1) – Slowakei (34) am 26. Juni um 18:00 Uhr

Deutschland ist erwartungsgemäß Gruppensieger geworden und qualifizierte sich damit zum zwölften Mal für die Runde der besten 16 bzw. fürs Achtelfinale. Mein optimistischer Tipp vor dem Spiel gegen Nordirland: 7:1. Damit lag ich in der Rückschau völlig daneben, denn wie hätten die völlig harmlosen Nordiren überhaupt zu einem Treffer kommen sollen? Die Fans sangen zwar in Endlosschleife ihren neuen EM-Hit „Will Grigg’s on Fire“, aber der gleichnamige Hobby-DJ und Edelkicker spielte gar nicht mal selbst mit. Und bei normaler Chancenverwertung hätten die Deutschen und speziell Thomas Müller mit seinem Weber-Grill die Green White Army in beiden Hälften von vorne und hinten so pechschwarz anrösten können, dass die wirklich schwer on Fire und mit einem 7:1 tatsächlich noch bestens bedient gewesen wären. Aber nun müssen sich die Deutschen ihre sechs nicht geschossenen Tore eben für die kommenden vier K.-o.-Runden aufsparen und möglichst gut bis zum Finale einteilen. Noch was Statistisches: Erstens hat der künftige Basti Ivanov mit jetzt 15 EM-Spielen Klein-Philipp Lahm den EM-Einsatzrekord abgeknöpft und zweitens hat Mario Gomez mit insgesamt vier Treffern zu gleich zwei Müllers (Gerd und Dieter) aufgeschlossen. Jetzt fehlt ihm nur noch ein Törchen bis zum Spitzenreiter Grinsi-Klinsi, der mit seinen grünen US-Boys vorgestern Abend übrigens gegen einen bärtigen (!) Messi mit 0:4 bei der Copa América im Halbfinale böse unter die Räder kam. Da hat Müller III (Thomas) im Hinblick auf seine bisherige Torausbeute durchaus noch etwas Nachholbedarf. Aber vielleicht glückt ihm ja ein klein wenig mehr auf dem frisch verlegten neuen Rasen in Lille – Nomen est Omen. In bisher neun von elf Fällen (zu 82%) qualifizierte sich Deutschland übrigens anschließend fürs Viertelfinale. Jetzt kommt es zu einer Neuauflage des schwer verhagelten EM-Vorbereitungsspiels gegen die Slowakei. Bisher standen die Slowaken als absolute Neulinge natürlich noch nie in einem anschließenden Viertelfinale. Mein Tipp: 2:0

Achtelfinale 6

Ungarn (14) – Belgien (12) am 26. Juni um 21:00 Uhr

Ungarn ganz vorne. Das hat es seit den frühen fünfziger Jahren nicht mehr gegeben. Aber zum damaligen Wunderteam (6:3 gegen England im Wembley-Stadion 1953) fehlt nicht nur der zeitliche Abstand. Trotzdem Respekt vor den drei mutigen Auftritten der Magyaren, mit denen sie zum fünften Mal in die Runde der besten 16 bzw. ins Achtelfinale einzogen. Die ersten vier Qualifikationen erfolgten allerdings in der Frühzeit der EM von 1960 bis einschließlich 1972. In drei von vier Fällen (also zu immerhin 75%) qualifizierte sich Ungarn bisher anschließend fürs Viertelfinale. Gegen den nächsten Gegner sind sie sicherlich nicht favorisiert, hatten aber hoffentlich noch nicht ihr Pulver gegen die Portugiesen verschossen. Die  Belgier (zum sechsten Mal in der Runde der besten 16 bzw. im Achtelfinale) besitzen als immer noch so etwas wie der EM-Geheimfavorit ein gewisses Steigerungspotenzial oder eben auch nicht. Wer weiß das schon? Gegen die konzept- und einfallslosen Schweden reichte ein knappes 1:0. Jetzt kann King-Legend Zlatan mit seinem Clan endlich ein verspätetes Midsommar feiern und seine Tre-Kronor-Stiefel in den großen vergoldeten Trophäenschrank stellen. In vier von fünf Fällen (zu 80%) qualifizierte sich Belgien übrigens bisher anschließend fürs Viertelfinale. Mein Tipp: 1:2

Achtelfinale 7

Italien (5) – Spanien (2) am 27. Juni um 18:00 Uhr

Mehr Spitzenspiel ist im Achtelfinale kaum möglich. Im EM-Finalrevival von 2012 treffen dort die beiden besten Südeuropäer eigentlich viel zu früh aufeinander. Aber die Italiener konnten nichts dafür, denn der Gruppensieg stand aufgrund des Modus quasi schon nach den beiden Dreiern in den ersten zwei Spielen mit alter Truppe und alten Tugenden fest. Darum haben sie ihr U-40-Team auch im letzten Spiel auch gegen die Iren geschont und sind mit einer besseren bzw. eher schlechteren C-Elf aufgelaufen. Das duftete etwas nach Wettbewerbsverzerrung und dürfte Erdogan im fernen Ankara wenig amüsiert haben. Und Spanien (insgesamt EM-Rekord mit der dreizehnten Teilnahme für die Runde der besten 16 bzw. fürs Achtelfinale) hat sich bekanntlich etwas verzockt und den vermeintlich ersatzgeschwächten Kroaten vermutlich gar nicht so richtig den Sieg zugetraut. Jetzt hilft nur noch Hoffen oder ein Blick auf die Statistik. In sieben von zehn Fällen (zu 70%) qualifizierte sich Italien bisher anschließend auch fürs Viertelfinale. Das schaffte Spanien allerdings sogar in elf von zwölf Fällen (zu 92 %). Das ist ein absoluter EM-Spitzenwert und katapultiert sie auch als das im Ranking besseres Team leicht in die Favoritenrolle hinein. Mein Tipp: 1:2

Achtelfinale 8

England (13) – Island (34) am 27. Juni um 21:00 Uhr

Das bisher eindeutig ineffektivste von allen attraktiv nach vorne spielenden Teams der EM steht nun als Gruppenzweiter im Achtelfinale. Die bisherigen Torchancen reichten für mindestens drei Turniere aus. Wie konnten die Engländer bzw. Briten mit  einer derart chronischen Ladehemmung früher mal ein ganzes Weltreich erobern? Am heutigen 23. Juni kann auf politischer Ebene jetzt zumindest erst einmal der von vielen befürchtete EU-Brexit möglicher Weise abgewendet werden. Zudem stehen gleich drei britische Teams des Royal United King Kong in der Runde der besten 16 Mannschaften – I don`t believe it! Das hatten sicherlich die Wenigsten erwartet. Falls nun aber heute Abend oder spätestens morgen früh doch der Brexit verkündet werden sollte, dann werden die Teams natürlich sofort aus dem EM-Turnier eliminiert und durch drei Nachrücker (Türkei, Albanien und Schweden – Österreich alleine schon wegen Dummheit und Arnautovic nicht) ersetzt. In acht von neun Fällen (zu 89%) qualifizierte sich England bisher anschließend auch fürs Viertelfinale. Diese freundliche Perspektive sollte die auf der Insel nun hoffentlich mürrisch dreinblickenden Euro-Skeptiker endlich mal besänftigen. Über Island braucht man keine Worte mehr zu verlieren. Mit Wikinger-Eroberungsdrang und einem Videoregisseur im Tor kann man auch als absoluter EM-Neuling anscheinend weit kommen. Und in der Außenseiterrolle hat man sich ja bisher schon bestens eingerichtet. Aber reicht die Kampfkraft noch fürs nächste Gefecht. Ein Blick auf die etwas frühere Geschichte lehrt uns aber, dass die Wikinger schon häufig Angst und Schrecken auf der britischen Insel verbreitet haben. Noch ein abschließendes Wort zu den vorher so hochgejubelten Ösis: Mit behäbiger und einfallsloser Spielweise haben sie sich die vom isländischen TV-Kommentator-Eunuchen mit heiserem Stimmchen gebrüllte 1:2-Niederlage selbst ans lahme Bein gebunden. Warum an der Strafraumgrenze in einen Zweikampf gehen, um einen der besten Freistoßschützen überhaupt (Alaba)  mal in gute Schussposition zu bringen, wenn man mit sinnlosen Flachpässen immer schön bequem die Verantwortung an den nächsten Mitspieler abschieben kann? Es hätte nur noch gefehlt, dass mein Lieblingsvollpfosten Arnautovic den Elfer versemmelt hätte. Aber der hat ja sicherheitshalber auch verweigert und seinen Kollegen den Ronaldo machen lassen. Mein Tipp: 2:0

Das war das Achtelfinale in meiner Vorschau.

Zbogom (Auf Wiedersehen) und bis zum nächsten Mal

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.





EM-Kommentar vom 22.06.2016

Bonjour EM,

Um 17:59 Uhr mit dem Fahrrad zuhause gewesen, also pünktlich zum Anpfiff, die letzten paar hundert Meter bergauf, da spart man das Warmlaufen vor dem Spiel. Fernseher an, Laptop davor, es kann beginnen. Auch Jogis Jungs legten flott los, der Trainer hatte sich meine Worte vom 18. des Monats wohl zu Herzen genommen und die rechte Seite gestärkt. Bitte, geht doch! Angeblich stand es beim Torchancenverhältnis am Ende dann 26:2 für die deutsche Mannschaft, jedenfalls wenn man Alex Bommes und der ARD glauben will. Na ja, da wurde wohl jedes Schüsschen gezählt aber ein gutes Dutzend echte Chancen kam wohl zusammen, und die Grünweißen brachten eigentlich gar nichts zustande. Während Spielkunst, läuferischer Einsatz und Kombinationsfreudigkeit  beim deutschen Team endlich halbwegs stimmten, muss die Chancenverwertung kläglich genannt werden. In der EM-Vorrunde summierten sich gegen die Ukraine, Polen und Nordirland, also die Nummern 19, 27 und 25 der Weltrangliste gerade mal drei kümmerliche Törchen in etwa 280 Minuten Spielzeit. Ist das eines Weltmeisters würdig? Nee, nicht wirklich... Andererseits haben viele nach den ersten beiden Spielen den Mangel an herausgearbeiteten Torchancen bemängelt. Jetzt waren sie da, aber außer Gomez hat sie keiner genutzt. Auch wieder schlecht? Ich sage: Egal! Der Müller trifft schon noch, Stürmer brauchen Vertrauen. Im Spiel gegen irgendeinen dieser wahrhaftig nicht starken Gruppendritten kann der Knoten endlich platzten, das ist dann immer noch rechtzeitig.

Im Parallelspiel hatte ich erwartet, dass die Polen die unmotivierten Ukrainer weghauen und so vielleicht sogar Gruppensieger werden. Wer das Spiel dann gesehen hat, wird erkennen, warum ich im Tippspiel nur im Mittelfeld liege: Meine Vorhersagen sind halt eher mäßig... Über weite Stecken des Spiel stellten die Ukrainer die bessere und torgefährlichere Mannschaft. Aber Fußball ist nun mal ein Ergebnisssport - eine schnelle Aktion von Blaschi..., Blaszi..., Bwaschti... - also von diesem bärtigen Ex-Lüdenscheider eben, reichte aus, um unseren lieben Nachbarn im Osten drei weitere Punkte zu bringen und mir sogar vier :-). Offenbar wollten sich einige der Blaugelben nach dem frühen Ausscheiden wenigstens noch für besser zahlende Vereine in Resteuropa empfehlen. Mit einem Sieg gegen die Nordirländer wäre das noch einfacher gewesen, aber so ziehen eben die sangesfreudigen Insulaner ins Achtelfinale ein.

Die Abendspiele boten den Fußballfreunden einen hohen Unterhaltungswert. Erst schien es, als würden die Spanier den Kroaten schwindelig spielen wollen. Das 1:0 fiel nach einer schier endlosen Ballstafette, die vom eigenen Torwart ausging und über kurze Flachpässe bis an die gegnerische Torauslinie führte. Aber nach einer Viertelstunde fingen sich die Kroaten und wurden immer besser und gefährlicher, während der amtierende Europameister Schwierigkeiten hatte, sein gewohntes Kombinationsspiel aufzuziehen. Ja, ich schreibe es zum dritten Mal und diesmal wird kaum jemand widersprechen: Diese kroatische Mannschaft ist richtig gut und spielt eine tolle Mischung aus technisch hochwertigem Angriffsfußball und kämpferischem Einsatz. Dabei hatten sie ihren Star Luca Modric sogar auf der Bank für das Achtelfinale geschont - wenn der wieder reinkommt, werden sie noch besser. Der Siegtreffer kurz vor Schluss war nicht unverdient und die in der zweiten Hälfte nur noch selten gefährlichen Spanier dürfen sich zur Strafe für ihre Nachlässigkeit nun auf eine ähnlich unbequem zu spielende italienische Mannschaft freuen.

Kampfbetonten Fußball gab es parallel bei SAT1 zu sehen, wo übrigens erfreulicherweise keine Karteikartenableser á la Steffen Simon und Bela Rethy am Mikrofon sitzen, sondern Fußballexperten mit Herz und Verstand. Auf dem Feld ging es ordentlich zur Sache, Fußball ist halt auch eine Kontaktsportart. Es gab nur 5 Gelbe Karten, aber so wie beide Mannschaften weder den Gegner noch sich selbst schonten,  hätten auch deutlich mehr sein können. Der Sieg der Türken war sicher um ein Tor zu hoch, ein Unentschieden wäre nicht ungerecht gewesen (klar, hatte ich ja auch getippt!:-). So haben sie weiter Chancen auf das Achtelfinale. Die Tschechen fahren nach Hause und gucken den Rest der EM bei Vepřo-Knedlo-Zelo (Knödel und Schweinsbraten) und gutem Bier.

Nachdem Jochen kurzfristig punktemäßig sogar hinter Tanja zurück gefallen war (was aber auch an meiner Fehlkalkulation der Punkte für eine der Zusatzfragen lag), hat er gestern abend wieder einen 4-Punkte-Vorsprung herausgearbeitet. Zusatzpunkte wurden reichlich vergeben, u.a. für das Team mit den wenigsten geschossen Toren (Ukraine: Null. Weniger geht nicht. Aber das können die Ösis auch noch schaffen). Unter den Top-10 der Tipptabelle sind fünf aktive Hebbelkicker. Schrieb ich nicht schon mal, dass der Fußballsachverstand auf der Hebbelwiese zuhause ist? Karen hat sich im Kampf um die Rote Laterne bereits um 6 Punkte nach unten abgesetzt. Vielleicht hätte sie doch lieber vor der Tippabgabe das Kicker-Sonderheft lesen sollen...

Je t'EM!
Robert



EM-Kommentar vom 21.06.2016


Bonjour EM,

die dritte Spielrunde läuft, ab jetzt ist Parallel-Glotzen gefragt: Ein Spiel im TV, das andere auf dem Laptop. Zum Glück ist der Mensch mit zwei Augen ausgestattet worden. Die beiden Ohren habe ich am Sonntag aber lieber beim Springsteen-Konzert im Berliner Olympiastadion aufgestellt. Viel versäumt habe ich im Fernsehen aber wohl nicht. Die Schweiz rettete ihre Haut gegen stürmische Franzosen, die (siehe meine letzte Vorhersage!) diesmal nicht das Glück des späten Tores hatten, aber - mal abgesehen vom fehlenden Torerfolg - offensiv wie defensiv wohl eine gute Leistung boten. Zum Gruppensieg hat es auch so gereicht. Chancen auf ein Weiterkommen aus Gruppe A haben nun sogar die Albaner. Kleines Land - großer Einsatz, mit dieser Formel wurde das erste EM-Tor geschossen und jetzt heißt es abwarten, wie es weiter geht.

Am gestrigen Montag kämpften beide britische Mannschaften aus Gruppe B erfolgreich gegen den Brexit. Die Engländer kriegten den Ball jedoch einfach nicht über die Linie, immer war noch irgendein Bein oder Kopf der Slowaken dazwischen. Man kann jetzt sagen, dass die Limies einfach Pech hatten, aber vielleicht ist die englische Art zu kicken einfach zu eindimensional gestrickt. Immer schnell nach vorn wie in der Premier League - darauf können sich die Gegner irgendwann einstellen. Solange keine neuen Ideen mit etwas mehr taktischer Rafinesse in den englischen Fußball eingebracht werden, sind die Three Lions zu ausrechenbar für den großen Erfolg. Aber jetzt kommt ja Guardiola...

Wales bleibt eine erfreuliche Überraschung dieser EM, nicht nur wegen der grandiosen Fangesänge. Mit den bescheidenen Mitteln der meisten walisischen Kicker sowie mit einem Star (Ramsey) und einem Weltstar (Bale) wurde ein Paket geschnürt, das (fast) maximalen Erfolg ermöglicht (maximal wäre ein Sieg gegen England gewesen:-). Konterfußball fast wie die Belgier, damit kann man Altherrenteams wie die Russen in Einzelteile zerlegen, wenn diese nicht als Team auftreten. Aber bei der Sbornaja lief meistens nur der Ballführende, einige Mitspieler guckten zu und der Rest guckte weg. Wie wollen die bloß ihre Heim-WM bestreiten? Jürgen Klinsmann, übernehmen Sie!

Im Tippspiel sind mir bei der Auswertung zwei peinliche Fehler unterlaufen. Zum einen hatte ich gestern abend die beiden Gruppenersten Wales und England nicht korrekt in mein Auswerte-Spreadsheet eingetragen (Tippfehler), so dass keine Punkte für diese Achtelfinalisten vergeben wurden. Das habe ich erst heute morgen korrigieren können. Zum anderen wies mich Stefan B. darauf hin, dass ich für den korrekt getippten Ausführenden des ersten Anstoßes offenbar 3 Punkte vergeben habe (statt nur einen, wie vorgesehen). Das korrigiere ich gleich zuhause beim Anschauen der nächsten Spiele. Auf jeden Fall hat Jochen seinen komfortablen Vorsprung eingebüßt und streitet sich nun mit Tanja um Platz 1. Auch die Verfolger rücken näher, es bleibt spannend.

Jetzt muss ich schnell nach Hause, TV und Laptop rufen "Je t'EM!"
Robert



Statistik mit der Tistić (Teil 4)


Madame Rasta erklärt die Copa América Centenario 2016

Dobro veče (Guten Abend) liebe Freunde von traumhaften Fußballspielen,

die Idee für diesen kleinen nicht geplanten Exkurs außerhalb der EM hatte ich heute Morgen gegen fünf Uhr. Was macht ein normaler Mensch um diese Zeit? Schlafen. Und was macht ein unnormaler Mensch mit rückenverletzungsbedingter seniler Bettflucht? Er schmeißt sich ein paar Schmerzmittel ein (Voltaren, Diclofenac, Tramadol und Dexamethason – also die normale Tagesration für einen durchschnittlichen russischen Leichtathleten) und setzt sich vor den Fernseher. Und da lief heute früh ab vier auf SAT 1 das letzte Viertelfinalspiel der Copa América zwischen Mexiko und Chile.

Das klingt zunächst nicht sehr außergewöhnlich. Aber was sich dort am frühen Abend des Vortages (9 Stunden rückwärtige Zeitverschiebung) in Santa Clara (USA, CA) vor rund 70.000 Besuchern (davon ca. 60.000 Mexikaner) in den neunzig Minuten abspielte, wird in die Fußballhistorie eingehen. Kurz zur Ausgangslage: Mexiko war seit 22 Spielen ungeschlagen und hatte mit lautstarker Unterstützung von zigtausend Einwanderern gewissermaßen ein Heimspiel. Chile gewann zwar die Copa im vergangenen Jahr zum ersten Mal. Das war aber zu Hause vor eigenem Publikum und in der bisherigen Vorrunde in den USA konnte man noch nicht so richtig überzeugen (u. a. 1:2 gegen Argentinien). Aber dann entwickelte sich nach gut einer halben Stunde ein echtes Fußballspektakel. Chile ging mit 1:0 verdient in Führung und legte kurz vor der Pause noch einen Treffer nach. In der zweiten Halbzeit steigerte sich die chilenische Mannschaft bis an die Grenze zur Perfektion: Durchgehendes Pressing und ständige Balleroberung in allen drei Mannschaftsteilen; höchstes Tempo im Umschaltspiel; wuchtige Angriffe überwiegend über die Flügel; von dort aber keine sinnlosen Flanken in den Strafraum, sondern bewegliches Flachpassspiel unter ständigem Positionswechsel der Stürmer, Mittelfeldspieler oder der nachrückenden Verteidiger. Hinzu kamen eine hohe Effektivität im Abschluss und eine absolute Torgeilheit bis zum Schluss. Am Ende hatten die Chilenen noch einmal fünf Tore zum Endstand von 7:0 draufgepackt. Es hätte aber auch gut und gerne 12:0 ausgehen können. Dabei hatten die Mexikaner noch nicht einmal richtig schlecht gespielt und Torwart Ochoa konnte viele Bälle entschärfen. Man war aber schlichtweg chancenlos gegen diese High-Speed-Bulldozer-Taktik der Südamerikaner. Es fiel mir nur ein Vergleich ein. Ich meine das Spiel vom 8. Juli 2014 in Belo Horizonte, das sich sowohl brasilianischen wie deutschen Fußballfans tief ins Herz eingebrannt haben dürfte. Aber in der Spielweise gibt es einen großen Unterschied. Ich verwende hierfür einmal einen Vergleich aus dem Fechtsport. Die deutsche Mannschaft agierte wie ein eleganter Florettkämpfer, der sich seinen Gegner zurechtstellt, sehr variabel und fast tänzerisch einen Wirkungstreffer nach dem anderen setzt und am Ende folgte der Stich tief ins (Fußball-)Herz der Brasilianer. Die Protagonisten in der Offensive waren ein fantastischer Toni Kroos (damals noch Bayern München) sowie Thomas Müller (Bayern München) und Miro Klose (Lazio Rom), unterstützt von allen weiteren acht Mitspielern, die damals sämtlich auf höchstem Niveau operierten. Die chilenische Mannschaft agierte dagegen eher wie ein Säbelkämpfer, der mit enormer Wucht und höchstem Tempo sukzessive Hackfleich aus seinem Gegner macht. Ich muss es leider so martialisch ausdrücken. Protagonisten in der Offensive waren ein fantastischer Arturo Vidal (Bayern München), der vierfache Torschütze Eduardo Vargas (TSG 1899 Hoffenheim) und Alexis Sanchez (Arsenal London). Und natürlich waren auch die anderen acht Kollegen auf Top-Niveau. Diese sorgten in jedem Fall für das beste Fußballspiel auf Länderebene seit zwei Jahren. Dieses Spiel sollte man jeder ambitionierten Mannschaft der laufenden EM als Lehr-DVD zur Verfügung stellen. Vielleicht fallen ja dann ein paar Tore mehr.

Um die historische Dimension darzulegen: Es war die Einstellung des höchsten Länderspielsiegs Chiles (es gab früher zweimal ebenfalls ein 7:0 gegen Venezuela und Armenien). Und für Mexiko war es die zweithöchste Niederlage überhaupt (in den frühen sechziger Jahren verlor man einmal 0:8 gegen England). Klar ist, dass Chile am gestrigen Abend gegen jede Mannschaft der Welt vermutlich ähnlich klar gewonnen hätte. Ich bin sicher, dass auch Spanien, Frankreich oder Deutschland sehr alt ausgesehen hätten. Aber Fußball ist und bleibt nun einmal Tagesgeschäft. Am kommenden Donnerstag um zwei Uhr nachts MEZ geht es ohne den Gelbgesperrten Vidal gegen Kolumbien, die einen ähnlichen Stil bevorzugen. Da kann es schon ganz anders aussehen. Der Sieger spielt dann im Finale am  Montag in acht Tagen ebenfalls um zwei Uhr nachts gegen den Sieger aus USA/Argentinien. Bei einem Finalsieg würde Argentinien seine Führung in der aktuellen FIFA-Weltrangliste vermutlich auf Monate zementieren. Alle Spiele werden live bei SAT 1 übertragen. Wer tempo-, trick- und torreichen Fußball erleben möchte, dem möchte ich diese späte Fußballzusatzkost wirklich ans Herz legen. Es zeigt sich, dass man manchmal auch über den eigenen Tellerrand bzw. den großen Teich schauen sollte. Mit einigen süd-, mittel- und nordamerikanischen Mannschaften (USA) wird auch bei der WM 2018 schwer zu rechnen sein. Übrigens ist Brasilien als Gruppendritter der Copa schon zu Hause und hat zudem Trainer Dunga geschasst. Auch in der WM-Quali stehen sie derzeit auf einem Platz, der noch nicht einmal zum Entscheidungsspiel gegen den Asien/Ozeanien-Vertreter berechtigen würde. Brasilien heult anscheinend noch immer in den Cola-Becher, wie dieser kleine bebrillte Fan damals bei der WM 2014. Traurig!

Noch eine kurze Ergänzung zur Copa América: Der diesjährige Kontinentalmeister wird schon am 27. Juni ermittelt. Diesen schönen Pokal gibt es übrigens schon sage und schreibe seit 1916. In diesem Jahr feiert man das hundertjährige Bestehen mit der 45. Meisterschaft, daher der Zusatz Centenario. Normalerweise handelt es sich um ein reines Länderturnier des südamerikanischen Fußballverbandes (CONMEBOL). Aber schon in der Vergangenheit wurden teilweise Mannschaften aus Mittel- und Nordamerika (CONCACAF) eingeladen. In diesem Jahr standen in dem 16-Mannschaften-Feld insgesamt sechs Teams des CONCACAF-Verbandes und zehn Teams des CONMEBOL-Verbandes. Um sich die historische Dimension dieses Wettbewerbes einmal vorzustellen: Im Jahre 1916 lag die halbe europäische Jugend zeitgleich in matschigen Schützengräben an der West- und Ostfront, um sich gegenseitig zu massakrieren – sehr unschön! Bis zur Austragung der allerersten Fußball-EM im Jahre 1960 gab es bereits 27 Turniere um die Copa América. Trotz mangelnder Tradition besitzt die EURO mittlerweile aber einen sehr viel höheren (finanziellen und medialen) Stellenwert als das südamerikanische Vorbild. Aber es zeigt sich – manchmal wird jenseits des großen Teiches zumindest auf Länderebene sogar besserer Fußball gezeigt als aktuell in Europa. Das geringere Starterfeld (16 gegenüber 24) mag eine Rolle spielen und zudem gibt es in der K.o.-Phase keine Verlängerung mehr, es folgt direkt das Penalty-Shoot-Out. Das bedeutet für die Spielweise, dass sich alle Mannschaften schon in der regulären Spielzeit bis zur Erschöpfung auspowern können und keine körperlichen Reserven mehr benötigen. Dadurch ist das Tempo sehr auffällig wesentlich höher als bei der jetzigen EURO. Aber dem einen oder anderen mag das vielleicht schon zu schnell gehen – in jedem Fall gestern Abend den bemitleidungswürdigen Mexikanern.

Abschließend noch ein kurzes Wort zu meiner lästigen Verletzung. Lothar Matthäus war schuld! Der rief mich letzten Samstag ganz aufgeregt an. Er hätte keinen Bock mehr auf diese Sky-Expertenscheiße, wo man in unbequemen blauen Sky-Anzügen hinter großen Sky-Promo-Tresen in der Eiseskälte auf dem nackten Rasen neben ehemaligen Fußballerkollegen oder Trainern sitzen muss, die man noch nie ausstehen konnte. Das schlägt ihm schwer aufs Gemüt. Aber seine Frau (Mirjana oder Ivana oder wie heißt die Aktuelle eigentlich?) braucht nun einmal die Kohle für ihre ausgedehnten Shopping-Touren nach Paris, London und New York. Lothar will aber nochmal in der Bundesliga als Trainer angreifen. Das geht mit dieser Frau natürlich so nicht. Also hat er sich ‘ne Neue bei mir bestellt. Die soll aber natürlich ganz anders sein als alle Vorgängerinnen, aber gerne auch höchstens Mitte zwanzig, mit perfektem Körper und brünetten langen Haaren. Da hat er mir wieder mal ein Ei ins Nest gelegt. Irgendwann ist auch in meiner wirklich nicht sehr kleinen Kartei irgendwann einmal Ebbe. Zunächst musste ich aber natürlich schauen, wen er in den letzten zwanzig Jahren schon alles an Weiblichkeit so durch hatte. Ich kann ihm ja schlecht mit einer bereits Verflossenen ankommen – wäre für mich ziemlich peinlich. Vielleicht hätte er es aber auch gar nicht gemerkt. Brust-OPs und gefärbte Haare wirken ja Wunder. Trotzdem bin ich in den Archivkeller gestiegen und habe mir alle sechzehn Lothar-Akten auf den Arm gestapelt. Oben beim Ablegen der dicken Ordner ist es dann bei einer blöden Drehbewegung irgendwie passiert. Nun heißt die große Frage: Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall. Morgen geht es in die Röhre zur MRT-Untersuchung. Derzeit mache ich auf Anraten meines Orthopäden zur Mobilisierung Aqua-Training im Neopren-Anzug und mit doppelter Poolnoodle im Arm in einer Badeanstalt an der serbischen Adriaküste. Sieht alles ziemlich bescheuert aus. Aber das ist dem Lothar ja wahrscheinlich piepegal. Dem werde ich aber eine gesalzene Rechnung schreiben, wenn ich endlich mal wieder das passende Mädel irgendwo aus den Tiefen des Balkans für ihn ausgegraben habe. Drückt mir bitte die Daumen dafür.

Laku noć (Gute Nacht) und bis demnächst

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.



Statistik mit der Tistić (Teil 3)

Madame Rasta erklärt den dritten Gruppenspieltag der EM 2016 


Zdravo (hallo) liebe Freunde der funktionierenden Abseitsfalle,

fast zwei Drittel der Vorrundenspiele liegen nun hinter uns. Im anstehenden Gruppenfinale kämpfen ab morgen 24 Mannschaften um die 16 Achtelfinalplätze. Nur acht Teams müssen nach den letzten 12 Spielen die Heimreise antreten. Das ist wahrlich kein Vergnügen mit Blick auf die zu erwartenden Streiks auf Flug- und Bahnhöfen sowie dem anhaltenden Spritmangel an französischen Tankstellen. Als Alternativen bieten sich nur das Fahrrad oder der Seeweg an. Da sollte man denn doch vielleicht lieber in Frankreich bleiben und das Streikende in zwei bis drei Monaten in Ruhe im Bistro bei ein paar Gläschen Pastis abwarten.

Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Ich hatte euch beim letzten Mal meine Auswahl der schönsten bzw. erotischsten EM-Kicker vorgestellt. Heute präsentiere ich jene, die von Mutter Natur vermutlich irgendwie schon vor oder während der Geburt böse von hinten umgegrätscht wurden. Vielleicht waren auch bloß ungünstige Gene oder der Klimawandel schuld. Unter vorheriger Inanspruchnahme meiner professionellen Partnervermittlung wäre das sicherlich vermeidbar gewesen. Denn die Babys hübscher Balkan-Mädels sind nur in absoluten Ausnahmefällen vollkommen hässlich, egal welches männliche Wesen sich vorher biologisch bemüht hat. Das hat wohl auch Bastian Schweinsteiger realisiert und sich die hübsche Ana Ivanovic geangelt. Nach der EM wird nun endlich geheiratet und die Familienplanung in Angriff genommen. Das hätte auch die angenehme Nebenwirkung, dass der Basti endlich seinen furchtbaren Nachnamen ablegen könnte. Als Bastian Ivanov wäre er nach seinem Rauswurf aus Manchester auf diese Weise problemlos in der Lage, als serbischer Volksheld noch mindestens zehn Jahre bei Roter Stern Belgrad zu kicken. Die Erfahrung lehrt uns also, dass selbst optisch mehr oder weniger verkorkste Kreaturen bisweilen sauber geben den Ball treten oder sogar zum Weltstar aufsteigen können. Leider musste ich diesmal auch einige Kollegen vom geliebten Balkan bzw. mit balkanesischen Wurzeln nominieren. Izvenite (Entschuldigung) – aber hässlich ist und bleibt eben hässlich. Übrigens: Franck Ribery und Kevin Großkreutz fehlen diesmal im Kader der Franzosen und Deutschen, sonst wäre beiden ein Ehrenplatz in meiner nachfolgenden Obskuritäten-Selektion absolut sicher gewesen.

Tor: Gábor Király (Ungarn) – alleine schon wegen seiner mausgrauen Schlabberhose, die er vermutlich bereits im Ersten Weltkrieg in der damaligen K.u.K-Armee getragen hat – wie alt mag dieser Methusalem in Wirklichkeit sein?
Abwehr: Luke Chadwick (England), Razvan Rat (Rümänien), Ansi Agolli (Albanien)
Mittelfeld und Angriff: Marek Hamsik (Slowakei) – dieser Kerl ist wirklich mega-hässlich), Luka Modrić (Kroatien), Zlatan Ibrahimović (Schweden) – ein muskulöser und vollflächig tapezierter Körper ist eben nicht alles, Wayne Rooney, Jamie Vardy (beide England), Thomas Müller (Deutschland) – auch wenn der Gaudi-Busch sonst ganz nett ist, Gareth Bale (Wales)
Trainer: Leonid Sludski (Russland) – Mann, hat der einen dicken Medizinballschädel!

Gruppe A
Schweiz (25) – Frankreich (3) am 19. Juni:
Beim letzten Pflichtspiel gegeneinander (WM 2014) wurden die Eidgenossen mit 5:2 (4:0 zur Halbzeit) ziemlich böse zerzaust. Mein mathematisches Gefühl sagt mir, dass es die Franzosen diesmal etwas gnädiger gestalten werden. Sie sind ja zumindest trikotmäßig bei diesem Spiel auch das Auswärtsteam. Und als gefühlter Gast hat man sich schließlich zu benehmen. Nach ihrem zweiten Last-Minute-Sieg in Folge haben die Franzosen zum elften Mal den Einzug in die Runde der besten 16 Mannschaften klar gemacht und stehen kurz vor dem Gruppensieg. Für die Schweizer wäre es dagegen erst das vierte Mal. Mit bisher vier erspielten Punkten sollte das zumindest als einer der exponierten  Gruppendritten möglich sein. Mehr ist bei diesem Spiel für die Gebrüder Tell allerdings nicht drin.  Mein Tipp: 0:2

Rumänien (17) – Albanien (30) am 19. Juni:
Wer nicht frei von Vorurteilen gegen Menschen aus südosteuropäischen Ländern ist, der könnte diese Partie unter das Motto „Hütchenspieler gegen Diebstahlprofis“ stellen. Als echtes Mädel vom Balkan muss ich dieses rassistische wie gleichfalls chauvinistische Gedankengut in aller Form zurückweisen. Trotzdem dürfte diese Partie mit Sicherheit unter genauer Beobachtung der Polizei stehen. Wenn nicht der Spielball vorher verschwindet oder geklaut wird, könnten das muntere neunzig Minuten werden. Die Rumänen würden mit einem Sieg zum siebten Mal der Einzug in die Runde der besten 16 klarmachen. Für die Albaner geht es jetzt vermutlich nur noch um die Ehre. Aber dafür werden sie sich genauso zerreißen wie bei ihrem tapferen Auftritt gegen die Franzosen. Vielleicht klappt es ja diesmal sogar mit dem Toreschießen. Mein Tipp: 2:2

Gruppe B
Slowakei (34) – England (13) am 20. Juni
Mit dem überraschenden allerersten Sieg bei einer EM im Rücken könnten sich die Slowaken bei einem erneuten Punktgewinn sogar für die Runde der besten 16 qualifizieren. Das wird aber nicht passieren. Denn die Engländer werden sich mit nach dem knappen Sieg gegen den kleinen Bruder aus Wales auch diesmal sicher durchsetzen und dasselbe Zwischenziel immerhin zum zehnten Mal in ihrer EM-Geschichte erreichen. Mein Tipp: 0:2

Russland (4) – Wales (23) am 20. Juni
Was ist der Unterschied zwischen Russland und meinem Ex-Lover Uli Hoeneß? Ganz einfach: Die Russen sind diesmal mit (UEFA-)Bewährung davongekommen. Dabei hatten Putin und Mutko doch nur ihre muskelbepackten und hirnbefreiten Spezialkräfte nach Frankreich entsendet, um vermeintliche IS-Terroristen sicher zu vergrämen. Leider hat die gute Tat der beiden bisher niemand außerhalb Russlands so recht verstanden. Jetzt steht man aber sportlich nach nur einem Punktgewinn mit dem Rücken zur Wand. Die Mannschaft auf dem Platz hat sich bisher als deutlich weniger schlagkräftig erwiesen als deren Prügelfans innerhalb und außerhalb der Stadien. Nun muss im letzten Spiel der erste Dreier eingefahren werden, um zum zwölften Mal den Einzug in die Runde der besten 16 zu schaffen. Ansonsten winkt die Heimreise mit anschließendem Straflager am nördlichen Polarkreis. Für die Waliser würde es erst das zweite Mal in ihrer EM-Geschichte fürs Weiterkommen reichen. Und das werden sie mit einem Unentschieden auch schaffen. Ein drittes Freistoßtor von Bale sollte auch diesmal im Bereich des Möglichen liegen. Die Russen müssen sich im Hinblick auf die kommende Heim-WM in zwei Jahren dringend was einfallen lassen und den qualitativ dürftigen Kader schleunigst mit weiteren Einbürgerungen (siehe Neustädter) auffrischen. Wie wär’s mit Ailton, Thorsten Legat oder Boris Zivkovic? Leider spielt Moskaus Dauergast Edward Snowden keinen Fußball. Aber vielleicht könnte der ja mit freundlicher Unterstützung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und dem einen oder anderen Whistleblower zumindest die gegnerischen Mannschaften ausspähen. Außerdem gibt es doch diese wunderbaren Mittelchen aus der russischen Spezialapotheke. Mit derart vereinten Kräften könnte das nochmal was werden mit der wundersamen Sbornaja. Mein Tipp: 1:1

Gruppe C
Ukraine (29) – Polen (26) am 21. Juni
Beim Nachbarschaftsduell der beiden Gastgeber der letzten EM 2012 werden die Polen den vierten Einzug in die Runde der besten 16 Mannschaften klarmachen. Die Ukraine wird bestrebt sein, sich mit einem anständigen Spiel aus dem Turnier zu verabschieden. Mehr wird trotz ihrer durchaus talentierten beiden Flügelflitzer der Baureihe Blochin aber nicht drin sein. Mein Tipp: 0:1

Nordirland (30) – Deutschland (1) am 21. Juni
Offiziell ist das ein Auswärtsspiel für die Deutschen. Ob sie daher erstmals ihre neuen mausgrauen Zweittrikots zur Aufführung bringen? Auch „Jogi“ Löw wird  diesmal mit optimierter Ausstattung auflaufen, allerdings nicht ganz freiwillig. Nach dem unappetitlichen Zwischenfall während des Ukraine-Spiels werden ihm auf Anweisung des neuen DFB-Präsidenten seine beiden Hosentaschen zugenäht und der Gürtel um drei Löcher enger geschnallt. Durch diese spezielle Form des Packings sollen weitere Handgreiflichkeiten in der Coaching-Zone verhindert werden. Jetzt muss der Bundestrainer aufgrund des zu erwartenden Kick & Rush der Nordiren allenfalls bei hoch umherfliegenden Bällen einen steifen Hals befürchten. Den kann er sich dann ja in der Halbzeitpause von der medizinischen Abteilung völlig unverfänglich und abseits der Fernsehkameras wegmassieren lassen. Oli Kahn und Poldi haben es zeitlich versetzt, aber irgendwie doch gemeinsam auf den Punkt gebracht: „Eier, wir brauchen Eier – und an denen kraulen sich regelmäßig achtzig Prozent der männlichen Bevölkerung.“ Aber was machen bloß die anderen zwanzig Prozent? Ansonsten sollte man dieses unhygienische Thema nicht weiter hochsterilisieren. Die Nordiren sind bekanntlich erstmals bei einer EM-Endrunde dabei und waren letztmals bei der WM 1958 (2:2) Turnier-Gegner einer deutschen Mannschaft. Für sie wäre es zum zweiten Mal der Einzug in die Runde der besten 16 Mannschaften, für die Deutschen bereits das zwölfte Mal. Bezogen auf mein EM-Ranking sind 29 Plätze die zweithöchste Differenz in der gesamten Gruppenphase. Das wird sich sicherlich im Ergebnis niederschlagen oder sind die Nordiren besser als die Brasilianer? Natürlich wäre im dritten Spiel eine gewisse Steigerung bei den offensiven Bemühungen von Nöten, um den Gruppensieg in trockene Tücher zu wickeln. Es muss ja nicht immer dieser pausbäckige ehemalige WM-Held Götze mit seinen traurigen Kulleraugen sein. Er wäre aktuell die Idealbesetzung einer Neuverfilmung von „Hänsel und Gretel“. Und der Müller bekommt es vielleicht sogar erstmals hin, seine langen dünnen Beine derart auseinander zu sortieren, dass der eine oder andere gefährliche Torschuss dabei herauskommt. Zudem wäre es hilfreich, wenn Löw seinen Spielern glaubhaft versichern könnte, dass auf der jeweils rechten vorderen Seite des Platzes keine scharfen Landminen unter dem Rasen vergraben sind. Es besteht also in dieser Philipp-Lahm-Gedächtniszone keinerlei akute Lebensgefahr, weder für Höwedes noch für andere mutige Spieler, die vielleicht sogar in der Lage wären, mit dem rechten Fuß eine Flanke unfallfrei in den Strafraum zu schlagen.  Mein Tipp: 1:7

Gruppe D
Kroatien (18) – Spanien (2) am 21. Juni
Die Kroaten hatten eigentlich schon sechs Punkte im Sack und sind letztlich an sich selbst und vor allem ihren eigenen Fans gescheitert. Diese haben anscheinend immer noch nicht mitbekommen, dass der Balkankrieg schon seit über zehn Jahren vorbei ist. Jetzt sind es nur vier Punkte. Trotzdem können sie realistisch zum fünften Mal den Einzug in die Runde der besten 16 schaffen und spielen gegen die Spanier sogar rein theoretisch noch um den Gruppensieg. Der Titelverteidiger steht sicher im Achtelfinale und zudem zum sage und schreibe dreizehnten Mal unter den besten 16 in Europa. Das ist absoluter EM-Rekord. Mein Tipp: 1:3

Tschechien (6) – Türkei (16) am 21. Juni
Die Tschechen waren gegen die Kroaten eine Viertelstunde vor Schluss bereits klinisch tot und wurden auf wunderbare Weise von hirnbefreiten kroatischen Fans vermutlich ungewollt (aber wer weiß das schon) reanimiert. Mit einem Sieg gegen die Türken könnten man jetzt zum neunten Mal den Einzug in die Runde der besten 16 Mannschaften klar machen. Für die Türken geht es nur noch um den goldenen Döner. Das war bisher eindeutig zu wenig für die EU-Mitgliedschaft. Aber vielleicht reicht es zumindest noch zu einem Achtungserfolg im Abschlussspiel. Mein Tipp: 1:1

Gruppe E
Italien (5) – Irland (19) am 22. Juni
Mit dem zweiten Sieg sind die Italiener kurz vor dem Erreichen des Rentenalters schnörkel- und schmucklos zum elften Mal in die Runde der besten 16 Mannschaften eingezogen. Als Zugabe winkt nun sogar noch der Gruppensieg im letzten Gruppenspiel gegen die lustigen Iren. Das sollte doch wohl machbar sein. Mein Tipp: 2:1

Schweden (15) – Belgien (12) am 22. Juni
Die Schweden haben so gut wie fertig und mein Freund Zlatan kann sich im Sommer endlich um einen neuen Club sowie um weitere Tattoos an entlegenen Stellen seines imposanten Körpers kümmern. Die Belgier können dagegen zum sechsten Mal die Runde der besten 16 erreichen. Vielleicht mausern sie sich nach ihrem kapitalen Fehlstart doch noch vom Scheinfavoriten zur echten EM-Größe. Mein Tipp: 1:3

Gruppe F
Ungarn (14) – Portugal (11) am 22. Juni
Für die bisher überraschend erfolgreichen Ungarn wäre es zum fünften Mal der Einzug in die Runde der besten 16 Mannschaften. Das letzte Mal glückte ihnen das vor sage und schreibe 44 Jahren. Da kickte Gábor Király nach meiner Erinnerung noch gemeinsam mit Ferenc Puzkás für Haladás Szombathely irgendwo am Ufer des Plattensees. Es bleibt abzuwarten, ob sich CR7 nach diesem Spiel herablässt, sein kostbares Trikot mit einem der schnöden Gegenspieler zu tauschen. Zu gerne möchte ich den Schönling in der grauen Schlabberhose unseres ungarischen Kult-Torwarts sehen. Mein Tipp: 0:2

Island (34) – Österreich (21) am 22. Juni
Die Ösis haben schon einmal sensationell gegen ein kleines Inselvolk aus dem hohen Norden (Färöer) verloren. Das sollte diesmal tunlichst vermieden werden. Aber solange die Alpenrepublik Typen wie diesen Marko Arnautović (leider auch vom Balkan) auflaufen lässt, ist grundsätzlich alles möglich. Der hat vor vielen Jahren einmal sein nicht sehr ausgeprägtes Gehirn aus Versehen im Kindergarten vergessen und es anschließend aus Trotz einfach nicht mehr abgeholt. Dort liegt es vermutlich immer noch luftgetrocknet und auf Erbsengröße geschrumpft in irgendeiner Sandkiste. Aber nach eigenen Angaben fühlt sich der Marko  trotz des dadurch entstandenen Vakuums unterm Pony voll gut. Es ist ihm mittlerweile auch völlig egal, dass offensichtlich jede der vier Eckfahnen im Stadion einen deutlich höheren IQ aufweist. Warum ich das erzähle? Seit fünf Jahren versuche ich diesem Vollpfosten irgendwie ein passend dämliches Mädel aus der Tiefe des Balkans zu vermitteln. Es ist mir bisher einfach nicht gelungen. Dieser Typ ist schlichtweg sogar zu hohl für die hiesige Damenwelt, selbst für ausgemachte Landeier und Frisösinnen. Aber es gibt ja für den armen Burschen immer noch die Playstation und FIFA 17. Diese wunderbaren Wikinger (Sind die wohl alle mit ihren Drachenbooten nach Frankreich gerudert?) von der Vulkaninsel sind ja bekanntlich zum allerersten Mal bei einer EM dabei. Angeblich sind zehn Prozent der Inseleinwohner mit nach Frankreich gereist. Da bin ich mal auf die Diebstahlquote in und um Reykjavik gespannt. Es sollen in diesem Sommer übrigens besonders viele Albaner als vermeintliche Urlauber im hohen Norden gesichtet worden sein. Und das ist kein Vorurteil sondern eine statistisch verifizierte Tatsache. Mein Tipp: 0:2

Abschließend erlaube ich mir noch einen kurzen Ausblick aufs Achtelfinale aus deutscher Sicht. Der Gruppensieg gelingt vermutlich nur über einen (möglichst hohen) Sieg über Nordirland. Dann würde im Achtelfinale ggf. die Schweiz oder Rumänien warten. Anschließend ginge es mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Italien. Und dann wäre das Turnier normaler Weise zu Ende. In acht vorherigen Begegnungen bei Großturnieren (WM oder EM) hat Deutschland noch nie gegen die Italiener gewonnen. Als Gruppenzweiter träfe man im Achtelfinale vermutlich auf Belgien und dann anschließend auf Spanien. Gegen die hat Deutschland zum letzten Mal vor 28 Jahren bei der EM 1988 gewonnen. Das sähe also auch nicht so richtig rosig aus. Als Gruppendritter träfe man im Achtelfinale entweder auf Frankreich oder England. Anschließend ginge es entweder gegen den Sieger aus Wales/Ungarn oder den Sieger aus Belgien/Portugal. Wenn ich der deutschen Mannschaft einen Tipp gegen dürfte: Verliert bitte gegen Nordirland, werdet damit Gruppendritter, gewinnt im Achtelfinale gegen England im Elfmeterschießen und schlagt anschließend wie immer in den letzten Jahren (WM 2006, EM 2008, WM 2012 und WM 2014) Portugal. Das wäre der einfachste Weg ins Halbfinale.
Das war der dritte Gruppenspieltag in meiner Vorschau.

Dovidenja (auf Wiedersehen) und bis zum nächsten Mal

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


EM-Kommentar vom 18.06.2016

Bonjour EM,

die zweite Runde läuft, einige Mannschaften wollen den guten Eindruck des ersten Spiels bestätigen und für andere wird es schon eng, weil es im ersten Versuch schief ging. Zu letzteren gehörten die Slowaken, eine eigentlich nicht sehr hoch eingeschätzte Mannschaft. Aber gegen immer noch wenig inspirierte Russen reichten einige kurze geniale Momente. Der erste war ein sehenswerter Steilpass von Hamsik auf Weiss (9 Packing-Punkte), der zwei Russen wie dumme Schuljungen ins Leere laufen ließ und trocken ins lange Eck vollendete. Der zweite eine kurz ausgeführte Ecke von Weiss, die russische Abwehr zeigt sich desinteressiert, ein Verteidiger zieht sich nocht mal die Stutzen hoh, da hämmert Hamsik die Kugel eben mal an den langen Innenpfosten. Ein schönes Kopfballtor von Glushakov reichte nicht mehr für die Sbornaja, jetzt ist Russland in Not. Geheimpläne machten bereits die Runde, Putin höchstpersönlich wolle sich zum letzten Gruppenspiel gegen Wales einfliegen lassen und sein Team ins Achtelfinale schießen. Das Ganze soll nicht an der fehlenden Nominierung für das russische Aufgebot gescheitert sein (das ließe sich mit einer entsprechenden Zahlung auf ein Geheimkonto der UEFA sicher noch nachträglich regeln), sondern an Putins Weigerung, zum Spiel ein Trikot überzustreifen. Ungeheuer wie den walisischen Drachen bezwingt er stets hoch zu Ross, mit blankem Oberkörper und bloßen Händen. Schade.

Das Spiel der Eidgenossen gegen die Muränen bescherte uns ein Déjà-vu der ersten Runde: Den Schweizern fehlt ein Knipser (solche Chancen wie Seferovic sie hatte, machen Jens und ich auf der Hebbelwiese noch um Mitternacht locker rein, ohne Flutlicht!) und die Muränen haben einen sicheren Elfmeterschützen. Viel mehr muss nicht gesagt werden. 1:1 war ein irgendwie logisches Ergebnis.

Ähnlich mühsam wie das Gekicke der Schweizer war der Versuch der Turniergastgeber, die lauf- und kampfstarken Albaner spielerisch zu bezwingen. Selten habe ich ich ein Spiel mit so vielen schlampig, nachlässig und z.T. richtig dämlich gespielten Pässen wie hier auf Seiten der hoch gewetteten Franzosen gesehen, speziell in der ersten Halbzeit. Hannes wäre die Halsschlagader auf Feuerwehrschlauch-Dicke geschwollen und Borko hätte die Hebbelwiese zum Beben gebracht, angesichts solcher Unzulänglichkeiten. Nach dem Wechsel wurde es besser, aber Trainer Dechamps kann nicht erwarten, dass sein Glück der späten Tore bis zum Finale anhält. Entweder da kommt mal eine deutliche Steigerung oder im Viertelfinale bekommen Le Bleus den Blues.

Und weiter mit den späten Toren: Im Battle of Britain kam das Happy End für weitgehend überlegenen, aber die oft hilflos agierenden Engländer ebenfalls erst kurz vor Schluss. Das Beste waren wieder die Fangesänge. Warum schalten die Öffentlich-Rechtlichen für solche Spiele nicht mal einen Kanal ohne Reportergequassel (hier: Bela Rethy) frei, nur mit Stadionton? Da wären die Gebühren gut angelegt, ohne Zusatzkosten für die Sender!

Der frühe Donnerstagabend servierte uns dann mit Ukraine-Nordirland ein Spiel wie das Wetter in Lyon: Richtig beschissen. Ein Grottenkick im trüben Dauerregen, kurz aufgehellt durch das 1:0 für die Nordirländer auf klassische Art: Freistoß, Kopfball, Tor. das Ganze in strömendem Regen. Warum die Ukrainer auch in der zweiten Hälfte kaum etwas für den Angriff taten und erst zum Spielende hin etwas offensiver wurden, dürfen sie schon Mitte nächster Woche ihren Landsleuten erklären. Dann sind sie nämlich schon zuhause.

Abends dann das zum Schlagerspiel hochsterilisierte Spiel Deutschland-Polen, abgefeiert bei uns zuhause mit polnischen und deutschen Gästen, mit schwarzrotgoldenen Gummibonbons und rotweißer Polenfahne, mit deutschem Bier und polnischer Wildschweinwurst. Auf der Tribüne war also ordentlich was los, auf dem Feld leider weniger, die dicksten Chancen hatte Adam Milik, aber der traute sich wohl nicht, richtig draufzuhalten. Hinterher die üblichen Diskussionen: Wo hakt es im deutschen Spiel? Warum läuft so wenig über rechts? Ist Höwedes der Sündenbock? Ich finde, da macht man es sich zu einfach. Das deutsche Spiel 2016 ist zu asymmetrisch angelegt, fast alles läuft über links, und der eigentlich rechts vorn eingeteilte Müller drängt ständig in die Mitte. Soll Höwedes da etwa auf rechts vorn alles alleine regeln? Wenn dann der Ball verloren ginge, wäre plötzlich rechts alles offen. Nee, nee, Freunde der Taktik, da muss eine bessere Raumaufteilung her, und dafür ist der Bundestrainer zuständig. Herr Löw, übernehmen Sie!

Am Freitagnachmittag vertrödelte jeder die Zeit, der sich das Spiel Willnicht gegen Kannicht anguckte (Italien-Schweden). Der erste gefährliche Ball aufs Tor kam in der 83. Minute (Kopfball von Parolo), was für ein trauriger Kick! Dass die Italiener noch 1:0 gewinnen würden, musste trotzdem jedem Experten klar sein. Solche Spiele verlieren die Spagettis nie. Auf ins Achtelfinale!

Der frühe Abend bescherte die Versöhnung mit dem Fußball: Kroatien lieferte erneut hochwertige Arbeit ab, mit technisch versierter Ballbehandlung, schönen Kombinationen, großer Laufbereitschaft und tollen Tore. Dann musste Modric verletzt raus,  einige Vollidioten unter den kroatischen Fans warfen Pyros aufs Feld, die Kroaten liessen sich verwirren, kassierten den Anschlusstreffer und schließlich noch durch ein dämliches Handspiel das 2:2. Am Ende konnten die Tschechen ihr Glück kaum fassen. Dennoch bleibt Kroatien für mich das Team, das bisher am meisten überzeugt hat. Waren die Gegner zu schwach? Kann sein, aber vermeintlich leichte Gegner hatten auch andere und sie taten sich trotzdem schwer. Das Spiel gegen die Spanier wird hochinteressant.

Der Titelverteidiger von der westlichen Halbinsel Europas schoss am Freitagabend die Kollegen von der östlichen Halbinsel ab. Viel gesehen habe ich davon nicht, im Kieler Schauspielhaus floss beim Alternativprogramm reichlich Blut und Fräulein Julie überlebte den Abend nicht, im Gegensatz zu den türkischen Spielern. Fußball kann ja ein richtig friedliches Spiel sein...

Sonnenschein und Schäfchenwolken am Samstagnachmittag über Kiel, kein Regen in Sicht. Und das soll Kieler-Woche-Wetter sein? Kaum zu glauben! Nach einer sehr netten außerplanmäßigen Präsidiumssitzung in den Mittagsstunden wurde das pflichtgemäße Fußballgucken wieder aufgenommen. Die Belgier ließen sich nicht lumpen und schenkten den armen Irländern drei Dinger ein. Zwei mal lief über die rechte Seite ein Hochgeschwindigkeits-Konterfußball, bei dem die Insulaner nicht mal hinterhergucken konnten, so schnell ging das. Und vor dem 2:0 hatten die Belgier sage und schreibe 29(!) Ballkontakte, ohne dass die Irländer mal gestört hätten. Man kann das Arbeitsverweigerung nennen, aber Hilflosigkeit beschreibt es wohl besser. Belgien ist zurück im Geschäft. Wer diese Mannschaft zum Kontern einlädt, sieht ganz schnell ganz alt aus.

Vor dem Abendessen noch Island-Ungarn, nicht gerade ein fußballerischer Leckerbissen, aber auch kein Langweiler. Kampf statt Kombinationen, Einsatz statt Ästhetik - das beschreibt es wohl ganz gut. Island ging durch einen Elfmeter in Führung - berechtigt oder nicht, darüber diskutierten die Experten in der Halbzeit gefühlte 30 Minuten lang. Meine kurze Antwort: Ja! Und ebenso gerechtfertigt war am Schluss der Ausgleich für die zum Ende deulich bemühteren Ungarn. Olafur und seine sympathischen Inselkollegen hatten ihr Glück wohl schon im Spiel gegen Portugal aufgebraucht.

Abends dann Sportugal gegen Österreich, oder besser: Ronaldo gegen Almer. Der österreichische Torwart entschärfte alles, was auf seinen Kasten kam und hypnotisierte den gegelten Dauerlächler vor dem Elfmeter so effektiv, dass der den Ball an den Pfosten setzte. Sehr schön auch die Versuche Nummer 36 und 37 von Pistolero Ronaldo, bei einer EM oder WM mal ein Tor durch einen direkten Freistoß zu erzielen. Wieder nix -
kläglich! Ein paar gute Szenen hatte der Weltfußballer immerhin, darunter einen schönen Kopfball, den Almer aber ebenfalls halten konnte. Reporter Gerd Gottlob offenbarte seine vollkommene Unkenntnis von Ronaldos Kopfballstärke durch den Kommentar "Sensationelles Timing". Was für ein Schwachsinn! Jeder halbwegs gut informierte Fußballfreund weiß, dass Ronaldo einer der besten Kopfballspieler der Welt ist - sensationell war da also gar nichts. Auch die Abschlussschwäche der Sportugiesen war nicht sonderlich überraschend, das kannten wir schon aus dem Spiel gegen Island. Dennoch wirkten die Österreicher am Ende irgendwie zufriedener. Für sie geht es jetzt gegen Island im vorgezogenen K.o-Spiel um alles. Dörrfisch oder Sachertorte - die Entscheidung fällt am Mittwoch.

Im Tippspiel schien Jochen schier unerreichbar davon zu ziehen. Zeitweise 11 Punkte Vorsprung auf Platz 2 - hier zeigte ein Hebbelkicker dem Rest der Fußballwelt, wo der Sachverstand zuhause ist. Doch in den letzten beiden Spielen lag er jeweils um ein Tor daneben und mögliche weitere 6-7 Punkte gingen verlustig. Tanja konnte sich heranpirschen, liegt nur noch 5 Punkte zurück, hat aber ihrerseits 7 Punkte Vorsprung auf Platz 3. Hinter diesem Spitzenduo tummelt sich ein enges Verfolgerfeld, in das sich inzwischen sogar Weltmeister Boyke gemischt hat. Unten stehen einige, die vielleicht beim Ausfüllen des Tippscheins doch lieber einen Würfel hätten bemühen sollen. Vielleicht eine gute Idee für die Hauptrunde?

Je t'EM!
Robert







EM-Kommentar vom 15.06.2016


Bonjour EM,

die erste Runde ist gespielt, wir haben jetzt alle Mannschaften gesehen. Na ja, das gilt nur, wenn wir tatsächlich alle Spiele weggeguckt haben... Hat das jemand geschafft, ohne eine Minute zu versäumen? Ich bitte um Rückmeldungen.

Am Montag nachmittag versuchten sich die Spanier an den Tschechen. Hin und her lief die Kugel, jeder Quadratzentimeter des Spielfeldes wurde mindestens einmal überrollt, aber ins Tor wollte das Ding einfach nicht rein. Angesichts der Torflaute bei dieser EM scheint es fraglich, ob die amtierenden Europameister mit ihrem ausgeprägten Kombinationsspiel der Marke "Hin-und-her-und-vor-und-zurück" ihren Titel verteidigen können. Vamos, Companeros! Etwas mehr schneller Zug zum Tor könnte nützlich sein. Doch für die Vorrunde reicht vermutlich ein genialer Iniesta.

Das Spiel Irland-Schweden lief an mir vorbei. Hebbelkick geht vor und wenn schon in Frankreich so wenige Tore fallen, müssen sie eben auf der Hebbelwiese geschossen werden. Die ausgedehnte Zusammenfassung im Internet bewies, dass die Irländer inzwischen nicht nur kämpfen, rennen und singen, sondern sogar phasenweise ganz ansehnlich Fußball spielen können. Die wollen wohl tatsächlich ins Achtelfinale. Von der schwedischen "Legende" Ibrahimsson war nicht viel zu sehen, außer bei der Vorlage zum unglücklichen Eigentor der Irländer. Die Hakennase ist wohl kein Turnierspieler, ähnlich wie sein gegeltes Pendant bei den Sportugiesen. So wird das nix mit den Schweden.

Abends dann das erste echte Highlight der EM: Perfekt organisierte Italiener gegen irgendwie ideenlos wirkende Belgier. Und bereits im zehnten Spiel der schönste Pass der gesamten EM: Bonucci aus dem Stand von der Mittellinie über alle Belgier hinweg auf Giaccherini. 10 Packing-Punkte - wer zur Hölle ist Andrea Pirlo? Solange man Spieler mit so viel Ballgefühl wie Bonucci im Aufgebot hat, wird nicht mal der Großmeister des ruhenden Balles vermisst. Man darf die Italiener aber nicht zu früh loben, mitunter folgten auf ein gutes Auftaktspiel ein zweimaliges Komplettversagen. Doch diese Versammlung älterer Herren sollte genug Erfahrung besitzen und sich nicht auf dem ersten Erfolg ausruhen. Für viele in der Mannschaft ist diese EM die letzte Chance ihrer Karriere, mit der Squadra Azzura mal richtig was zu reißen. Wenn sie klug sind, nutzen sie sie. Und Jogi sollte genau hinschauen: Wenn Italien und Deutschland ihre Gruppen und dann auch ihre Achtelfinals gewinnen, dann gibt es ein schnelles Wiedersehen nach dem 4:1 im März. Die Belgier dagegen haben enttäuscht, sie fanden keine Mittel gegen die gut organisierten Spagettis. Nur 2 Schüsse aufs Tor im gesamten Spiel - was war los? Enttäuscht hat mich, dass Wilmots nach der Pause quasi im gleichen erfolglosen System weiterspielen ließ. Anscheinend gab es keinen Plan B. Oder vielleicht doch? Will der Taktikfuchs womöglich nur einem Zusammentreffen mit den Deutschen im Viertelfinale aus dem Weg gehen?

Eineinhalb weitere Favoritensterben gab es dann am Dienstag. Beim Spiel Österreich-Ungarn gegen ... - ähhhh... - fanden die ziemlich hoch gelobten Österreicher ebenfalls keine Mittel gegen einen defensiven Gegner. Die Ungarn zeigten sich deutlich verbessert gegenüber dem letzten Test gegen unsere Adlerträger und nun wird es in dieser Gruppe richtig spannend.

Abends schließlich ging für Olafur ein Traum in Erfüllung: Vor seinen eigenen Augen im Stadion in Saint-Etienne erkämpfte sich das Team seines kleinen Landes einen gar nicht mal unverdienten Punkt gegen hoch favorisierte Sportugiesen, in einem ein Spiel, dessen Verlauf ich (wieder einmal, leider...) völlig falsch eingeschätzt hatte. Die Sportugiesen machten ihre Sache nämlich zuerst wirklich gut, sie spielten viel über die Flügel und zogen so den isländischen Deckungsverbund in die Breite. Damit ergaben sich Lücken für schnelle Angreifer und nach etwas Anlauf fiel ja auch das verdiente 1:0. Jetzt war ich sicher, dass die Iberer das Inselteam in Einzelteile zerlegen würden und hoffte auf zwei weitere Tore (nicht falsch verstehen, das hat nichts mit der Verteilung meiner Sympathien zu tun, mir geht es immer nur um 4 Punkte:-). Aber die die Isländer gaben nie auf, zeigten auch konditionell keine Schwächen und holten schließlich (wenn auch begünstigt durch einen geradezu lächerlichen Stellungsfehler in der Abwehr der Sportugiesen) ihren ersten EM-Punkt. Mehr ging nicht, denn Spezialist Sigthorsson wurde 10 Minuten vor Schluss ausgewechselt. Und Ronaldo? War nur mit Ball aktiv, versteckte sich ansonsten und spielte hinterher die beleidigte Leberwurst, die nicht mal mit dem Gegenspieler das Trikot tauschen wollte. Pfui, das ist eines Weltfußballer unwürdig!

Im Tippspiel gab es tatsächlich Experten, die im Abendspiel den Isländern ein 1:1 zugetraut hatten. Hut ab vor Jochen, der damit deutlich in Führung ging. Aber  das Verfolgerfeld ist noch breit, da wird sich noch einiges tun. Am unteren Ende finden sich ExpertInnen, deren Punkteausbeute noch unterhalb der von ausgewürfelten Zufallstipps liegt. Ziemlich kläglich, aber noch gibt es genug Punkte zu vergeben. Wir hoffen auf weitere schöne und spannende Kicks. Die letzten beiden Abendspiele waren schon mal nicht übel... Je tEM!

Robert



Statistik mit der Tistić (Teil 2)


Madame Rasta erklärt den zweiten Gruppenspieltag der EM 2016


Dobar dan (guten Tag) liebe Freunde des gewässerten Rasens,

nun habe ich mit wissenschaftlichem Blick die ersten zwölf Spiele der EM sehr aufmerksam verfolgt. Mir ist dabei aufgefallen, dass die Trikots diesmal überwiegend modisch-körperbetont daherkommen. Bei einigen Teams (England, Österreich, Portugal und sogar Albanien) wirkt es so, als hätten deren Spieler eine zweite Haut an. Da hinken Germaniens Kicker dem Trend vergleichsweise hinterher. Schon bei der WM 2006 fielen sie mit ihren XXXL-Trikots der Modellreihe „Adidas – alles im Sack“ doch ziemlich deutlich gegen die sexy Puma-Jerseys meiner italienischen Freunde um Gigi-Schätzchen Buffon ab. Alleine aus diesem Grund konnte das damals im Halbfinale nichts werden. Der kleine Lahm trat doch mit seinen Füßchen ständig auf den Saum seines überlangen Sportumhangs und fand sich dann – plumps – jedes Mal flach wie ‘ne Flunder auf dem Rasen wieder. Aber aus Fehlern wird man ja schlau. Diesmal gibt es bei den Deutschen in dieser Hinsicht weniger zu meckern. Aber alleine wegen Thomas Müller musste man in Sachen Körperbetonung natürlich gewisse Abstriche machen. Wenn der nämlich ein hautenges Trikot tragen müsste, wäre doch sofort der Notarzt auf dem Platz. Außer Knochen und Sehnen ist beim Bayern-Schlacks halt unterm Stoff rein gar nix zu entdecken. Furchtbar!

Bei der Farbgebung gibt es wenig Neues berichten. Einige laufen traditionell zweifarbig auf wie die Polen in weiß-rot, die Deutschen in weiß-schwarz, die Italiener in blau-weiß oder die Ösis in rot-weiß. Meine jugoslawischen Ex-Brüder aus Kroatien zeigen sich bekanntlich rot-weiß-kariert. Andere wiederum präferieren, vermutlich aus Kostengründen, eine einzige Farbe wie die Schweiz und Portugal (jeweils rot), Frankreich (blau) oder England (weiß). Letztere wohl aus dem Grund, um zumindest optisch das weiße Ballett vom frisch gebackenen CL-Sieger Real Madrid oder das Doppelweiß das der Weltmeister-Germanen von 2014 ansatzweise zu imitieren. Bei den Auswärtstrikots zeigt man sich dagegen wesentlich experimentierfreudiger. Als geradezu revolutionär wird das der Deutschen zumindest in der Eigenvermarktung angepriesen. Es wurde diesmal als Wendetrikot angeblich direkt für den Einsatz auf Bolzplätzen konzipiert, wäre also genau richtig für Ghettokids oder ambitionierte alte Herren. Dieses Hemd ist ganz in fröhlichem mausgrau gehalten und mit gewebten Querstreifen versehen. Die Ärmel sind grün und neongelb abgesetzt. Wenn man das Shirt nach Gebrauch in Ermangelung einer Waschmaschine auf links dreht, also wendet, leuchtet es plötzlich in neongrün. In der Abenddämmerung havarierte Autofahrer könnten das Teil also im Notfall auch als Rettungsweste verwenden. Wie praktisch!

Aber wichtig ist doch eigentlich nur, was in den schönen oder hässlichen Trikots so alles drinsteckt. Nachfolgend präsentiere ich meine, natürlich völlig subjektive Auswahl für die Wahl zur attraktivsten oder wahlweise erotischsten EM-Elf:

Tor: Gianluigi Buffon (Italien) – wer sonst? Na ja, mit Yann Sommer (Schweiz) steht sein Nachfolger schon in der Warteschleife.
Abwehr: Gerard Piqué, Sergio Ramos (beide Spanien), Mats Hummels (Deutschland), Dejan Lovren (Kroatien), Bruno Alves (Portugal)
Mittelfeld und Angriff: Jack Wilshere (England), Kyle Lafferty (Nordirland), Graziano Pellè (Italien), Mario Gomez (Deutschland), Cristiano Ronaldo (Portugal)
Trainer: Joachim „Jogi“ Löw (Deutschland) – The original Mr. Schwarzkopf himself

Natürlich wird auch noch weiterhin fleißig Fußball gespielt. Es geht in die zweite Gruppenrunde mit dem nächsten Dutzend Spielen.

Gruppe A
Rumänien (17) – Schweiz (25) am 15. Juni
Bei günstigem Verlauf könnten einige Rumänen nach dem Spiel auf ein Bleiberecht in der Schweiz hoffen. Mehr dürfte für die Mannen vom Schwarzen Meer aber nicht drin sein. Hackentricks und Hütchenspiele alleine reichen eben nicht aus, obwohl es auf diese Weise gegen die Franzosen fast zu einem Punktgewinn gelangt hätte. Die Schweizer sollten aber auch im zweiten Spiel das Toreschießen nicht ganz vergessen. Ihre chronische Lethargie bzw. die schweizerische Dynamik wäre ihnen schon im ersten Spiel gegen zehn Albaner fast zum Verhängnis geworden. Mein Tipp: 1:2

Frankreich (3) – Albanien (30) am 15. Juni
Die im ersten Spiel mehr als glückliche Heimelf dürfte sich auch im zweiten Spiel  durchsetzen. Die Franzosen sollten aber diesmal dringend darauf achten, ihre Wertgegenstände in der Kabine diebstahlssicher einzuschließen. Meine Lebenserfahrung sagt mir: Wenn der Albaner an sich schon keine Punkte mitnimmt, dann behilft er sich eben anders. Also Augen auf, sonst sind die teuren Armbanduhren von Pogba & Co. plötzlich futsch! Mein Tipp: 2:0

Gruppe B
Russland (4) – Slowakei (34) am 15. Juni
Beim Eishockey wäre diese Partie sicherlich so eine Art Neoklassiker. Beim Fußball bin ich mir da nicht so sicher. Die Russen schmoren in ihrer „Premjer-Liga“ (Премьер-Лига) doch ziemlich im eigenen Borschtsch. Der Auftaktpunktgewinn gegen England war schließlich mehr als glücklich, obwohl russische Hooligans und Schlägerbanden nach dem Spiel klar die Oberhand behielten. Die diesmal überwiegend als Irokesen (wie früher mal die Türken – scheußlich!) frisierten Slowaken waren nur gut, als sie früher zusammen mit den Tschechen in einem Team kickten. Nach den aktuellen Leistungen müssten sich die Russen normalerweise zu einem knappen Sieg quälen. Aber das würde natürlich nicht mit meiner wissenschaftlich erstellten Statistik korrespondieren. Es spielen schließlich die Nummer 4 gegen die Nummer 34 meines EM-Rankings gegeneinander. Und die fast maximal mögliche Differenz von dreißig Plätzen muss sich doch irgendwie auch im Ergebnis niederschlagen. Mein Tipp: 7:0

England (13) – Wales (23) am 16. Juni
Das britische Bruderduell sorgt für erhöhte Emotionalität nicht nur auf dem Spielfeld. Die westbritische Auswahl mit Spielern aus der zweiten und dritten Liga kämpft gegen die stürmische englische Jugendauswahl der Premier League vermutlich aufopferungsvoll, aber vermutlich leider auf verlorenem Posten. Sie werden das nach dem überraschenden Dreier im ersten Spiel aber vermutlich locker verkraften. Prince Charles wird das Spiel übrigens zusammen mit seiner giftgrün gewandeten Jubiläums-Mutter im TV-Saal des Buckingham Palace schauen. Und nach einem englischen Sieg wird sie ihrem Son of Wales vermutlich mit höhnischem Grinsen mal wieder seine walisischen Segelohren in die Länge ziehen. God save the never ending queen! Mein Tipp: 2:1

Gruppe C
Ukraine (29) – Nordirland (30) am 16. Juni
Mehr als Not gegen Elend ist bei dieser Partie der bisher punktlosen Teams normalerweise nicht zu erwarten. Beide Länder kennen sich allerdings sehr gut in Bürgerkriegen aus. Das lässt, passend zum EM-Ranking, auf ein heftig umkämpftes Unentschieden schließen. Mein Tipp: 1:1

Deutschland (1) – Polen (26) am 16. Juni
Politisch absolut inkorrekt und geradezu bösartig könnte man anmerken, dass sich die Begegnung beider Länder nicht erst seit dem Spätsommer 1939 zu einem echten Klassiker entwickelt hat. Wer erinnert sich nicht an die legendäre Regenschlacht bei der WM 1974 in Frankfurt oder an das Last-Minute-Tor der Speed-Twins Odonkor & Neuville bei der WM 2006 in Dortmund? Bei einer EM gab es letztmals ein 2:0 der Germanen in der Vorrunde 2008. Noch nie haben die Deutschen bei einer EM oder WM gegen die Polen verloren. Das wird auch diesmal so bleiben. Beiden im ersten Spiel siegreichen Teams würde ein Unentschieden fürs Achtelfinale reichen. Nach seinem furiosen Kurzeinsatz mit finalem Abschluss und anschließender Ehrenrunde darf man nun auf weitere Einsatzminuten Schweinsteigers gespannt sein. Reichlich gespannt präsentierte sich allerdings auch dessen Trikot über Brust und Bauch. Dieser Anblick erinnerte doch etwas an den späten Helmut Haller. Anscheinend mundet ihm die Serbische Bohnensuppe meiner Tennis spielenden Landsfrau Ana Ivanovic (steht übrigens nicht in meiner Mädelskartei) mehr als gut. Oder sind es die vielen Tüten funny-frisch Chipsfrisch der Sorte Currywurst Style, die ihm sein kalorienbewusster TV-Werbepartner  jeden Tag gratis auf den Couchtisch stellt?  Mein Tipp: 1:1

Gruppe D
Spanien (2) – Türkei (16) am 17. Juni
Wie reagiert Erdogan wohl nach einer weiteren Niederlage? Wird er den spanischen Botschafter einbestellen? Oder wird er beim Sportgerichtshof CAS dagegen klagen? Wird er aus Frust wahllos kurdische Dörfer bombardieren? Oder lässt er Spaßvogel Böhmermann vom türkischen Geheimdienst nach Ankara entführen? Wir wissen es nicht. Die im ersten Spiel erfolgreiche spanische Panzerknackerbande rund um ihren genialen Anführer Andrés Iniesta könnte  das vielleicht etwas verunsichern. Daher wird der Sieg des dreifachen Europameisters eher moderat ausfallen, um den türkischen Staatschef so milde wie möglich zu stimmen. Mein Tipp: 2:1

Tschechien (6) – Kroatien (18) am 17. Juni
Nach dem EM-Ranking sind eigentlich die Tschechen favorisiert. Aber Tomas Rosicky ist doch reichlich in die Jahrzehnte gekommen. Und meine kroatischen Freunde haben sowohl Zeug als auch die Mittel dazu, ihren slawischen Kollegen aus dem Norden einen sehr unerfreulichen Abend zu bereiten. Mit einem zweiten Sieg wäre ihnen zumindest der Gruppenvizeplatz nicht mehr zu nehmen. Das sollte doch für die alte Frau Modric und ihre Kameraden Ansporn genug sein. Ich befürchte, dass die zweite Pleite auch von diesem tschechischen Torwart mit dem lustigen Fahrradhelm auf dem Schädel nicht zu verhindern sein wird.  Mein Tipp: 0:2

Gruppe E
Italien (5) – Schweden (15) am 17. Juni
Diese beiden Länder können auf eine sehr lange Fußball-Tradition zurückblicken. Die Italiener sind aber nicht nur wesentlich erfolgreicher (insgesamt fünf Titel bei Welt- und Europameisterschaften) als die Skandinavier (WM-Vize 1958), sondern werden sich auch diesmal durchsetzen. Balkan-Schätzchen Zlatan wird von drei eisenharten Verteidigern neunzig Minuten so lange durch die italienische Heißmangel gedreht, bis ihm seine bunte Rückentapete sauber von der Haut abblättert. Auf diese Weise könnte die Riegel- und Kontertaktik der Tifosi aufgehen. Gegen Belgien hatte das ja schon ziemlich gut geklappt. Mein Tipp: 1:0

Belgien (12) – Irland (19) am 18. Juni
Die Belgier haben im Nachbarland eigentlich nur gefühlte Heimspiele. Und ihre Favoritenrolle können sie beim zweiten EM-Auftritt trotz ihres Fehlstarts gegen eine italienische Altherrentruppe sicherlich nicht an die wackeren Feier-Iren abgeben. Das wird trotzdem eine schwierige Partie für die bislang etwas blutleer auftretenden Flamen und Wallonen. Schon beim Punktgewinn gegen eigentlich favorisierte Schweden haben die grünen Insulaner gezeigt, dass in deren Heimat nicht nur Rugby, Hurling und Gaelic Football gespielt wird. Mein Tipp: 2:1

Gruppe F
Island (34) – Ungarn (14) am 18. Juni
Als Filmtitel fällt mir bei dieser Partie nur „Dirty Underdogs Reloaded“ ein. Beim Handball wäre das aber eine echte Spitzenbegegnung. Und da würden in jedem Fall auch ein paar Tore mehr fallen als bei der von mir prognostizierten Nullnummer. Mein Tipp: 0:0

Portugal (11) – Österreich (21) am 18. Juni
Das wird gar nicht so einfach wie es nach der Papierform aussieht. Die Ö-Streicher haben diesmal nicht nur Ambitionen, sondern auch einen qualitativ ausgeglichenen Kader mit vielen erprobten Bundesliga-Kickern von der Alm ins Tal getrieben. Das erinnert an alte Zeiten mit Hans Krankl („I werd‘ narrisch“) und „Schneckerl“ Prohaska. Trotzdem sollte sich die bessere spielerische und taktische Klasse der turniererprobten lusitanischen Auswahl rund um CR7 durchsetzen. Mein Tipp: 2:1
Das war der zweite Gruppenspieltag in meiner Vorschau.

Zbogom (auf Wiedersehen) und bis zum nächsten Mal

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.






EM-Kommentar vom 13.06.2016

Vive la France, vive la Europameisterschaft!

Der Ball rollt, die Wochen des Wartens sind vorbei, die EM läuft und ganz Fußball-Europa hofft auf ein friedliches Fest. Die Gastgeber hoffen auch auf einen erneuten Titelgewinn im eigenen Land, aber dazu gehört eine zielgerichtet spielende Mannschaft. Doch im EröffVive la France, vive la Europameisterschaft!

Der Ball rollt, die Wochen des Wartens sind vorbei, die EM läuft und ganz Fußball-Europa hofft auf ein friedliches Fest. Die Gastgeber hoffen auch auf einen erneuten Titelgewinn im eigenen Land, aber im Eröffnungsspiel taten sich Les Bleues noch recht schwer, das Abwehrbollwerk der Muränen auszuhebeln. Nicht alles lief rund, da ist noch Justierungsbedarf, vor allem in der Offensive. Immerhin wurde 2:1 gewonnen. Die ersten beiden Tore waren irregulär, weil jeweils ein Stürmerfoul vorausging? Geschenkt, was zählt ist der Sieg durch einen schönen Weitschuss von Payet.

Samstag lief dann das volle Programm, mit drei Spielen nacheinander. Albanien leistete unerwartet harten Widerstand gegen die Schweiz und gab sich trotz Unterzahl nur knapp 0:1 geschlagen. Den Schweizern fehlt ein echter Klassestürmer, da reicht es nicht, den Ball im Mittelfeld schön laufen zu lassen. Mittelklasse, mehr war das nicht.

Am frühen Abend zeigten dann die Waliser, wie man mit Kampfgeist Spiele gewinnt. Echte Experten hatten schon geahnt, dass der Sieg der Slowaken gegen das deutsche Team, kurz vor der EM, wohl eher der schlechten Organisation der deutschen Abwehr und der Flutkatastrophe in der Halbzeit geschuldet war als einer starken Leistung der Slowaken. Am Ende ein verdienter Sieg von Bale & Co.. Das Spiel gegen die scheinbar übermächtigen Engländer dürfte höchst interessant werden...

Die Limies schenkten uns dann einen unterhaltsamen Abend. Jugendwart Rooney dirigierte seine Jungens zu einem knappen, aber durchaus verdienten Sieg... - dachten alle im Stadion. Und dann kam die kalte Dusche mit dem Ausgleich in letzter Minute. Dennoch: Das englische Team macht Spaß, da ist Leben in der Bude, es gibt tatsächlich viel Kreativität und technisch richtig guten Fußball. Nur das Tor treffen müssen sie noch. Die Sbornaja enttäuschte dagegen über die größte Zeit des Spiels. Kein deutliches System, eine vor allem in Halbzeit 1 oft wacklige Abwehr, kaum geordneter Spielaufbau, stumpfe Spitzen - so gibt es bei dieser EM nichts zu gewinnen.

Am Sonntag lieferte die ARD uns gefühlte 12 Stunden Vorberichterstattung zum Abendspiel Deutschland-Ukraine. Jede Pause wurde zur Schalte nach Lille genutzt, wo der Mannschaftsbus dann die Kulisse für vorgetäuschte Aktualität geben sollte. Eingestreut wurden zwei Fußballspiele. Kroatien zeigte über nahezu die gesamte Spielzeit, warum Modric & Co. als Geheimfavoriten gehandelt werden: Technisch sauberer Fußball, oft mit schnellem Umschaltspiel, gute Kombinationen und Zweikampfhärte bis an die Grenzen des Erlaubten (und manchmal auch darüber). Nur das Toreschießen gegen harte, aber insgesamt erschreckend harmlose Türken klappte nicht so recht. Kaum eine Mannschaft arbeitete jedoch so viele Großchancen heraus wie die Kroketten - wenn Mandzukic und Perisic besser damit umgehen, ist locker das Viertelfinale drin.

Am frühen Abend versuchten unsere polnischen Nachbarn dann die grünweiße Mauer der Nordirländer einzureißen. Lewandowski links, Lewandowski rechts, Lewandowski in der Mitte, hier wurde hart gearbeitet, um den Stahlbeton von der grünen Insel zu durchstoßen. Dies gelang nur ein einziges Mal, und auch noch ohne Lewandowski. Am Spiel änderte sich nicht viel, Polen blieb klar überlegen, bekam den Ball aber nicht über die Linie. Wie gut die polnische Abwehr ist, erfahren wir erst am Donnerstag, denn gestern wurde sie nicht gefordert.

Abends schließlich der Höhepunkt für alle deutschen TV-Gucker: Die deutsche Mannschaft wollte als erste einen deutlichen Vorsprung herausschießen. Ihr werdet es alle gesehen haben: Dies gelang nur mit Mühe in der Nachspielzeit, und auch nur wegen großartiger Paraden von Torwart Neuer und einer Artistik-Einlage von Lieblingsnachbar Boateng. Die Ukrainer wollten sich mit der vorgesehenen Rolle als Opferlamm einfach nicht zufrieden geben, die kennen das Spielchen ja schon aus ihren östlichen Landesteilen und machen es einfach nicht mit (frag nach bei Putin). Vor allem in der 1. Hälfte schwamm die deutsche Abwehr nach der eigenen Führung bedenklich. Hier war routiniertes Forechecking gefragt, aber das defensive Mittelfeld ließ zu viele Flanken und Standards zu. Nach vorn lief alles über links, das hatten die Blaugelben dann auch irgendwann gemerkt. So stockte der deutsche Spielaufbau, Boateng spielte nur noch zurück zu Neuer statt diagonal nach vorn, Müller war quasi kaum im Spiel und die Linksausrichtung verengte die Räume so weit, dass 3 von 4 Angriffen abgebrochen werden mussten. Rückpass hinter die Mittellinie, Neuaufbau - das war die Devise. Erst zum Ende, als die Ukrainer auf einen Lucky Punch wie die Russen hofften, war der Raum da und wurde in Weltklassemanier genutzt. Die Flanke mit links von Özil, der technisch richtig schwierige Schuss von Schweinsteiger als Dropkick aus vollem Lauf - das war schon weltmeisterlich! Am Ende stand ein verdienter Sieg, der mir 4 Punkte und einen erfreulichen Platz in der Tabelle verschaffte :-)

Was gab es sonst noch? Die Mode hält Einzug in den Fußball. Oli "he he" Kahn in Glanzhemd und Silberfadenhose erklärte uns den Knuckle Ball. Und manche Torhüter lassen sich ihre Kluft offenbar vom Hausschneider der Queen fertigen: Volkan Babacan und Andrij Pyatov zeigten den gleichen Mut zur Neonfarbe in Quietschgrün und Grellpink wie die 90-jährige Lizzie. Apropos Inselaffen: Ein Titel wird mit Sicherheit auf eine der Inseln im Nordatlantik gehen: Niemand sang so schön wie die Waliser, Engländer und die Green-White Army. Wenn jetzt noch die Irländer in den Wettbewerb eingreifen, können die Kontinentaleuropäer einpacken.
Und drumherum um die Spiele? ARD und ZDF erfreuten uns wieder mit ewig langen, aber völlig nichtssagenden Berichten aus dem deutschen Quartier und mit den üblichen Reportagen vom fahrenden oder rumstehenden deutschen Mannschaftsbus. Gääääähn....
Und eine Frage blieb offen: Wieso moderieren Matze und Mehmet im Stehen vor einer Kloschüssel? Ja, ich weiß: Sitzen ist für'n Arsch, aber trotzdem - was soll das?

Im Tippspiel stehen zwei Hebbelkicker vorn - da sieht man doch, wo die Fußballkompetenz zuhause ist. Nachwuchstalent Mette hatte den Nordirländern zu viel zugetraut (Tipp: 1:1) und musste die zwischenzeitliche 3-Punkte-Führung wieder abgeben. Dahinter lauert schon der WM-Zweite aus Island, der uns hoffentlich demnächst direkt aus Frankreich mit Infos versorgt, wenn sein Heimatland ins Geschehen eingreift.

Ein schnelles Fazit nach dem ersten Wochenende: Viele enge Spiele und noch kein einziger echter Grottenkick. Je t'EM!

Robert



Statistik mit der Tistić (Teil 1)


Madame Rasta erklärt den ersten Gruppenspieltag der EM 2016

Zdravo (hallo) liebe Freunde des runden Leders,

die EM steht kurz vor der Tür. Warum wollen wir sie nicht einfach reinlassen? Insgesamt 53 Länder rangelten zuvor in 268 langen Quali-Spielen um die 23 verfügbaren Startplätze. Frankreich durfte als Gastgeber von außen interessiert zuschauen. Und nach weiteren 51 Spielen gibt es am 10. Juli in Paris einen frisch gekürten kontinentalen Meister. Zahlen über Zahlen. Aber die liebe ich nun einmal  – völlig egal ob natürlich, ganz, rational, reell oder komplex.  Und ich liebe Fußball und vor allem Männer, die Fußball spielen. Die brauchen wiederum nicht mal besonders komplex zu sein – Hauptsache real. Das eine habe ich zu meinem Beruf gemacht, das andere ist meine Passion. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Begonnen hat für mich alles am 17. Juni 1976 in Belgrad. Die Fußball-EM gastierte damals in unserem wunderbaren Jugoslawien und ich durfte als junges Mädel mit meinem Tata (Papa) zum Halbfinale gegen Deutschland-West ins riesige Stadion Roter Stern gehen. Da war echt was los! Wir hatten damals nämlich so tolle Spieler wie Dribbelkönig Dzajic, Schlachtenlenker Oblak und Flügelflitzer Popivoda. Hat alles nichts genützt trotz einer satten 2:0-Führung zur Pause. Was hab‘ ich mir die Seele aus dem schönen jungen Körper geschrien. Aber Deutschland-West hatte wieder mal einen Müller (Dieter statt Gerd) mitgebracht, der dummerweise in seinem allerersten Länderspiel gleich drei Tore schoss. So verloren wir noch 2:4 in der Verlängerung. Aber was für blonde Recken hatten die Westgermanen damals auf ihrer Balkan-Route mitgenommen! Ein besonderes Prachtexemplar  hab‘ ich mir gleich nach dem Spiel an Land beziehungsweise an meine feste Brust gezogen. Der hat mir spät abends an der Hotelbar im „Hotel Tito“ nach erfolgversprechendem Start-Up gleich eine schöne Eintrittskarte fürs Endspiel ins zarte Patschhändchen gedrückt. Die nächsten drei Tage und vor allem Nächte waren dann überaus turbulent. Mehr sage ich dazu lieber nicht. Hat aber alles nichts gebracht – jedenfalls nicht für ihn. Denn mein hormongesteuerter teutonischer Lover (heute kommt er eher als etwas aus dem Leim gegangener Ex-Knacki daher) hat dann das runde Leder im Elfmeterschießen gefühlte zehn Meter übers eckige Tor gefackelt – mitten hinein in den so wunderschön pechschwarzen Belgrader Nachthimmel. Mein Liebster war wohl in Gedanken schon ein paar Schäferstündchen weiter. Shit happens – wie wir serbischen Frauen in solchen Momenten immer zu sagen pflegen. Das Ding war dann durch und unsere damaligen sozialistischen Brüder aus der CSSR rollten sich anschließend wie paarungswillige Igel vor Freude auf dem feuchten Rasen.

Warum ich euch das erzähle? Weil ich damals noch gar nichts verstanden habe über Zahlen, Fußball und Wahrscheinlichkeiten. Und weil mir die Spieler mit ihren langen Haaren und strammen Oberschenkeln so gut gefielen. Jetzt bin ich Zahlen- und Sportprofessorin und berate nebenbei Spieler in allen Beziehungs- und Lebensfragen. Ratet mal, wie der Lothar seine vielen Marijanas, Kristinas, Ariadnes, Joannas und Anastasias aufgegabelt hat? Meint ihr, die stehen alle am Autoput Schlange und warten auf die trübe Zukunft? Nein – das läuft heutzutage anders. Ich sage nur so viel: In meiner Mädelskartei schlummern noch viele Schätze des Ostens. Nicht nur für den Lothar.
Kommen wir aber zurück zum Fußball. Erstmals rangeln 24 Teams in der Endrunde um den Titel. Früher (1960 bis 1976) trafen sich magere vier Mannschaften an einem verlängerten Wochenende mitten in der Liga-Saison und spielten auf die Schnelle den Europameister aus. Das war so eine Art sportliches Speed-Dating mit anschließender Pokalübergabe. Jetzt dauert die EM fast so lange wie eine Weltmeisterschaft. Aber früher gab es ja noch die UdSSR, die CSSR oder unser wunderbares Jugoslawien. Heute spielen anstelle dieser drei insgesamt gleich 19 Länderteams in der Europa-Qualifikation gegeneinander. Das nennt man wohl Inflation durch politische Zellteilung. Und alle  wollen nach Europa rein. Da braucht man eben ein paar Startplätze mehr. Trotzdem reichte es diesmal nicht für mein geliebtes Heimatland Serbien. Das ist wirklich ein Jammer! Als Jugoslawien waren wir früher immer so gut – zweimal EM-Zweiter (1960 und 1968) und einmal EM-Vierter (1976). Aber was sollen erst die ehemaligen Europameister Holland (1988), Dänemark (1992) und Griechenland (2004) sagen? Die haben doch die echte Euro-Krise am Hintern kleben.

Andere haben es eben besser gemacht und sich sauber für die Euro qualifiziert. In sechs Gruppen geht es zunächst los. Dann wird erstmals überhaupt innerhalb einer EM-Endrunde ein Achtelfinale ausgespielt. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Es beginnt zunächst einmal mit dem ersten von drei Spieltagen in der Gruppenphase. Es stehen zwölf mehr oder weniger spannende Begegnungen an (siehe unten). Dabei gibt es immer zwei Möglichkeiten, wie Hobbymathematiker Franz Beckenbauer es einmal so schön formulierte: Sieg, Niederlage oder Unentschieden.

Im Rahmen meiner langjährigen Studien habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie man die bisherigen EM-Auftritte aller Ländermannschaften objektiv am besten bewerten kann. An erster Stelle in der Bewertungsskala steht natürlich ein gewonnener EM-Titel. Das haben bisher neun Länder geschafft. Dann folgt eine Endspielteilnahme (bisher 12 Länder), eine Halbfinalteilnahme (bisher 16 Länder) und so weiter bis hin zur reinen Endrundenteilnahme. Daraus ergibt sich, ähnlich wie beim Tennis, ein ziemlich eindeutiges Ranking (siehe die unten in Klammern hinter das jeweilige Land gesetzte Zahl). Dieses umfasst insgesamt 35 Länder. Von diesen haben 33 mindestens einmal an einer EM-Endrunde teilgenommen. Hinzu kommen Luxemburg und unsere früheren sozialistischen Freunde aus der DDR. Beide Länder standen in alten Zeiten ohne Endrundenteilnahme im Achtelfinale (DDR 1960 und 1964) oder sogar im Viertelfinale (Luxemburg 1964). Danach war aber Schluss mit lustig – im Besonderen einige Jahre später aus bekanntlich ganz anderen Gründen für die komplette DDR. Apropos alte Zeiten: Bei der allerersten EM 1960 bewarben sich überhaupt nur 17 Länder um den Titel. Deutschland-West, Italien und England wollten gar nicht erst mit dabei sein. Es gab dann folglich mangels Masse nur eine einzige Qualifikationsrunde zwischen der CSSR und Irland. Der Sieger (CSSR) qualifizierte sich zusammen mit den anderen 15 EM-willigen Mannschaften für das Achtelfinale, das jeweils mit Hin- und Rückspielen ausgetragen wurde. Es folgten auf die gleiche Weise das Viertelfinale und dann anschließend erst die „richtige“ EM-Endrunde mit vier Mannschaften. Diesen komischen Modus gab es bis einschließlich 1976. Aber das ist alles lange her – jetzt zählt nur das Hier und Heute. Und das beginnt wie bei jeder EM immer mit dem Eröffnungsspiel.

Gruppe A
Frankreich (3) – Rumänien (17) am 10. Juni:
Das Auftaktspiel sollte kein Problem für den zweimaligen Europameister (1984 und 2000) und Gastgeber bei seiner neunten Endrundenteilnahme sein. Die früheren sozialistischen Kollegen aus Transsylvanien und der Wallachei (fünfte Euro-Teilnahme) stellen keine echte Hürde dar. Gespannt darf man auf die Taktik der Franzosen sein. Vor dem Turnier hatte ich noch die Befürchtung, dass man eine sonst eher selten gespielte Neunerabwehrkette bilden müsse, um die beiden Kontrahenten Benzema und Valbuena sicher voneinander zu trennen. Das hat wohl auch Nationalcoach Deschamps rechtzeitig erkannt und daher gleich beide Spieler gar nicht erst für die EM nominiert. Sicherheit geht in diesen schwierigen Zeiten eben über alles. Mein Tipp: 2:0

Albanien (30) – Schweiz (25) am 11. Juni:
Bei ihrer ersten EM-Teilnahme im Jahre 1968 hatten sich die Westdeutschen an den Albanern seinerzeit noch die Zähne ausgebissen (0:0 in Tirana). Es war übrigens bisher das einzige Mal, dass eine deutsche Nationalmannschaft in einer Qualifikation für ein Fußball-Großereignis (WM oder EM) scheiterte. Aber schon die alte Plaudertasche Karl May wusste zu berichten, dass im Lande der Skipetaren vielfältige Gefahren lauern. Übrigens standen die Albaner schon einmal (1964) im Achtelfinale einer EM, ohne bisher jemals an einer einzigen EM-Endrunde teilgenommen zu haben. Mathematisch hört sich das ziemlich unlogisch an, war aber dem merkwürdigen damaligen Modus der UEFA geschuldet. Dennoch werden sich die Schweizer (vierte Euro-Teilnahme) sicher durchsetzen. Mein Tipp: 1:2

Gruppe B
Wales (23) – Slowakei (34) am 11. Juni
Prince Charles wird seinem ihm anvertrauten westlichen Landesteil des Vereinigten Königreiches bestimmt feste die Daumen drücken, sofern er nicht gerade mit seiner imposanten Neugemahlin beim Pferderennen in Ascot weilt oder einen Ökobetrieb in Yorkshire besichtigt. Wales stand 1976 sogar schon einmal im EM-Viertelfinale. Für eine echte EM-Endrundenteilnahme hatte es aber bisher nie gereicht. Aber auch die slowakischen Freunde sind froh, sich erstmals überhaupt dafür qualifiziert zu haben. Gareth Bale plus zehn mehr oder weniger namenlose Inselkicker heißt die Waliser Erfolgsformel. Könnte fürs erste Spiel sogar reichen. Mein Tipp: 1:1

England (13) – Russland (4)  am 11. Juni
Das selbsternannte Mutterland des Fußballs hat bei seiner neunten Endrundenteilnahme noch erheblichen Nachholbedarf. Ein dritter Platz (1968) und eine Halbfinalteilnahme (1996) sind die bisher einzig nennenswerten Resultate. Unser früheres sozialistisches Mutterland war als Sowjetunion mit einem Titel (1960) und drei zweiten Plätzen (1964, 1972 und 1988) schon wesentlich erfolgreicher. Nach der Umfirmierung in GUS und nachfolgend in Russland (EM-Halbfinale 2008) gab es aber nicht mehr richtig viel zu feiern. Insgesamt nimmt das größte Land der Erde zum elften Mal an einer EM-Endrunde teil. Die aktuelle Formkurve spricht aber eindeutig für die Insulaner. Die Queen wird ihre Kicker mit den drei Löwen auf der Brust diesmal sicherlich vor dem Fernseher sitzend kräftig bei einer Tasse Tee anfeuern. Mit ihren neunzig Lenzen will sie doch gerne mal wieder persönlich zu einem Titel gratulieren. Ist ja nun seit der WM 1966 auch schon stolze 50 Jahre her. Bei der Zusammenstellung des russischen Kaders ist mir aufgefallen, dass bis auf einen Spieler alle in der heimischen Liga kicken. Und dieser einzige Legionär namens Roman Neustädter ist eigentlich auch noch Deutscher, vermutlich Nachfahre eines früheren deutschen Kriegsgefangenen aus Sibirien. Genosse Putin macht’s möglich. Mein Tipp: 3:1

Gruppe C
Polen (26) – Nordirland (30) am 12. Juni
Noch ist Polen auch bei seiner dritten Endrundenteilnahme keinesfalls verloren. Lewandowski kann und wird es vorne richten. Diesmal wird es besser laufen als bei ihrer Heim-Pleite vor vier Jahren. Die Nordiren sind absolute Euro-Neulinge und müssen sich erst einmal akklimatisieren. Mit einem vorne wirbelnden Georgie Best hätten sie sicherlich bessere Karten. Aber der guckt nun bekanntlich von ganz oben zu – vermutlich mit einem blonden Engel im Arm und einem Glas Whisky in der Hand auf Wolke Sieben. What a man! Mein Tipp: 2:1

Deutschland (1) – Ukraine (29)  am 12. Juni
Der dreifache Europameister (1972, 1980 und 1996) und amtierende Weltmeister beginnt die EM gegen ein in jeder Hinsicht lädiertes Land. Das gäbe sicherlich eine schöne Quote bei einer Pleite. Aber dazu wird es nicht kommen. Deutschland ist übrigens zum zwölften Mal insgesamt und das auch noch in Folge bei einer EM-Endrunde dabei. Das ist absoluter Weltrekord – jedenfalls für Europa. Die Ukraine hat das jetzt nach 2012 bei der halben Heim-EM nun immerhin zum zweiten Mal geschafft. Übrigens fand vor vier Jahren eines der beiden EM-Halbfinalspiele noch in Donezk statt. Heute liegt die Stadt in Schutt und Asche wie damals 1999 mein geliebtes Belgrad – wirklich mehr als traurig!  Mein Tipp: 3:1

Gruppe D
Türkei (16) – Kroatien (18) am 12. Juni
Unsere osmanischen Freunde, also in gewisser Weise meine früheren Landesherren, halten sich aktuell für die besten Defensivspezialisten Europas. Was dank Erdogan bei der Flüchtlings- und Komikerabwehr vielleicht noch gerade so eben funktioniert, muss im Fußball bei der vierten Euro-Teilnahme (2008 EM-Halbfinale) aber nicht zwangsläufig klappen. Meine Ex-Brüder und einzigen Repräsentanten des ehemaligen Jugoslawiens werden es ihnen bei ihrer fünften Euro-Teilnahme so schwer wie möglich machen. Mein Tipp: 1:1

Spanien (2) – Tschechien (6) am 13. Juni
Nach meiner Rangliste ein echtes Spitzenspiel mit dem amtierenden Europameister gegen einen früheren Champion (1976). Aber nur in dieser Hinsicht agieren beide Mannschaften aktuell auf Augenhöhe. Spanien nimmt zum zehnten Mal an einer EM-Endrunde teil und hat dreimal (1964, 2008 und 2012) den Titel geholt. Die ganz große Zeit der Spanier mit drei Titeln in Folge (EM 2008, WM 2010 und EM 2012) mag zu Ende sein, aber in ihrer Gruppe sollten sie sich locker durchsetzen. Meine ehemaligen sozialistischen Brüder hatten damals noch als CSSR mit dem Titelgewinn 1976 ihren größten Erfolg gefeiert und nehmen zum neunten Mal an einer EM-Endrunde teil. Mein Tipp: 2:0

Gruppe E
Irland (19) – Schweden (15) am 13. Juni
In der Disziplin Fangesang sind die Iren (dritte Euro-Teilnahme) schon jetzt unangefochtener Europameister. Aber gegen meinen jugoslawischen Ex-Bruder Zlatan und seine schwedischen Wikinger (sechste Euro-Teilnahme) müssen nicht nur die Kehlen absolut heiß laufen. Wir sind schließlich nicht beim St. Patrick’s Day sondern bei einer EM. Mein Tipp: 1:1

Belgien (12) – Italien (5) am 13. Juni
Geheimfavorit Belgien (fünfte Euro-Teilnahme) gegen den Ex-Europameister (1968) und mehrfachen Weltmeister Italien (neunte Euro-Teilnahme). Das ist schon zu Beginn ein echter Kracher. Wenn die belgischen Terror-Ermittler so gut arbeiten würden wie derzeit die Fußballer, dann könnte man in Brüssel völlig gefahrlos Mohammed-Karikaturen verteilen. De Bruyne und Kollegen haben es echt drauf. Das wird richtig schwer für meinen speziellen italienischen Freund Gigi Buffon im Tor und die anderen zehn Abwehrspieler vor seinem Kasten.  Mein Tipp: 1:1

Gruppe F
Österreich (21) – Ungarn (14) am 14. Juni
Österreich-Ungarn war früher mal so ein schönes großes Land. Egal – jetzt geht es eben gegeneinander. Nach dem Krieg waren die Puszta-Söhne (dritte Euro-Teilnahme) eine echte Fußball-Macht. Seit 1964 (EM-Dritter) läuft aber nicht mehr viel die Donau hinunter. Daran hat auch der zwischenzeitliche Einsatz meines lieben Freundes Lothar M. als Nationaltrainer und nebenberuflicher Damenbetreuer nicht viel ändern können. Jetzt versucht man es mit gleich zwei Germanen (Storck und Möller) auf der Trainerbank. Die Bundesliga-Ösis (zweite Euro-Teilnahme) haben ihrerseits bei einer EM noch nie was reißen können, nicht mal 2008 zu Hause. Aber seit die einen Alaba haben, sieht man dort nicht mehr so richtig schwarz. Mein Tipp: 2:0

Portugal (11) – Island (34) am 14. Juni
Bei EMs waren die Portugiesen (siebte Euro-Teilnahme) immer recht erfolgreich mit einem zweiten (2004) und drei vierten Plätzen (1984, 2000 und 2012) – aber eben niemals gut genug für den Titel. So ähnlich wird es trotz ihres Prachtoberhähnchens mit dem Kürzel CR7 auch diesmal laufen. EM-Neuling Island ist aber im ersten Spiel sicherlich nicht mal ein Stolpersteinchen. Auch wenn das Rudi Völler früher auf der Vulkaninsel mal anders sah – aber da waren die Isländer halt noch Tabellenführer und deutsche Fernsehjournalisten tranken dazu fröhlich Weizenbier. Mein Tipp: 2:0
Das war der erste Gruppenspieltag in meiner Vorschau.

Dovidenja (auf Wiedersehen) und bis zum nächsten Mal

Eure Rasta

Prof. Dr. Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln. Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic (ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt. Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.







Prolog vom Kanal zur EM 2016

Alles eine Frage des Standpunktes

Wer ist amtierender Europameister? Na klar – Deutschland mit seinen rotzfrechen Bad Boys. Halt – falsche Sportart! Handspiel ist diesmal nicht Pflicht, sondern ganz überwiegend – zumindest für zwanzig Spieler auf dem Platz – strengstens verboten. Es sei dabei allerdings kurz angemerkt, dass Deutschland derzeit auch beim Fußball den vermutlich besten Handballer des alten Kontinents stellt. Er ist mit seinen dreißig Lenzen kein ganz Neuer, sondern mittlerweile schon ein ziemlich alter Hase. 

Aber der Torwart hat nicht nur sprichwörtlich bisweilen Angst vorm Elfmeter. Er schießt nun mal, zumindest normalerweise, keine Tore. Das müssen schon seine zehn Sportskameraden auf dem Rasen erledigen. Und darauf kommt es letztlich an. Zumindest sollte man als „La Mannschaft“ immer mindestens ein Bällchen mehr einzunetzen verstehen als der Gegner. Dann kommt man bewiesener Maßen ziemlich weit bei einem Turnier – so wie unsere Kicker vor zwei Jahren bei der glorreichen WM unterm Zuckerhut.

Kommen wir zur spannenden Frage. Kann man beim Fußball als Weltmeister anschließend auch Europameister werden? Ganz einfache Antwort: Ja – kann man durchaus, zumindest wenn man Frankreich oder Spanien heißt. Beide Länder können in dieser Hinsicht eine beeindruckende Quote von einhundert Prozent vorweisen (Frankreich 2000 und Spanien 2012). Ansonsten stehen die Chancen statistisch bei 29 Prozent, denn von sieben europäischen Weltmeistern (England 1966, Deutschland 1974 und 1990, Italien 1982 und 2006, Frankreich 1998 und Spanien 2010) wurden bisher zwei (siehe oben) anschließend auch Europameister. Deutschland steht in diesem Vergleich mit null Prozent allerdings ziemlich blank da, kam 1976 und 1992 als amtierender Weltmeister aber immerhin jeweils bis ins EM-Finale.

Man kann es aber auch anders betrachten: Wenn ein Uli Hoeneß keinen finalen Elfmeter schießt und man im Endspiel nicht gegen tiefenentspannte Urlauber-Dänen (damals wegen des vorherigen kurzfristigen Ausschlusses von Jugoslawien) antreten muss, dann dürften die Titelchancen vermutlich rapide ansteigen. Die Fakten sprechen in dieser Hinsicht diesmal eindeutig für das deutsche Team. Denn Uli Hoeneß ist zwar seit Ende Februar aus der Festungshaft entlassen, hat aber noch mit einem erheblichen Trainingsrückstand zu kämpfen. Und die Gute-Laune-Dänen wurden vom schwedischen Nachbarn mit Ibrahimovic & Co. ziemlich humorlos in der Quali-Runde aus dem Wettbewerb geschossen. Den Süd-Skandinaviern würde jetzt allenfalls noch ein kurzfristiger EM-Brexit der Engländer helfen. Aber damit ist nach derzeitigem Stand, unabhängig vom Ergebnis des anstehenden EU-Referendums, wohl eher nicht zu rechnen.

Der Weg zum Titel steht unseren bundesdeutschen Kickern also ziemlich offen. Wenn da nicht die vielen anderen potenziellen Spielverderber wären. Satte 23 sind es diesmal an der Zahl – zumindest statistisch. Ob man Albanien oder Island bei diesem Unterfangen realistische Chancen einräumen mag, sei einmal dahin gestellt. Aber es gibt ja leider immer noch die bei WM- oder EM-Turnieren zumindest für deutsche Teams bisher vollkommen unverdaulichen Italiener, sackstarke französische Gastgeber und als Zweite der aktuellen FIFA-Weltrangliste brandgefährliche Belgier. Spanien und England sollte man bei der Kandidatenkür auch nicht ganz vergessen. Und dann sind da noch die vielen von außen ernannten oder selbst gekürten Geheimfavoriten – das gilt dann eigentlich mehr oder weniger für den gesamten Rest des Starterfeldes.

Eine weitere Statistik spricht jedoch für die Deutschen. Mit drei Titeln (1972, 1980 und 1996) bei bisher zwölf EM-Teilnahmen (1960 und 1964 fand der DFB die Teilnahme an einer Europameisterschaft noch ziemlich bescheuert) stehen die Siegchancen immerhin bei satten 25 Prozent. Eine solche Quote hat kein anderes Land vorzuweisen. Bei jeder vierten Teilnahme wurde man Europameister – zumindest statistisch. Das letzte Mal war das 1996. Danach war allerdings viermal am Stück vorzeitig Ende mit Titelträumen. Mit Grauen erinnern wir uns an die düsteren Rumpelauftritte unter „Sir Erich“ (Ribbeck) in 2000 und „Tante Käthe“ (Völler) in 2004, die zum verdienten Aus nach der Gruppenphase führten. Spielerisch ging es dann mit „Jogi“ (Löw) deutlich bergauf. Leider standen uns dann aber trotzdem in 2008 die Tiki-Taka-Spanier und in 2012 Lieblingsangstgegner Italien bei der Titeljagd mitten im Weg. Wer erinnert sich nicht an das furchterregende Bild eines zumindest leicht irre daherkommenden Muskelprotzes mit Migrationshintergrund nach Vollendung seines zweiten Treffers. Den Namen des Spielers habe ich seitdem von meiner inneren Festplatte gelöscht – war da was? Aber der Blick geht nach vorne. Statistisch sind wir jetzt wieder so was von dran – mehr geht eigentlich nicht.

Diese Tatsache wurde nun auch von wissenschaftlicher Seite eindrucksvoll bestätigt. Den eindeutigen Beweis lieferte jetzt Prof. Dr. Rasta Tistić (in Expertenkreisen auch „Madame Rasta“ genannt), ihres Zeichens langjährige Leiterin des Instituts für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule Belgrad, im Rahmen eines von der Sport-BILD finanzierten völlig unabhängigen Gutachtens. „Madame Rasta“, nebenberuflich auch langjährige Beziehungsberaterin des viermaligen EM-Teilnehmers Lothar Matthäus, wird übrigens während des EM-Turniers ihre sportstatistischen und sonstigen Einschätzungen zu den jeweils anstehenden Spielrunden in einer eigenen Kolumne („Statistik mit der Tistić“) exklusiv für die geneigten Tippspielteilnehmer darlegen.

Deutschland ist also reif für den vierten EM-Titel. Wir alle sind reif für den großen silbernen Henkelpott. Machen wir's einfach den Handballern nach – rotzfrech und leidenschaftlich. Auch sonst eigentlich brave Jungs sollten bisweilen mal richtige Bad Boys sein. Und unsere Kanzlerin drückt ihren Lieblingsjungs von oben auf der Ehrentribüne alle verfügbaren Hühneraugen. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Wir schaffen das!

Mit besten Grüßen vom Kanal

Bernd Christoph


P.S.: Erstmals duellieren sich diesmal sage und schreibe 24 Teams um die EM-Krone. Ein ebenso großes Starterfeld gab es letztmals bei der WM 1994. Es gibt Theorien, wie es dazu kommen konnte. Natürlich ging es wieder mal nur ums liebe Geld. Beteiligt an dem Deal waren zwei Brüder im italienischen Geiste namens Platini & Panini. Platini wollte seinerzeit zum UEFA-König gewählt werden und Panini den Verkauf seiner Fußballer-Bilder nachhaltig steigern. Denn bei 24 EM-Mannschaften ist nicht nur fast jedes europäische Land mit dabei, sondern es gibt nun die stattliche Anzahl von 680 Panini-Bildern. Wenn man das EM-Album komplett mit diesen füllen möchte und sagenhaftes Glück ohne jegliche Dubletten haben sollte, dann kostet der komplette EM-Bildersatz immerhin 95,20 Euro. Der britische Mathematiker Paul Harper hat jedoch ausgerechnet, dass der durchschnittliche Panini-Sammler insgesamt stattliche 522,90 Euro berappen muss, um seine Sammlung zu komplettieren. Es handelte sich also um ein Riesengeschäft. Und bei diesem  Multimillionendeal sollten damals bei Platini natürlich auch einige der Panini-Euros hängenbleiben. Eigentlich eine echte Win-Win-Situation. Aber durch eine blöde Fehlüberweisung landeten die vereinbarten 6,7 Millionen seinerzeit nicht bei „König“ Platini sondern versehentlich bei „Kaiser“ Franz Beckenbauer auf dessen Sonderkonto. Der fragte sich dann mit überraschtem Blick auf seine Bankauszüge „Jo is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?“ und transferierte den unverhofften Geldregen anschließend wohin auch immer. Man kann sich ja nicht alles merken. War natürlich im Hinblick auf die Heim-WM 2006 alles bestens angelegt – eben irgendwie echt sommermärchenhaft. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Und Platini ist jetzt auch weg vom FIFA- und UEFA-Fenster und tröstet sich vermutlich zu Hause in seinem Wohnzimmer mit einer schönen Panini-Sammlung – natürlich komplett und völlig kostenfrei. Das ist doch besser als gar nichts, oder?